Des Weiteren wurde das dynamische elektronische Verfahren (in § 5 VOL/A sowie § 5 EG VOL/A)60 in die Vergabeverordnung (VgV a.F.) überführt; allerdings hat der Gesetzgeber – trotz einer gesetzlichen Umsetzung der elektronischen Auktion im GWB – auf die Einführung der elektronischen Auktionen in der VgV a.F. verzichtet.61
In der Zwischenzeit hat die EU-Kommission begonnen, im Rahmen ihres Vorschlages KOM (2011) 896/2 die eigentliche eVergabe – in Gestalt einer verpflichtenden elektronischen Kommunikation – vorzubereiten. Dieser Vorschlag ist Teil der Strategie zu Europa 2020 , die zum Ziel hat, Europa durch wirtschaftliches Wachstum noch stärker zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum zu verschmelzen.62 Schon im Vorschlagstext wurde eben jene Verpflichtung der elektronischen Kommunikation festgehalten, da die Übermittlung von Bekanntmachungen in elektronischer Form, ebenso wie die elektronische Verfügbarmachung von Ausschreibungsunterlagen sowie die ausschließliche elektronische Kommunikation (insbesondere eine elektronische Einreichung von Angeboten) zum künftigen Standard erklärt wurde.63
29Burgi, Vergaberecht, 2017, § 2 Rn. 2; Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 12. 30Müller, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB, 2016, Rn. 1. 31Müller, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB, 2016, Rn. 2f.; Wankmüller, in: Soudry/Hettich, Vergaberecht, 2014, S. 218. 32EU ABl. L 328 (Amtsblatt Nr. L 328) v. 28. November 1997. 33EU ABl. L 101 (Amtsblatt Nr. L 101) v. 1. April 1998. 34Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 14. 35Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 14; Siegel, LKV 2017, S. 385; Wankmüller, in: Soudry/Hettich, Vergaberecht, 2014, S. 218. 36Müller, in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, 2017, § 9 VgV, Rn. 9; Rechten, NZBau 2004, S. 366 (369). 37RL 97/52/EG Art. I Nr. 6; Noch, in: Noch, 2014, Kapitel 1 Rn. 16. 38RL 98/4/EG Art. 1 Nr. 7; Antweiler, CR 2001, S. 717 (719); Noch, in: Noch, 2014, Kapitel 1 Rn. 17. 39Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel Rn. 20. 40Antweiler, CR 2001, S. 717 (720). 41Rechten, NZBau 2004, S. 366 (370); Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 47. 42Burgi, Vergaberecht, 2018, § 3 Rn. 39. 43Müller, in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, 2017, § 9 VgV, Rn. 12; Siegel, LKV 2017, S. 385 (386), Wankmüller, in: Soudry/Hettich, Vergaberecht, 2014, S. 217 und S. 219. 44Graef, NZBau 2008, S. 34 (35); Hertwig, Auftragsvergabe, 2016, Rn. 36. 45Hertwig, Auftragsvergabe, 2016, Rn. 36; Noch, Vergaberecht, 2016, Rn. 566. 46Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 58. 47RL 2004/18/EG Art. 1 Abs. 6; RL 2004/17/EG Art. 1 Nr. 5; Müller/Ernst, NJW 2004, S. 1768 (1772); Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 52. 48Müller/Ernst, NJW 2004, S. 1768 (1772). 49RL 2005/17/EG Art. 56; RL 2004/18/EG Art. 54. 50Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 56 mit Verweis auf eine Stellungnahme des BDI aus 2008: „Kritisch zu bewerten ist vor allem die Tendenz zu ruinösem Preisdruck bei umgekehrten Auktionen.“ 51BGBl. I v. 23. April 2009, S. 790ff. 52Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 121 und Rn. 156. 53Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 126ff. 54Hertwig, Auftragsvergabe, 2016, Rn. 39. 55Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 49. 56Rechten, NZBau 2004, S. 366 (370); Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 132. 57Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 136. 58Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 138. 59Rechten, NZBau 2004, S. 366 (370); Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 148f. 60Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 141. 61Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 145ff. 62Mertens, in: Taeger, Smart World – Smart Law, 2016, S. 853; Opitz, NZBau 2014, S. 129; Noch, in: Noch, eVergabe, 2014, Kapitel 1 Rn. 64; Oberndörfer/Lehmann, BB 2015, S. 1027 (1028); Wankmüller, in: Soudry/Hettich, Vergaberecht, 2014, S. 216 und S. 220. 63KOM (2011), 896/2, 10; Stoye, NZBau 2016, S. 457 (458); Wankmüller, in: Soudry/Hettich, Vergaberecht, 2014, S. 217.
III. Weiterentwicklung der E-Vergabe durch die EU-Richtlinien aus 2014
Sämtliche vorgenannten Entwicklungen, insbesondere der Vorschlag der Kommission aus dem Jahr 2011, haben dafür gesorgt, dass die – bis dahin rein europäischen – Impulse für eine elektronische Kommunikation in Vergabeverfahren nochmals verstärkt wurden. Nach einer dreijährigen Umsetzungszeit aus dem Vorschlag der Kommission sind 2014 im Rahmen einer EU-Initiative drei neue Vergaberechtsrichtlinien (die sich rein mit Sachthemen befassten) erlassen worden. Dabei handelt es sich um die Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe, die Richtlinie 2014/25/EU über Vergabe von Aufträgen im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (die sogenannten Sektorenauftraggeber), die auch die Nachfolge der bis dahin geltenden Richtlinien aus 2004 antreten. Komplettiert werden diese durch eine erstmals erlassene Richtlinie über Konzessionsvergaben (RL 2014/23/EU).
Schwerpunkt dieser Reform ist eine generelle Verbesserung der Effizienz des Vergaberechts, eine Vereinfachung und Straffung der Vergabeverfahren sowie die Umsetzung von strategischen Zielen durch Innovationsvorgaben und Nachhaltigkeitsaspekten.64
Gemein ist diesen Richtlinien, dass sie Vorgaben und Leitgedanken zur verpflichtenden elektronischen Vergabe konkretisieren.65 Am Beispiel der RL 2014/24/EU wird die Verpflichtung zur elektronischen Kommunikation nachfolgend dargestellt.
1. Leitgedanken der E-Vergabe in Hinblick auf elektonische Kommunikationsmittel
Als klarer Leitgedanke ist der Erwägungsgrund (ErwG.) 52 der RL 2014/24/EU (d.h. der beispielhaft dargestellten Richtlinie für die Vergabe von Aufträgen öffentlicher Auftraggeber) heranzuziehen. Dort wird die verpflichtende elektronische Kommunikation aus Sicht des europäischen Gesetzgebers herausgehoben.66 Aus deren Blickwinkel werden elektronische Mittel schon die Bekanntmachung über die künftige Vergabe von Aufträgen nicht unerheblich vereinfachen, weshalb elektronische Kommunikationsmittel standardisiert zur Anwendung kommen sollen.67 Parallel dazu kann der gesamte Vorgang effizienter und transparenter gestaltet werden.68 Dieser neue transparente Standard kann gleichsam auch dafür sorgen, dass die grenzüberschreitende Teilnahme an Verfahren im europäischen Binnenmarkt (entsprechend des Kommissionsvorschlags aus 2011) verbessert wird. Um diesen Standard und die daraus zu erwartenden Folgen umsetzen zu können, soll in allen Verfahrensabschnitten eine ausschließliche elektronische Kommunikation verbindlich sein. Daraus lässt sich entnehmen, dass die Standardisierung eine Zugangsvereinfachung zum Ziel hatte.69 Diese Vorgabe soll auch die Bereitstellung der Ausschreibungsunterlagen sowie die Einreichung durch Übermittlung von Teilnahmeanträgen oder der Angebote inkludieren.
Der nachfolgende ErwG. 53 ergänzt dahingehend technische Details. So haben die elektronischen Kommunikationsmittel – soweit keine begründete Ausnahme vorliegt – verschiedene grundlegende Anforderungen zu erfüllen; sie müssen zudem nichtdiskriminierend und darüber hinaus allgemein verfügbar sein. Im Übrigen gilt als parallele dritte Anforderung, dass die elektronischen Kommunikationsmittel mit den allgemein am Markt gängig zu beschaffenden Produkten der modernen Kommunikations- und Informationstechnologie interoperabel bzw. kompatibel sein müssen. Dennoch ist darauf zu achten, dass der Zugang zum Verfahren für Bieter oder Interessenten ohne Einschränkungen (im Sinne einer Barrierefreiheit) möglich ist. Sämtliche dieser Vorgaben des ErwG. sollen allerdings nur greifen, wenn das Beschaffungsverfahren dies erlaubt und die Verwendung der elektronischen Mittel im Einzelfall des Beschaffungsvorgangs angemessen sind. Hier wird der europäische Gesetzgeber sogar überraschend deutlich, da besondere Instrumente, Dateiformate oder spezielle Bürogeräte (wörtlich werden Großformatdrucker erwähnt), aber auch physische Modelle explizit einer weiteren Prüfung durch den öffentlichen Auftraggeber unterworfen werden, da deren Verwendung immer angemessen sein muss. Für diese Fälle gilt dann wiederum eine Öffnungsklausel, wonach vom Grundsatz der Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel abgewichen werden darf. Damit lässt der ErwG. 53 aber auch einen wichtigen Umkehrschluss zu, nämlich, dass der Grundsatz der Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel einen generellen Grundsatz mit Ausnahmemöglichkeit darstellt. Diese Ausnahme erlaubt dann für die technisch schwierigen oder nicht angemessenen Teile dieser Verfahren, und nur für diese und nicht das gesamte Verfahren, ein Ausweichen auf den Postweg.70
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