Wenn du als Coach tätig bist, dann ist dies eine brillante Methode. Sie ist für Menschen hilfreich, die eine Firma gründen, ein Produkt auf den Markt bringen, Musik machen, Kunst schaffen, einen Roman schreiben oder sich sozial engagieren wollen. Wenn sich jemand in irgendeiner Art kreativen Prozesses befindet, kannst du ihm helfen zu erkennen, wo er feststeckt, und dann geeignete Praktiken entwickeln.
Bei 12:00 Uhr (Erwachen) stecken bleiben
Vorliebe für 12:00 Uhr – Erwachen
Für manche Menschen ist die Vorstellung erschreckend, dass man nach der spirituellen Phase des Kreislaufs süchtig sein könnte. Das scheint so endgültig, so radikal. Man denkt dabei an Menschen, die häufig auf Pilgerfahrt oder Retreats gehen, vielleicht einen spirituellen Lehrer haben und mit allem anderen abgeschlossen haben. Es gibt eine philosophische und pragmatische Vorliebe für Formlosigkeit gegenüber Form. Seit sich der Buddhismus in den letzten paar Jahrzehnten aus dem Orient in den Westen ausgebreitet hat, erleben wir eine ungeheure Beliebtheit buddhistischer Statuen. Heute werden sie sogar in Super- oder Baumärkten verkauft. Diese Art Statuen, die sich wie Konfetti in der spirituellen Subkultur verstreut haben, zeigen eine Figur, die Formlosigkeit der Form vorzieht: mit geschlossenen Augen und einem bewegungslosen Körper in Meditationshaltung. Nur ganz wenige Statuen stellen eine tanzende oder völlig lebendige Figur dar. Die Ikonografie bewertet Inaktivität höher als Aktivität. Aufgrund des starken männlichen Einflusses auf Spiritualität ist außerdem Nichtempfinden, Nichtanhaftung und Loslösung verherrlicht worden.
Für ein radikal brillantes Leben ist das problematisch, denn sobald der erste kreative Impuls aufkommt, wird er durch den ideologischen Vorrang der Formlosigkeit unterdrückt. Hör auf zu denken … Gedanken sind der Feind … Gib Gedankenlosigkeit den Vorzug … Werde formlos … Wenn diese Einstellung auf jede Regung im Bewusstsein angewendet wird, dann war’s das mit deinem Flow, er bleibt auf der Strecke. Jeder kleinste Spross wird durch das Diktat der Leere unterdrückt.
Schon in jungen Jahren habe ich jedes Mal, wenn ich meditiert und mich in einen gelassenen, weiten Bewusstseinszustand versenkt habe, die Erfahrung gemacht, dass eine Melodie oder eine Idee oder der Anfang eines Gedichts aufkeimte. Aber über die Jahre war ich konditioniert worden, jede Aktivität zu ignorieren und die Aufmerksamkeit auf den Beobachter, den Zeugen, die Stille zu richten. Jahrelang dachte ich, ich wäre schlecht im Meditieren. Je ruhiger und weiter ich wurde, desto mehr ging ein Feuerwerk in meinem Gehirn los. Seitdem habe ich erfahren, dass viele meiner Kunden, Kollegen und Freunde dieselbe Erfahrung machen. Wenn sie sich zum Meditieren hinsetzen, beginnt ein kreativer Prozess, sobald die Ruhe eintritt.
Verurteilung von 6:00 Uhr – Handlung
Wenn du eine Neigung zu 12:00 Uhr hast, wird es gleichzeitig Urteile für die gegenüberliegende Seite des Kreislaufs geben, von 6:00 Uhr. Jemand, der süchtig nach 12:00 Uhr ist, blickt oft auf sehr aktive Menschen herab, als zwanghaft und sich im Kreis drehend. Wenn du eine Vorliebe für einen Teil des Kreises hast, wirst du eine Abneigung gegen das Gegensätzliche entwickeln. Menschen, die sich gerne für lange Zeit von der Welt zurückziehen, mögen in der Regel keine Handlungsaktivitäten, Termine, Abhängigkeiten und Druck. Es erscheint stressig.
Streben nach/Widerstand gegen 3:00 Uhr – Flow
Menschen, die eine Vorliebe für 12:00 Uhr haben, sprechen oft davon, dass sie eine verborgene Gabe haben und herausfinden wollen, was ihr „Lebenszweck“ ist. Sie sehnen sich danach, diese einzigartige Gabe zu erkennen und freizusetzen. Gleichzeitig scheuen sie sich aber auch davor, denn es würde bedeuten, aus der Formlosigkeit herauskommen zu müssen – also schieben sie den Impuls immer wieder zugunsten eines weiteren Meditationsretreats in die Ferne.
Looping zwischen 12:00 Uhr und 3:00 Uhr
Das führt dazu, dass sie sich ständig zwischen 12:00 Uhr und 3:00 Uhr hin und her bewegen, zwischen meditativer spiritueller Praxis und einem kleinen Tröpfeln von Kreativität, das schnell verschwindet und nirgendwo hinführt. Da die leiseste Vibration nicht beachtet oder aufgenommen wird, kehrt man immer wieder zum Meditationskissen zurück und hofft darauf, dass ein neuer Impuls stark genug sein wird.
Bei 3:00 Uhr (Flow) stecken bleiben
Vorliebe für 3:00 Uhr – Flowzustände
Du kannst auch bei 3:00 Uhr in den Flowzuständen hängen bleiben. Flow ist herrlich. Das Entstehen, Beben, Zittern des ersten Energieimpulses aus der Formlosigkeit ist von Natur aus ein Genuss. Es ist reines Glück. Es ist wie Sex, der von der Beschränkung auf die Genitalien befreit ist und sich orgiastisch im ganzen Körper ausbreitet. Es ist auch das Reich von „ständig was Neues, was Besonderes“. Viele Menschen mit der Diagnose ADHS sind bei 3:00 Uhr gefangen. Sie können nicht lange genug an einem Impuls dranbleiben, bis er Form annimmt. Es ist der Persönlichkeitstyp, der ständig am Kreieren ist. Ich muss zugeben, dass ich ein Musterbeispiel für diese Art Mensch bin. Meistens schreibe ich mehrere Bücher gleichzeitig, konzipiere parallel Onlinekurse, arbeite mit vielen Klienten. Die größte Angst ist, nichts Interessantes mehr zu tun zu haben, aber es wird zur Sucht. Es ist der Reiz des Neuen.
Verurteilung von 9:00 Uhr – Auflösung
Mit einer Vorliebe für 3:00 Uhr ist gewöhnlich die Verurteilung von 9:00 Uhr verbunden. Zwanghaft kreative Menschen fühlen sich ungern hilflos, hoffnungslos oder energielos. Sie blicken mit Ungeduld auf Selbstzweifel, Selbstbeobachtung und Demut. Wenn jemand mit Hang zu 3:00 Uhr emotionalen Schmerz oder Ungenügen empfindet, wird sie oder er automatisch aktiv, um das Gefühl zu vertreiben. Diese Menschen beginnen neue Projekte, um das Gefühl von Schmerz oder Niedergeschlagenheit zu vermeiden.
Streben nach/Widerstand gegen 6:00 Uhr – Handlung
Wenn man bei 3:00 Uhr stecken bleibt, baut man eine Blockade dagegen auf, zu 6:00 Uhr überzugehen. Hast du eine Vorliebe dafür, im Flow zu sein und Dinge anzustoßen, willst du sie realisiert sehen, aber gleichzeitig willst du dich nicht auf Zeitpläne und Projekte einlassen und festgenagelt werden. Das ist das Dilemma aller kreativen Künstler, ob Musiker, Maler oder Romanautor. Abgabefristen können beispielsweise für Schriftstellerinnen ein Horror sein. Oder wenn man einen Blick in ein Malatelier wirft, wird man dort eher selten einen Stapel ordentlich katalogisierter fertiger Bilder oder nur ein einziges Bild, an dem gerade gearbeitet wird, finden. Wahrscheinlicher sind unzählige halb fertige Bilder.
Leonardo da Vinci ist einer der berühmtesten Maler der Geschichte. Er malte die Mona Lisa und das Abendmahl. Wie viele Bilder, glaubst du, beendete er in seiner 46-jährigen Karriere? Die Antwort ist 27. Und fast alle davon waren Auftragsarbeiten, er musste sie beenden, um bezahlt zu werden. Es gibt unendlich viele Notiz- und Skizzenbücher von ihm. Hier erfindet er einen Hubschrauber, dort einen Fallschirm, dann dies, dann das. Auf dem Sterbebett sagte er in etwa: „Ich habe Gott und die Menschheit beleidigt, denn meine Arbeit erreichte nicht die Qualität, die sie hätte haben sollen.“ Leonardo ist ein Musterbeispiel für die Vorliebe für 3:00 Uhr. Er wird oft als Ideal des „Renaissancemenschen“ bezeichnet. Seine Energie floss gleichzeitig in viele verschiedene Richtungen. Der Geist eines Genies kann unendlich viele Ideen haben und endlos Dinge anfangen. Steve Jobs war genauso, er liebte es, Dinge anzustoßen, überließ es jedoch anderen, sie zu realisieren. Einige der kreativsten Menschen der Geschichte hatten eine starke Neigung zu 3:00 Uhr, verurteilten 9:00 Uhr und strebten danach, Projekte zu realisieren, sträubten sich jedoch gleichzeitig, zu 6:00 Uhr überzugehen.
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