Aus der Praxis
Mit diesem Fall wurde ich selbst konfrontiert. Ein erst 14 Jahre altes Mädchen aus der Steiermark war das Opfer. Bis über beide Ohren in einen Schulkollegen verknallt und blind vor jugendlicher Verliebtheit, ließ sie sich von ihm überreden, Gegenstände in ihre Vagina einzuführen – und sich dabei auch noch zu filmen. Dann schickte sie dem Angebeteten das Video. Mit fatalen Folgen.
Der Schulkollege sandte das Video via WhatsApp seinem besten Freund. Der wiederum an eine Klassenkollegin der 14-Jährigen. Blitzartig war das Video im gesamten Klassenverband bekannt, letzten Endes sogar in der gesamten Schule. Der einzige, jedoch schwache Trost für das am Boden zerstörte Mädchen: Es war auf dem Video nicht erkennbar. Doch die Gerüchte, um wen es sich handelte, hielten sich natürlich hartnäckig.
Die verzweifelte Mutter der Schülerin rief mich an. »Was soll ich tun?«
»Anzeigen. Und zwar sofort.«
So geschah es dann auch. Zusätzlich startete die Direktion eine Aufklärungskampagne für alle Schülerinnen und Schüler. Immerhin handelte es sich vor dem Gesetz genau darum: Kinderpornografie.
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Tipp In so einem Fall ist schnellstmöglich so vorzugehen: Alle Daten per Bildschirmfoto – genannt Screenshot – sichern und so schnell wie möglich die Löschung betreiben. Natürlich gibt es bei nahezu allen Portalen die (wenigstens theoretische) Möglichkeit, Fotos und andere verfängliche Dateien über den Betreiber des Portals löschen zu lassen. Doch wer das beispielsweise schon einmal bei Facebook probiert hat, weiß, wie lange das dauern kann. Nervenzerreibende Stunden, oft aber auch Tage vergehen. Für die Betroffenen ganze Ewigkeiten. Doch es gibt auch eine raschere, bessere Lösung: Nach dem Speichern (Screenshot) und Ausdrucken der Daten sollten Sie so vorgehen: Kopieren Sie die URL-Adresse, zum Beispiel den Weblink eines Fake-Profils. Öffnen Sie nun (das gilt für Österreich) diesen Link: www.ombudsmann.atJetzt senden Sie über das Anfragefeld den Link an den Internet-Ombudsmann. Ersuchen Sie ihn, sofort beim Löschen des Fake-Profils oder der Fotos, um die es geht, zu helfen. Das Team um den Internet-Ombudsmann Bernhard Jungwirth (in Deutschland und anderen Ländern gibt es ähnliche Einrichtungen, oft auch Schlichtungsstelle genannt). Jungwirth und sein Team sind mit allen gängigen Portalbetreibern gut vernetzt. So kann die Löschung gleichsam auf kurzem Wege vorangetrieben werden. Außerdem sollten sie unbedingt die Polizei einschalten. Nur so kommen auch rasch Ermittlungen in Gang. Nur so können Täter ausgeforscht, weitere ähnliche Straftaten verhindert und Datenträger beschlagnahmt werden. |
Wie sensibilisiere ich mein Kind?
Klar, schon das Anfertigen von Nacktbildern ist höchst problematisch, und das Verschicken übers Netz ein No-Go. Dennoch reizt es Jugendliche, genau solche Bilder zu machen, immer wieder enorm.
Was tun? Wie vorbeugen?
Aus meiner Erfahrung weiß ich:
Es macht immer Sinn, Jugendliche mit Sexting zu konfrontieren.
Sei es in Gesprächen, sei es auch in konkreten Übungen. Wenn sie schon glauben, unbedingt Nacktfotos von sich machen zu müssen, so sollten sie unbedingt genau darüber Bescheid wissen, wie diese Bilder bearbeitet werden können. Und zwar so, dass sie keinesfalls zu erkennen sind.
Generell gilt natürlich: Nacktaufnahmen sollten sofort wieder gelöscht werden, nachdem sie zum Beispiel dem Freund, der Freundin gezeigt wurden. Prinzipiell fallen so gut wie alle Nacktbilder Minderjähriger unter den sogenannten Kinderpornografie-Paragrafen 207 a StGB 6. Ausnahmen gibt es da nur ganz wenige. Und:
Niemals Nacktbilder von sich verschicken! Egal, wie groß die Liebe sein mag!
Snapchat – inzwischen auch vielen Erwachsenen bekannt – ist bei Jugendlichen eine besonders beliebte Applikation, um Nacktbilder zu versenden. Das System bei Snapchat gibt bekanntlich vor, dass Aufnahmen vom Empfänger nur für einige Sekunden (in der Regel zehn) angesehen werden können (+ 1 sofortige Wiederholung).
Doch was, wenn der Empfänger einen Screenshot davon macht?
Zwar bekommt der Absender darüber eine Information, doch das ändert nichts daran, dass das Bild unterwegs und anderswo gespeichert ist. Ob dieses Bild nun vom Empfänger wieder gelöscht wird oder nicht, ist außerhalb des eigenen Einflussbereichs. Außerdem müssen die Jugendlichen sich darüber im Klaren werden, dass Snapchat-Bilder (auch ohne Screenshot) niemals gänzlich verschwunden, sondern bloß fürs Auge der 0815-User versteckt sind. Findige Hacker hingegen können sich durchaus Zugriff verschaffen 7.
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Tipp Sprechen Sie das Thema Ihren Kindern gegenüber an. Reden Sie darüber, welche Bilder unpassend und welche passend sind. Snapchat beispielsweise ist ideal, um lustige Bilder mit verzerrten Gesichtern zu machen und auch zu verschicken. Machen Sie mit Ihren Kindern auch solche Fotos, drucken Sie sie aus – um dann, auf Basis dieser Fotos, mit ihnen darüber zu diskutieren. Nehmen Sie solche Fragen als Grundlage des Gesprächs: |
Was wäre, wenn ein Freund oder eine Freundin das Foto an andere WhatsApp-Gruppen weiterschickt? Würdest du das wollen?
Könnte das Folgen haben, wenn jemand, mit dem du dich nicht so gut verstehst, das Bild auch bekommt und dann blöde Kommentare loslässt? Oder dein Bild verändert und weiterschickt?
Würdest du dein witziges Foto plötzlich auf einer riesigen Plakatwand beim Bahnhof sehen wollen, ohne dass dich jemand um deine Erlaubnis gefragt hätte? Wie würde es dir dabei gehen?
Wäre dieses Foto als Profilbild bei Facebook, Whats-App und Co. geeignet? Nein? Warum nicht?
Die Präsentation der eigenen Person im Netz ist etwas, worüber wir gar nicht oft genug mit den Jugendlichen sprechen können. Immerhin – das ist ja mittlerweile nichts Neues – machen enorm viele Firmen sogenannte Backgroundchecks über künftige Mitarbeiter. In Österreich sind es 80 Prozent aller Betriebe, und in anderen Ländern ist dieser Wert ähnlich hoch.
Denn natürlich wollen Chefs von Bewerbern vorab wissen: »Wie präsentiert er sich in den Sozialen Medien? Was für ein Bild gibt er ab? Immerhin sollen sie später auch den Betrieb repräsentieren.« Längst gibt es mittlerweile auch eigene Websites 8, die für Firmen genau das anbieten:
Auf Mausklick alle im Netz verfügbaren Informationen über x-beliebige Personen.
Das folgende Beispiel ist zwar nicht unmittelbar in Verbindung mit Sexting zu sehen, doch es zeigt aus meinem eigenen, privaten Umfeld auf, wie sorglos viele (vor allem auch junge) Menschen mit ihrem Auftritt im Internet umgehen:
Aus der Praxis
Es geht hierbei um den Sohn einer guten Freundin unserer Familie. Er schickte mir über Facebook eine Freundschaftsanfrage. Natürlich bestätigte ich. Danach musterte ich sein Profilbild.
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