Rhea Krcmárová - Venus in echt

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Zu dick, um geliebt zu werden? Romy Morgen­stern verliert vor lauter Selbstzweifel den Mann ihrer Träume ausgerechnet an eine Frau, die noch dicker ist als sie. Als sie feststellt, dass «dick»einer der häufigsten Internet-Suchbegriffe in Sachen Sex ist und Plus-Size-Dating im Trend liegt, beschließt sie, die Welt der Liebe jenseits des Schlankheitskults zu erforschen. Die heitere, berührende und erotische Geschichte einer Frau, die sich nicht von Schönheitsnormen unterdrücken lässt und sich damit zur Heldin aller macht, die auch anders sind oder sich zumindest so fühlen.

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Alexas Stimme klang wie Süßstoff, als sie Christians Namen aussprach, Sonjas Namen intonierte sie wesentlich säuerlicher, und mich ignorierte sie. »Gratuliere euch beiden zur Verlobung«, sagte sie und nahm Sonjas Hand. Ich sah, wie ihr Blick abschätzig über die Rundung von Sonjas Bauch glitt. »Na, wann ist es denn so weit?«

Ich zuckte zusammen. Wieso mussten dünne Menschen dicke Frauen immer fragen, ob wir schwanger sind? Christian aber streichelte den Hügel unter dem Pinup-Kleid, und Sonja presste ihre Hand über seine. »Danke, Alexa«, sagte Sonja. »Das Baby kommt Ende des Sommers.«

KAPITEL 2

»Wenn du nicht bald einen Schluck trinkst, nehme ich das persönlich.«

Ich seufzte, griff nach der Erdbeer-Colada, die ich stumm anstarrte, seit ich mich vor einer dreiviertel Stunde in Cems kleine Bar Chez Cem hinter dem Musikverein geschleppt hatte, und tat, wie mir befohlen. Dann sah ich Cem an, der über mir lehnte wie eine metrosexuelle Version des Gangsters Niko Belic aus Grand Theft Auto. »Zufrieden?«, fragte ich.

Cem, talentierter Barkeeper, guter Freund und mein Nachbar, schüttelte den Kopf. »Du siehst immer noch erbärmlich aus.«

»Vielen Dank, Cem.« Ich schob den Drink von mir, und blickte in den großen Spiegel über der Theke, der besser in eine südfranzösische Konditorei gepasst hätte als hier in die Wiener Innenstadt. Cem hatte recht, ich sah derart elend aus, dass ich mich als Covermodel für ein Zombiespiel bewerben konnte. Meine Locken waren bei meiner Flucht durch den Schneeregen aufgeweicht und hingen welk um mein Gesicht. Die verronnene Wimperntusche hatte ich nur provisorisch weggewischt, und mein Gesicht war noch blasser als sonst, von den roten Stellen einmal abgesehen, die leider nicht dekorativ auf meinen Wangen saßen, sondern ziemlich uncharmant um Augen und Nase. Zumindest bekam fast niemand mit, wie erbarmungswürdig ich aussah. An diesem Spätnachmittag Ende März war Cems Bar ziemlich leer. Die Tagesgäste zogen ihr Daheim dem Schneeregen vor, und die Menschen aus den umliegenden Büros würden wohl erst in ein oder zwei Stunden einzutrudeln beginnen.

Zumindest hatte Olga sich nicht davon abhalten lassen, sich durch den Matsch zu mir zu kämpfen. Ich sah, wie der Kälteschutzvorhang sich teilte, und ihr blonder Pagenkopf zwischen den Samthälften auftauchte. Sie winkte, als sie mich entdeckte, und kam auf die Theke zu. Zur Begrüßung schlang sie ihre zarten Arme um mich und drückte ihren Zwergenprinzessinnenkörper an meinen. »Ich bin so schnell wie möglich gekommen«, sagte sie. »Romy, das tut mir so leid.«

Ich wusste, wie sehr sie meine Leidenschaft für Christian immer genervt hatte und fand ihre Lüge rührend. Olga kletterte auf einen der weiß lackierten, im Shabby Chic gehaltenen Hocker und schob mir meinen Cocktail zu. »Trink, Romy«, sagte auch sie. »Du bist unter Schock und brauchst Mana.«

Cem runzelte seine künstlich gebräunte Stirn. Seit dem Tag, an dem er und sein Klaus in die Wohnung neben meiner gezogen waren, hatten Olga und ich versucht, ihm die Augen für die magische Welt der Computerspiele zu öffnen. Bisher waren wir kläglich gescheitert.

»Mana ist Magier-Energie«, sagte Olga. »Wenn du dir endlich einmal ein paar Computerspiele zulegen würdest, wüsstest du das.«

Cem mixte einen Caipirinha für Olga. »Wenn ich mir euch Mädels so ansehe, finde ich, dass es genug Geeks auf dieser Welt gibt«, sagte er.

Ich ignorierte Cems und Olgas übliche kleine Neckereien. »Ich hätte alle meine Konsolen darauf verwettet, dass ihm nur Frauen mit Modeldimensionen gefallen«, sagte ich. »Und dann schwängert er ausgerechnet die Showgirl-Version von Miss Piggy. Ist euch klar, was das bedeutet?«

Olga griff über den Tresen nach einer Schale mit Erdnüssen. Cem klopfte ihr auf die Finger.

»Das heißt, dass ich es selbst verpatzt habe«, sagte ich und drückte meine Handflächen gegen mein Gesicht. »Wie um Himmels willen ist es mir gelungen, zu übersehen, dass ihm dicke Frauen gefallen?«

Cem warf eine Rumflasche in die Luft und fing sie nach zwei Loopings wieder auf. »Wenn er mit dir geflirtet hätte, hättest du das ja wohl bemerkt, oder?«, sagte er.

»Offensichtlich nicht. In Sachen Liebe hab ich kein Talent.« Ich schüttelte den Kopf, um den Nebel loszuwerden, der sich seit der Begegnung mit der dicken Sonja um mein Hirn gelegt hatte.

»Süße, ich weiß, dass es wehtut, aber diese Episode ist kein Lebensdrama«, sagte Cem.

»Und ob sie das ist. Ich bin 33 und hatte erst zwei Liebhaber. Cem, ich hatte meinen ersten Sex mit 27, in einem Alter, in dem meine Mutter schon ihre Familienplanung abgeschlossen hatte. In den vergangenen vier Jahren habe ich einen Kerl aus der Entfernung angeschmachtet, den ich die ganze Zeit hätte haben können, was ich aber nicht gemerkt habe, weil ich dafür schlicht und ergreifend zu blöd war, oder zu feige, und jetzt ist er weg.«

Cem mixte für einen sehr blonden Mann am anderen Ende der Theke etwas mit sehr viel Scotch. Olga beugte sich zu mir und strich mir in einer für sie untypisch sanften Geste eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Du bist eben eine Träumerin«, sagte sie.

Ich wich ihrem Blick aus. Träumerin, dachte ich, wie oft ich das schon gehört hatte, von Lehrern, Eltern, Freunden, sogar von meiner jüngeren Schwester. Sie hatten alle recht. Meine ganze Jugend hindurch hatte ich mich in Fantasiewelten voller Elfen und Trolle geflüchtet. Hatte Heftchenromane verschlungen, in denen edelmütige Piraten, grüblerische Ritter und Musketiere mit Gewissenskonflikten um die Liebe ihres Lebens kämpften. Bei seitenlangen Liebesszenen hatte ich heimlich meine Sinnlichkeit entdeckt und mich auf diese Art anscheinend für alle Zeiten für die Männer aus der Wirklichkeit verdorben.

»Was hat mir meine dumme Träumerei eingebracht außer verlorene Jahre, in denen ich alleine im Bett gelegen und von der großen Liebe fantasiert habe?«, fragte ich.

Cem wischte den Tresen ab. »Wir haben alle solche Phasen«, sagte er.

Das sagte ein glücklich verheirateter Mann, der den Partner seiner Träume auf einem Baumarktparkplatz gefunden hat.

»Bei mir ist das keine Phase«, sagte ich. »Vor vier Jahren war ich so unterkuschelt, dass ich mir die Katzen zugelegt habe. Ich war schon mit 29 eine Crazy Cat Lady.«

Olga hielt mir meine Erdbeer-Colada hin. »Dann lass uns darauf anstoßen, dass du endlich aufwachst«, sagte sie.

»Wobei ich nicht verstehe, warum es bei dir mit Männern nie klappt«, sagte Cem. »Du hast dein Leben doch sonst so gut im Griff. Sieh dich an. Traumjob, Traumfreunde und eine nette Wohnung hast du auch.«

»Ich bin fett, falls es dir noch nicht aufgefallen ist.«

»Du bist auch gesund und fit, insofern ist dein Gewicht höchstens ein kosmetisches Problem. Nicht einmal das, weil es ja offensichtlich Männer gibt, die auf fette Frauen stehen«, sagte Cem.

»Anscheinend gibt es nur einen, und für den war ich zu dumm.«

»Nicht nur. Siehst du den Blonden am Tresen, den mit dem Polohemd? Der sieht dich schon die ganze Zeit an.«

Ich schüttelte den Kopf. »Meinst du den Fitnesstrainertyp da? Der sieht mich doch nur an, weil er sich fragt, wie eine Frau so fett sein kann, und ob er mich als Klientin gewinnen kann.«

Olga stöhnte. »Komm Romy, reiß dich zusammen und hör auf, dich zu bemitleiden. Christian war nichts für dich, und du hast zumindest ein paar XP gesammelt.« Sie wandte sich an Cem. »Experience Points, also Erfahrungspunkte«, erklärte sie ihm. »Die bekommst du beim Spielen, zum Beispiel wenn du einen Gegner besiegst oder besondere Aufgaben erfüllst. Hast du genügend Punkte gesammelt, kommst du auf den nächsthöheren Level und lernst neue Zaubersprüche und Kampftechniken.«

»Ich kann froh sein, dass die Liebe kein Computerspiel ist«, sagte ich. »Venus wäre gerade mal auf Level zwei. Sie spielt wie ein Noob.«

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