2.2 Zum Begriff der Exportkontrolle
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Der Begriff der Exportkontrolle wird in der juristischen Literatur (und bisweilen in den Medien) zwar häufig verwendet, aber nie wirklich definiert. Wikipedia liefert diesbzgl. jedoch bereits einen brauchbaren Definitionsansatz. Unter «Exportkontrolle» wird dort u.a. ausgeführt:
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«Die Exportkontrolle ist ein international gehandhabtes Rechtsinstrument, das sich auf den sicherheitspolitisch relevanten grenzüberschreitenden Austausch von Waren und Dienstleistungen konzentriert. Durch die Exportkontrolle können dem Außenwirtschaftsverkehr eines Landes oder eines Wirtschaftsraumes rechtliche Beschränkungen auferlegt werden, um u.a. die Berücksichtigung wesentlicher Sicherheitsinteressen des jeweiligen Landes/Wirtschaftsraumes zu gewährleisten oder eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker zu verhüten.»[38]
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In der Schweiz ist das Staatssekretariat für Wirtschaft und Arbeit (SECO) die mit der Exportkontrolle beauftragte Behörde. Sie beschreibt den Begriff auf ihrer Webseite wie folgt:[39]
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«Die Exporte sind für die Schweizer Wirtschaft von grösster Bedeutung. Die Schweiz setzt sich daher traditionell für offene Märkte und den Freihandel ein. Allerdings gibt es bestimmte Güterkategorien, bei denen eine Kontrolle der Aus-, Ein- oder Durchfuhr angezeigt ist. Es handelt sich dabei um Güter, die für die Herstellung oder Verbreitung von Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden können, sowie um Rüstungsgüter. Da eine solche Kontrolle aber nur dann wirkungsvoll sein kann, wenn sie auf internationaler Ebene koordiniert wird, haben verschiedene Gruppen von Staaten verschiedene Exportkontrollregime ins Leben gerufen (vgl. unter Exportkontrollpolitik).»[40]
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Vereinfacht lässt sich sagen: Die Exportkontrolle stellt einen Teil der Exportregelungen dar. Die Exportkontrolle i.e.S. enthält Vorschriften, die aus aussen- und sicherheitspolitischen Überlegungen den Export von Gütern[41] einschränken.[42], [43], [44]
2.3 Zur terminologischen Unterscheidung Exportkontrollrecht/Güterkontrollrecht
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Angelehnt an die eben gegebene Definition ist also unter Exportkontrolle die Vorschriften zu verstehen, die aus aussen- und sicherheitspolitischen Überlegungen den Export von Gütern einschränken. Damit sind sämtliche Güter gemeint. Die vorliegende Arbeit befasst sich jedoch in erster Linie mit der Exportkontrolle von Dual-Use Gütern. Die exportkontrollrechtlichen Bestimmungen bzgl. des Exports von Dual-Use Gütern sind, wie noch eingehend dargelegt wird, im Bundesgesetz über die Kontrolle zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollgesetz, GKG) vom 13. Dezember 1996[45], in der Verordnung über die Aus-, Ein- und Durchfuhr zivil und militärisch verwendbarer Güter sowie besonderer militärischer Güter (Güterkontrollverordnung, GKV) vom 25. Juni 1997[46] sowie in den Anhängen, insb. im Anhang II, zu dieser Verordnung festgelegt.
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Im Folgenden gilt nun in Bezug auf die Terminologie für das vorliegende Werk: Wenn es um andere Güter als Dual-Use Güter geht, resp. unklar ist, wo die genannten Güter einzuordnen und welches die massgeblichen Gesetzesbestimmungen sind, so wird der Terminus Exportkontrollrecht resp. eine Abwandlung davon benutzt. Als gesetzliche Grundlage können sämtliche Regulatorien der Exportkontrollgesetzgebung in Frage kommen. Wann immer es hingegen um Dual-Use Güter geht, wird der Begriff Güterkontrollrecht resp. eine Abwandlung davon benutzt.
2.4 Sinn und Zweck von Exportkontrollregelungen
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Für die Exportkontrolle werden im Allgemeinen drei grundsätzliche Zielrichtungen angegeben:[47]
1.Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen (die sog. Non-Proliferation);
2.Verhinderung der unkontrollierten Verbreitung konventioneller Rüstungsgüter; und
3.seit dem 11. September 2001 Terrorismusprävention (wirtschaftliche Isolierung).[48]
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Diese Zielsetzungen mögen verhältnismässig abstrakt klingen. Die Nationen haben i.a.R. auch unmittelbare und eigene Interessen, Exportkontrollregelungen zu treffen.[49] So führte der Bundesrat in seiner Botschaft an die Räte zum Entwurf des GKG u.a. Folgendes aus:
«Die Beschaffung von Massenvernichtungswaffen und Trägersystemen für solche Waffen stellt unbestrittenermassen eine grosse Gefahr für die internationale Sicherheit dar. Auch die Sicherheit der Schweiz ist von solchen Waffen sowohl direkt als auch indirekt betroffen, da damit zu rechnen ist, dass Trägersysteme, die in kritischen Staaten in Entwicklung sind, in absehbarer Zukunft über derartige Reichweiten verfügen werden, dass mit ihnen auch die Schweiz bedroht werden kann.»[50]
2.4.2 Nichtdeklarierte Ziele
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Exportkontrollregelungen haben jedoch heute noch einen weiteren Sinn, der zwar nicht offen kommuniziert, jedoch sehr oft zwischen den Zeilen ersichtlich wird: Die Exportkontrolle wird insb. von Regierungen sehr gerne als ethisches Feigenblatt – und damit als modernes Kommunikationsinstrument – eingesetzt. Insbesondere westeuropäische Staaten, und die Schweiz ist hier bedauerlicherweise keine Ausnahme, betonen gerne, wie sehr sie sich nicht nur der Non-Proliferation, sondern auch der Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet fühlen. Das hindert diese Staaten aber nicht daran, autokratisch regierte Länder, welche zwar eine grundsätzlich pro-westliche Haltung an den Tag legen, gleichzeitig aber die Menschenrechte ihrer Bürger und insb. Fremder im eigenen Lande fortwährend und systematisch missachten, nicht nur mit Dual-Use und besonderen militärischen Gütern zu beliefern, sondern bisweilen auch mit Kriegsmaterial.
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Es fällt schwer, solche Widersprüche mit der propagierten Werthaltung dieser Staaten in Einklang zu bringen. Solche Widersprüche werfen die Frage auf, ob die Exportkontrolle dieser Staaten nicht vielmehr dazu dient, sich selbst und allenfalls befreundete Nationen vor der Bedrohung durch nukleare und konventionelle Waffen zu schützen. Eine solche Haltung mag egoistisch sein, verwerflich ist sie dadurch jedoch nicht. Verwerflich wird sie durch die Unehrlichkeit; BÖTTCHER spricht gar von Heuchelei .[51] Eine solche Haltung erodiert Glaubwürdigkeit und Autorität einer Regierung – und macht es den Rechtsunterworfenen unnötig schwer, sich an grundsätzlich sinnvolle Regelungen zu halten, weil sie immer damit rechnen müssen, dass andere als die deklarierten Zielsetzungen damit verfolgt werden.
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Exportkontrollregelungen im Bereich Dual-Use Güter betreffen sodann viele, wenn nicht gar einen Grossteil der heutigen Güter für industrielle Produktion. Staaten, denen der Zugang zu diesen industriellen Investitionsgütern verwehrt bleibt, haben faktisch keine Chance, selbst jemals eine industrielle Fertigung aufzubauen und sich so zu einer Industrienation zu entwickeln.
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Man muss daher die Frage zumindest aufwerfen, ob die scharfen Exportkontrollregelungen im Bereich der Industriegüter neben den deklarierten Zielen nicht auch das Ziel verfolgen, zu verhindern, dass sich die von den Kontrollen erfassten Länder wirtschaftlich zu einer Konkurrenz für die eigene Industrie aufbauen können, also eine «Ersatzkolonialisierung» darstellen. Mit dieser in den Raum gestellten Frage soll keineswegs in Abrede gestellt werden, dass eine moderne industrielle Fertigung auch zur Fertigung von Waffen, Waffenbestandteilen und Munition verwendet werden kann. Auf der anderen Seite muss aber auch gesehen werden, dass man in der westlichen Welt überwiegend die Meinung vertritt, der beste Garant des Friedens sei materieller Wohlstand für die breite Bevölkerung. Indem bestimmte Länder von diesem materiellen Wohlstand für die breite Bevölkerung durch Verhinderung der Industrialisierung abgeschnitten werden, werden die Regionen, in welchen sich diese Länder befinden, auch dauerhaft von Befriedung und Stabilität abgeschnitten. Auch dies erscheint als Widerspruch zur nach aussen deklarierten Werthaltung vieler Staaten.
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