Arne Karsten ist ein deutscher Historiker und Kunsthistoriker und lehrt Geschichte der Frühen Neuzeit an der Bergischen Universität Wuppertal.
Volker Reinhardt lehrt allgemeine und Schweizer Geschichte an der Universität Fribourg/Schweiz. Er ist einer der renommiertesten Kenner der neuzeitlichen Geschichte Italiens und Roms.
wbg Paperback macht die wichtigsten Titel großer Autor:innen aus dem Programm der wbg in einer jungen und wertigen Edition für alle neugierigen Leser:innen zugänglich. Als wbg Paperback auch erhältlich:
Klaus-Jürgen Bremm, 1866. Bismarcks deutscher Krieg
Leoni Hellmayr, Der Mann, der Troja erfand. Das abenteuerliche Leben des Heinrich Schliemann
Douglas A. Howard, Das osmanische Reich. Vom Mittelalter bis zum 1. Weltkrieg
Harald Lesch, Ursula Forstner, Wie Bildung gelingt. Ein Gespräch
Philip Matyszak, Legionär in der römischen Armee. Der ultimative Karriereführer
Alle Titel und weitere Informationen zu wbg Paperback finden Sie unter www.wbg-wissenverbindet.de/paperback.
Die deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
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wbg Paperback ist ein Imprint der wbg.
© der 3., aktualisierten Auflage 2021 (1. Aufl. 2004) by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt)
Neuausgabe der 2004 bei wbg Theiss unter dem Titel „Kardinäle, Künstler, Kurtisanen. Wahre Geschichten aus dem päpstlichen Rom“ erschienenen Ausgabe.
Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht.
Einbandabbildung: Allegorie des Herkules, Dosso Dossi, Florenz, Galleria degli Uffizi
© akg-images/Rabatti & Domingie
Einbandgestaltung: Andreas Heilmann, Hamburg
Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de
ISBN 978-3-534-27352-2
Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:
eBook (PDF): 978-3-534-27390-4
eBook (epub): 978-3-534-27391-1
Buch lesen VOLKER REINHARDT
Innentitel
Inhaltsverzeichnis
Informationen zum Buch
Impressum
VOLKER REINHARDT
Schattenbeschwörung und Traumhilfe
Die große Politik
VOLKER REINHARDT
Schreckliche Diplomaten, Politik der Illusionen. Auf dem Weg in den Sacco di Roma
ARNE KARSTEN
Der Botschafter und der Mörder
VOLKER REINHARDT
Der Sanierer
Familienbande und Familienkonflikte
VOLKER REINHARDT
Ein Mord, den jeder begangen haben könnte
ARNE KARSTEN
Verkehrsprobleme, frühneuzeitlich
ARNE KARSTEN
Maria Veralli
Karrieren und Abstürze
VOLKER REINHARDT
Fünf blutrote Hüte
ARNE KARSTEN
Der Untergang des Hauses Cenci, oder: Vom Geiz als Wurzel allen Übels
ARNE KARSTEN
Die Geschichten der Verlierer
Künstlerleben
VOLKER REINHARDT
Tod und Verschleppung
VOLKER REINHARDT
Abgeschlagene Köpfe und ein ausgestreckter Arm
ARNE KARSTEN
Der Großtyrann und das Gerücht
Kultur und Konflikte
VOLKER REINHARDT
Der Tage-Dieb
VOLKER REINHARDT
Fast eine Sternstunde. Ein Gespräch über die Welt und seine Folgen
ARNE KARSTEN
Bilderkrieg im Vatikan, oder: Von den Gefahren der Gelehrsamkeit
Die Welt des kleinen Mannes
ARNE KARSTEN
Chaostage im barocken Rom
ARNE KARSTEN
Delikatessen, oder: Die berühmten Würste aus Norcia
VOLKER REINHARDT
Brot, Blut und Stein
Schluss
VOLKER REINHARDT
Bilderkämpfe, Bilderstürme. Von der Unzerbrechlichkeit der Zeit am Tiber
Anmerkungen
Karte Italien
Liste der Päpste des 15. bis 18.Jahrhunderts
Kommentierte Auswahlbibliographie
VOLKER REINHARDT
Schattenbeschwörung und Traumhilfe
Wer heute einen Romspaziergang unternimmt, wandelt über eine verwaiste Bühne. Die grandiosen Requisiten stehen noch: himmelumspannende Kuppeln, hoch ragende Paläste, zerfallende Kirchen in Tempelruinen, Brunnen mit Schildkröten, schmalbrüstige Mietshäuser mit hohläugigen Antikenköpfen im Gemäuer. Die Menschen, die in ihnen lebten, aber sind lange tot. Ihre Knochen bleichen unter den steinernen Fußböden der Kirchen, durcheinander gewürfelt und übereinander geschichtet die kleinen Leute, in der modrigen Abgeschiedenheit ihrer marmornen und bronzenen Grüfte die großen Herren, oben und unten im Tod mehr noch als im Leben getrennt. Die Verkaufsschreie der Fischhändler bei S. Angelo in Pescaria, die Mitleid erregenden Seufzer der Bettler in der Via Belsiana, das gedämpfte Gemurmel der beratenden Kardinäle im Consulta-Palast, die Zurufe der Maurer auf dem Schwindel erregenden Gerüst von St. Peter, die Gebete der Straßenräuber auf dem Schafott, die mahnend erhobene Stimme der Bußprediger in Aracoeli – sie alle sind verklungen. Das Rumpeln der Räder goldgeschmückter Karossen, das Rauschen des Korns durch seine metallenen Messgefäße, das Pfeifen der Pestärzte in der Not der Epidemie, das Trippeln tanzender Füße auf marmornen Fußböden – verhallt. Selbst das Rauschen des Tibers in Zeiten des Frühlingsregens ist durch die abschirmenden Steinböschungen fast unhörbar geworden. Seidenschuhe, Getreidezylinder, Kutschen, Pestinstrumente: das alles gibt es noch. Im Museum. Und der Fluss ist nur noch ein Paradies der Ratten.
Die toten Römer, die toten Gegenstände, den toten Fluss belebt allein die Phantasie. Mit ihr hat es in historischen Städten ein zweifelhaftes Bewenden. Wer sich aus seiner eigenen Zeit hinausträumen will in ferne und fremde Räume, landet im Retortenland der Jedi-Ritter. Dort scheint alles anders und ist doch wie gehabt: wir selbst, etwas auffallend gewandet, mit intergalaktischen Waffen, zusammengesperrt mit lebenden Robotern und Mischwesen, die aus Menschen und Maschinen gepaart sind, dazu ein paar Sternenkämpfer aus dem mittelalterlichen Disneyland. Raum und Zeit sind in Sciencefictionfilmen überwindbar. Und gerade deshalb landet man, ob man die Zeitachse nun vorwärts oder rückwärts beschreitet, unweigerlich wie ein Wanderer im nächtlichen Schneesturm am immer gleichen Punkt: in der Ödnis einer Gegenwart mit Laserkanonenoutfit, aus der man sich doch gerade heraus bewegen möchte: in einer unfreiwilligen Parodie des Selbst. Wer nur seine eigene Zeit kennt, entkommt ihr nicht. Erst recht nicht in der Einbildung, am allerwenigsten in den Träumen.
Die in diesem Band vereinten neunzehn Geschichten wollen dem abhelfen, wollen Imaginationshilfe, Traumfluchtunterstützung leisten, und zwar durch äußerste historische Präzision. Treffpunkt ist eine Welt, die von uns weiter entfernt ist als die Milchstraße und zugleich ganz nahe scheint, rätselhaft vermischt aus Vertrautheit und Fremdheit. Akteure sind Menschen, die vor vierhundert Jahren in Rom lebten, Menschen wie wir – und doch zugleich ungreifbar, unfassbar anders. Es sind Menschen, die – mit einigen gefährdeten Ausnahmen – daran glauben, dass sich die Sonne um die Erde dreht, dass der Teufel unter ihnen umgeht, dass der Papst die Schlüssel zu Himmel und Hölle besitzt. Aber es sind auch Menschen, die an den großen Coup, an den kolossalen Glückstreffer, und zwar schon morgen, glauben: dann, wenn ein neuer Papst gewählt wird, auf den sie gewettet haben, der aus derselben Stadt wie ihre Vorfahren stammt und ihnen endlich Reichtum und Reputation verschaffen wird.
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