In den frühen Achtzigerjahren schien zunächst alles auf einen Durchbruch zu deuten – die erstmals Horror und Science-Fiction verbindenden Sandkings und Nightflyers wurden mit Hugo- und Nebula-Awards ausgezeichnet – und Martins Verlag zahlte einen sechsstelligen Vorschuss auf sein Buch The Armageddon Rag , das als Bestseller einschlagen sollte: »Ich freute mich auf meine Karriere als berühmter Bestsellerautor. Das einzige Problem war, dass sich das Buch nicht bestens verkaufen ließ. Tatsächlich verkaufte es sich gar nicht. Plötzlich war meine Karriere als Romanautor vorbei.« Finanziell angeschlagen, wechselte er deshalb 1986 als Drehbuchschreiber (u. a. The Twilight Zone) , Produzent (CBS-Revival Die Schöne und das Biest ) und Serienentwickler in die Filmbranche (1987–93 gab er aber auch einen Großteil der von ihm und anderen Autoren verfassten Wild Cards -Bücher heraus). Hollywood geriet zu einer frustrierenden Erfahrung. Aus Budgetgründen musste er die Storys reduzieren und sparsamer gestalten, die Serien wurden gelobt, aber nicht realisiert: »Ich beschloss, zurück zu meinen Wurzeln zu gehen und Bücher zu schreiben, die nur durch die Größe meiner Phantasie begrenzt würden.«
1991 – Martin hatte gerade mit einem Science-Fiction-Roman begonnen – manifestierte sich eine Szene so eindringlich in seiner Vorstellung, dass er sie niederschreiben musste: Ein Junge sieht einer Enthauptung zu und findet dann einen Wurf Schattenwölfe im Schnee. Das erste Kapitel von Game of Thrones entstand in drei Tagen. Der Rest ist Geschichte: 1996 erschien dieser erste Band des ursprünglich auf drei Bände angelegten Epos A Song of Ice and Fire . Vom bekannten Fantasy-Schriftsteller wurde Martin zum Weltautor, und die Serie Game of Thrones hat ihn »endgültig in die Stratosphäre geschossen« (Werner Fuchs).
2011 heiratete er nach 30 Jahren seine Freundin Parris McBride – als Hochzeitsgeschenk erhielten sie von den Produzenten die drei versteinerten Dracheneier, die schon Daenerys Targaryen zu ihrer Hochzeit bekam.
Das Spiel – Macht, Krieg und Utopie
Während der Titel des Romanzyklus die Betonung auf das Epische – A Song : im alten Verständnis von Dichtung, Epos, Saga – und dessen zentrale Komponenten Ice and Fire legt, nimmt der Serientitel Bezug auf das Spielerische, Kämpferische und Machtverliebte: GAME of Thrones . Im Zentrum des Geschehens stehen einige große Adelsfamilien, die entweder direkt um den Thron oder zumindest um Macht und Einfluss konkurrieren. Die ersten Züge sind gemacht, als König Robert Baratheon (Mark Addy) zu seinem alten Freund Eddard (»Ned«) Stark nach Winterfell reist, um ihn als seine neue Hand – Berater und Stellvertreter – an den Hof nach Königsmund zu berufen, da die vorherige Hand und beider Ziehvater, Jon Arryn (John Standing), gestorben ist. Hier sehen wir erst- und letztmals glückliche Bilder der Familie Stark, die außer aus Vater Ned noch aus Mutter Catelyn (»Cat«), den Söhnen Robb (Richard Madden), Bran (Isaac Hempstead-Wright) und Rickon (Art Parkinson), den Töchtern Sansa (Sophie Turner) und Arya sowie Neds – wie es eingangs scheint – unehelichem Sohn, dem »Bastard« Jon Schnee, besteht. Zudem lebt noch Theon Graufreud (Alfie Allen), Sohn von Balon Graufreud (Patrick Malahide), dem Herrscher über die Eiseninseln, als Mündel auf Winterfell.
Bei seinem Besuch wird schnell deutlich, dass Robert nur ungern König ist, viel lieber frönt er den Vergnügungen seiner Jugend: »saufen, jagen und huren«. Ein tiefer Schmerz nagt an ihm, liebt er doch immer noch Neds Schwester Lyanna (Aisling Franciosi), die siebzehn Jahre vor der Serienhandlung während eines von ihm angeführten Aufstandes gegen das Haus Targaryen starb. »Roberts Rebellion« war ein einschneidendes historisches Ereignis, das das Machtgefüge auf Westeros neu arrangiert hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt saßen die Targaryens auf dem Eisernen Thron, als letzter der unberechenbare, grausame und zunehmend dem Wahnsinn anheimfallende Aerys II. Targaryen (David Rintone), genannt der Irre König. Dann wurde Roberts Verlobte Lyanna Stark von Kronprinz Rhaegar Targaryen (Wilf Scolding) entführt (so der Wissensstand zu Serienbeginn; tatsächlich liebten sich beide und heirateten heimlich). Der darauffolgende, von Robert angeführte Aufstand führte zum Sturz des Hauses Targaryen: Aerys II. wurde von Jaime Lennister (Nikolaj Coster-Waldau), einem Mitglied seiner Königsgarde, getötet, der seither den wenig schmeichelhaften Beinamen »Königsmörder« trägt. Robert bestieg den Thron und ging aus politischen Gründen die Ehe mit der ebenso schönen wie intriganten Cersei (Lena Headey) aus dem mächtigen Hause Lennister ein.
Auch Cersei ist in dieser Ehe unglücklich, tief enttäuscht von Robert, der sie in der Hochzeitsnacht Lyanna nennt, unterhält sie eine inzestuöse Beziehung zu ihrem geliebten Zwillingsbruder Jaime. Beide sind goldblond, und das Ergebnis dieses Twincests sind drei goldblonde Kinder – Joffrey (Jack Gleeson), Myrcella (Aimee Richardson / Nell Tiger Free) und Tommen (Callum Wharry / Dean-Charles Chapman) –, während das einzige Kind von Robert und Cersei schwarzhaarig war und nach der Geburt starb: Ein deutlicheres Menetekel für diese Ehe konnte es kaum geben.
Neben diesem schönen Zwillingpaar gibt es noch den dritten und jüngsten Lennister-Spross: Tyrion, ein in den Augen seiner Mitmenschen missgestalteter Zwerg. Seinen ersten Auftritt in der Serie hat er während des königlichen Besuches in einem Bordell bei Winterfell, wo er sich mit Prostituierten vergnügt. Gastgeberin Catelyn lässt derweil viele Kerzen in sein Gemach schaffen, da es heißt, er lese die ganze Nacht. Maester Luwin (Donald Sumpter), der Gelehrte und Berater des Hauses Stark, hingegen meint, es heiße, Tyrion trinke die ganze Nacht. Beides trifft zu. In Tyrions eigenen Worten: »Das sind meine Eigenarten. Ich trinke und ich weiß Dinge.«
Bereits in der ersten Folge nimmt das Unheil seinen Lauf: Bran beobachtet durch ein Turmfenster Cersei und Jaime beim Sex, wird bemerkt und von Jaime hinabgestoßen. Er stürzt tief und fällt ins Koma. Catelyn erhält eine Nachricht ihrer Schwester Lysa (Kate Dickie), der Ehefrau des verstorbenen Jon Arryn, in der diese die Lennisters als Mörder ihres Mannes bezeichnet, auch der König sei in Gefahr. Nun wird die Familie Stark geteilt, Cat bleibt mit den Jungen in Winterfell, Ned zieht als Hand des Königs widerwillig mit den Töchtern nach Königsmund. Jon Schnee reist mit seinem Onkel Benjen Stark (Joseph Mawle / Matteo Elezi) zur Mauer, um der Nachtwache beizutreten. Begleitet werden sie von Tyrion, der sich das berühmte Bauwerk ansehen will.
In Königsmund beginnt Ned Nachforschungen zum Tod seines Vorgängers anzustellen – und bekommt heraus, dass Cerseis Kinder unehelich sind. Er konfrontiert sie mit seinem Wissen und bietet ihr den Gang ins Exil an, bevor er König Robert informieren will. Hier sieht man Ned als den Fair Player und aufrechten Menschen, der er nun einmal ist, und man ahnt, dass er es in der Schlangengrube Königsmund nicht leicht haben wird. Doch es kommt noch viel schlimmer: Robert wird auf einer Jagd schwer verletzt und ernennt Ned zum Protektor des Reiches – was Cersei, die ihren Sohn Joffrey als König etablieren will, natürlich nicht gefällt.
Auf den gelähmten Bran wird ein Attentat verübt und Cat bekommt den Dolch von Tyrion Lennister zugespielt, der ihn als Täter ausweisen soll – Petyr Baelish identifiziert ihn fälschlich als Besitz des »Gnoms« und verschärft damit die bereits schwelenden Konflikte. Als sie ihm auf dessen Rückreise von der Mauer begegnet, nimmt sie ihn gefangen. Um seinen Sohn zu befreien, zieht daraufhin Tywin Lennister (Charles Dance) in den Krieg gegen die Starks. Catelyn handelt mit Lord Walder Frey (David Bradley) aus, dass Robb den Fluss seines Herrschaftsgebietes an einer strategisch günstigen Stelle überqueren darf, im Gegenzug soll er später eine von Freys Töchtern heiraten. (Der Bruch dieses Versprechens wird zu einer der grausamsten Szenen – der »Red Wedding« – führen.) Tywin Lennister schlägt eine Armee der Starks, fällt dabei aber auf Robbs Finte rein, der zwischenzeitlich mit seinem Hauptheer Jaime Lennister besiegt und gefangen nimmt.
Читать дальше