GUIDO CANTZ
Bauchgefühl & Gottvertrauen
Mein Leben von 1971 bis
20:15 Uhr
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Für Kerstin und Paul
It’s Showtime!
1. Guido, du schaffst das schon!
2. Der erste Warnschuss
3. Was wäre ich ohne Otto?
4. Per Zufall im Karneval
5. Meine Ochsentour beginnt
6. Auftritte in den niederen Niederungen
7. Reisen bildet den Charakter
8. OMG – Oh my god!
9. Das deutsche Fernsehen erblondet
10. Willkommen in der Primetime
11. Wie geht versteckte Kamera?
12. Der Maulwurf – jemand möchte mir schaden
13. Der Mann an ihrer Seite
14. Wundersame weibliche Wesen
15. Wir sind dann mal zu dritt
16. Karneval, Comedy und meine wilde Seite
17. Die Vorteile der Solo-Langstrecke
18. Was erlauben Cantz?
19. Mein absoluter Kick
20. Wenn die Zukunft schon heute wäre, wüsste ich mehr
Hinter dem Vorhang
Danksagung
„Ich bin jetzt etwas über 50, seit 30 Jahren
im Scheinwerferlicht und habe 20 Jahre lang
einfach so drauf los gelebt. Macht zusammen 100. –
Was will ich eigentlich wirklich vom Leben?“
Guido Cantz – inspired by Otto
Nur nicht nervös werden. Das habe ich mir zwar fest vorgenommen, doch gegen meinen Puls bin ich machtlos. Er steigt. Ich stehe hinter der Bühne des Saaltheaters Geulen in Aachen-Eilendorf und schiebe den schweren roten Samtvorhang vorsichtig ein wenig zur Seite. Es ist der 18. Oktober 1991. Heute findet hier ein sogenannter Vorstellabend statt, an dem bekannte Karnevalsredner, Musikgruppen und junge Talente ihr Programm für die neue Karnevalssession vorstellen. Alle 1.000 Plätze sind besetzt. Das Publikum ist gespannt und neugierig. Und ich werde gleich zum ersten Mal in meinem Leben vor so vielen Menschen auftreten. It’s Showtime!
Zwischen den leeren Metallboxen und Instrumentenkästen des Showorchesters fühle ich mich wie vor zwölf Jahren an Heiligabend. Als Achtjähriger habe ich durch das Schlüsselloch unserer Wohnzimmertür geguckt, um einen Blick auf den Baum und die darunterliegenden Geschenke zu erhaschen. Im Jahr darauf war ich zwar immer noch neugierig, hatte aber beschlossen, inzwischen für ein solch kindisches Verhalten zu alt zu sein. Nicht zu gucken, nicht einen Blick auf die voll besetzten Ränge und die Bühne zu werfen – solche Bedenken sind mir gerade sehr fern. Egal, was die beiden anderen Kollegen, die mit mir hier im Backstagebereich auf ihren Auftritt warten, denken mögen. Schließlich bin ich der Einzige an diesem Abend, der noch nie auf einer Bühne dieser Größe gestanden hat.
Ich erspähe die Showtanzgruppe. Soweit ich das von hier aus beurteilen kann, sind ihre Bewegungen fehlerfrei und synchron. Einfach perfekt! Und gleich bin ich dran! Die Mischung aus Vorfreude und Angst vor der eigenen Courage macht mich hellwach, ich habe das Gefühl, jede einzelne Sekunde so intensiv zu erleben wie selten zuvor. Mein Puls steigt allmählich weiter. Ich habe keine Ahnung, wie lang ihre Choreografie noch dauert, aber eines ist sicher: Sobald die Tänzerinnen und Tänzer ihren Schlussapplaus genießen, schlägt für mich die Stunde der Wahrheit. Noch dazu auf derselben Bühne, auf der schon Stars wie Udo Jürgens und Peter Alexander ihre Aachener Fans begeistert haben.
Gleich wird der Conférencier Heinz Krein den „Mann für alle Fälle“ aus Köln-Porz ankündigen, so habe ich meine Bühnenfigur getauft, weil ich als Stimmimitator Prominente von Boris Becker, über Willy Brandt, bis Rudi Carrell im Repertoire habe. Dem Ausdruck „Conférencier“ begegne ich übrigens heute zum ersten Mal. Ich hätte die Funktion von Herrn Krein instinktiv Moderator genannt, aber auf Französisch klingt sie natürlich gleich viel weltläufiger, schon allein der Begriff trägt Smoking und Fliege.
Dass ich übrigens zwanzig Jahre später regelmäßig Honorarabrechnungen vom Südwestdeutschen Rundfunk erhalten würde, in denen meine Tätigkeit mit „Conférence“ angegeben ist, konnte ich zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht wissen. Und selbst heute noch wird die Moderation einer Sendung wie „Verstehen Sie Spaß?“ unter dieser Bezeichnung für die Verwaltung firmiert. Dass sie etwas antiquiert ist, wird auch daran offensichtlich, dass sie nicht mehr allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geläufig ist. Denn als sich die für mich zuständige Sachbearbeiterin im Urlaub befand, rief mich eines Tages ihre aufgeregte Vertreterin an und wollte wissen, für welche Art von Konferenz wir so viel Geld ausgegeben hätten. Ich verstand zunächst nicht, worauf sie hinauswollte, bis sie sich darüber wunderte, dass das Wort so merkwürdig geschrieben sei. Glücklicherweise konnte ich helfen: „Ach so, Sie meinen Conférence, nicht Konferenz.“ Mein Lächeln war wahrscheinlich durch meinen Hörer bis nach Baden-Baden zu vernehmen. Und es war eines der wenigen Male, in denen ich mich gegenüber der Abteilung „Honorare und Lizenzen“, im Sender-Volksmund „Holy Holi“ genannt, nicht klein und unwürdig fühlte.
Im Oktober 1991 ist das noch ferne Zukunftsmusik, ich stehe vor meinen ersten Schritten in Richtung Bühnenkarriere im Karneval. Wie werden meine Gags heute wohl ankommen? Vor wenigen Tagen hat die Hollywood-Diva Elizabeth Taylor zum achten Mal geheiratet und ich wünschte, ich hätte auf der Bühne nur annähernd so viel Routine wie Frau Taylor auf dem Standesamt. Kein geringerer als Heinz Otten, der erfolgreiche Karnevalsredner, wird nach mir vor das Publikum treten, auch er ist hinter dem Vorhang bereits startklar und spürt meine Anspannung. Er gibt mir noch einen Tipp mit auf den Weg: „Wenn du das Gefühl hast, dass dir der Mund zu trocken wird, dann beiß dir auf die Zungenspitze. Das kurbelt den Speichelfluss an.“
Ich sage noch kurz „Danke“, da höre ich auch schon meinen Namen über die Saal-Lautsprecher und das Orchester spielt „Mer losse de Dom in Kölle“ , meine Auftrittsmusik an diesem Abend. Ich betrete die Bühne: In der einen Hand trage ich ein altes Bordcase, heute besser als Handgepäck bekannt, welches mir mein Vater großzügig überlassen hat, in der anderen Hand einen Holz-Tennisschläger ohne Besaitung. Im Koffer sind einige Utensilien wie Perücke, Brille und Baseballcap, ein Zettel mit Stichworten und eine kleine Digitaluhr.
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