Seine Haut prickelte und sein Magen schwankte, so intensiv waren seine Gefühle und es dauerte bedeutend länger, zu sich selbst zurückzufinden, als gewöhnlich. Er räusperte sich wieder. Wow. Er hätte nicht gedacht, dass er sich in diesen Moment einfühlen könnte, schließlich war er nicht mehr der Typ, der sein Herz verschenkte. Er behielt lieber die Kontrolle über sein Sehnen und räumte den Ladys nicht die Macht ein, ihn bis in die Grundfeste zu erschüttern.
Denise war zurück und hängte sich an seinen Hals. Sie lachte überschwänglich. »Wer hätte gedacht, dass ich noch einmal eifersüchtig auf meinen Bruder sein würde?« Sie zwinkerte, bevor sie ihre Lippen mit seinen verschmolz. Marcus’ erster Impuls war, sie wieder von sich zu schieben. Er liebte Wayne! Allerdings fand die Realität gerade noch rechtzeitig zurück in seinen Fokus und er schlang stattdessen die Arme um die sexy Kollegin, um den Kuss zu erwidern. Eine zweite Einladung schlug er sicher nicht aus!
»Wer ist jetzt der geheimnisvolle Newcomer, von dem überall gesprochen wird?«, fragte Charlie Uma leicht genervt. Gerade wurde er in der Maske für den Dreh der ersten Szene vorbereitet. Zu gerne hätte er vorab ein paar Informationen erhalten, die über den Tratsch und Klatsch hinausging.
Ja, über den Kerl wurde bereits getuschelt. Der weibliche Teil der Crew seufzte bloß, lief mit glasigen Augen herum und war zu nichts zu gebrauchen. Die Männer am Set hingegen brachten ihren Neid zum Ausdruck, weil der Neue anscheinend bei Denise gelandet war. Was auch erklärte, warum der Unbekannte die Rolle ergattert hatte.
Die Maskenbildnerin erwiderte seinen Blick im Spiegel. »Er heißt Marcus Lovett und ist wohl der attraktivste Mann, den ich jemals gesehen habe«, erklärte sie schwärmerisch. Dann überzog leichte Röte ihre Wangen. »Natürlich erst nach dir.«
»Natürlich«, brummte er verstimmt. Konkurrenz belebt das Geschäft, sagte man. Er hatte dazu eine etwas andere Meinung. »Wenigstens darf ich den harten Kerl spielen. Soll der Softie halt die Fans kriegen, die auf Sensibelchen stehen. Dank seines blonden Schopfes spricht er auch optisch andere Frauen an.«
»Diesbezüglich gab es wohl eine kleine Änderung.«
»Betreffend der Frauen, die gerne eine Nacht mit mir verbringen würden, obwohl sie genau wissen, dass ich nur mit Männern rummache?«, fragte er.
Uma lachte auf. »In gewisser Weise. Everett Steele wird doch nicht von einem blonden Mann gespielt. Marcus Lovett und du haben viel gemeinsam.«
Abrupt drehte er sich auf seinem Stuhl herum, sodass Uma beinahe mit der Puderquaste in sein Auge gekommen wäre. »Nicht blond? Was soll das denn bedeuten?«
»Der neue Everett ist dunkelhaarig wie du.« Rasch ging die Maskenbildnerin in Deckung. Sie arbeitete wohl lange genug mit ihm zusammen, um zu ahnen, dass er diese Entwicklung überhaupt nicht witzig fand.
»Wie kommen Van Dyke, Cleever und Mendelson auf diese verdammt dämliche Idee?« Er sprang auf. »Dunkelhaarig und gutaussehend? Das passt überhaupt nicht zur Rolle. Und warum nehmen sie denn keinen Rotschopf? Haben sie mit dem Kerl vielleicht noch etwas ganz anderes vor? Sind sie auf der Suche nach jemandem, der mich ersetzen soll?«
»Niemand kann dich ersetzen«, versicherte Uma kleinlaut.
Er fixierte sie aus zusammengekniffenen Augen. »Keine Schmeichelei, Uma. Das ist der falsche Zeitpunkt. Weil wir mit den Innenszenen beginnen, muss ich den Kerl gleich abknutschen. Dabei würde ich ihm am liebsten den Hals umdrehen. Soll ich vielleicht meinen Nachfolger ausbilden?«
»Bestimmt hatten die Caster keinen Hintergedanken. Jeder weiß, dass du der Beste in deinem Job bist. Sie schätzen dich und besetzen dich regelmäßig für gute Rollen. Lovett hat diese Chance erhalten, weil jemand ein gutes Wort für ihn eingelegt hat. Das hat mit dir überhaupt nichts zu tun. Also beruhige dich und erlaube mir, dich für den Dreh vorzubereiten.«
Ungeduldig riss er sich das Tuch, das seine Kleidung vor Schminkeflecken schützen sollte, vom Kragen. »Ich bin hübsch genug. Während ich mich auf die Suche nach dem Neuling mache, der an meinem Stuhl sägt, stellst du ein paar Nachforschungen an. Denise hatte angeblich ihre Finger im Spiel. Finde heraus, ob sie ihm das Casting ermöglicht hat oder ob er noch andere Freunde hat, die ihm Starthilfe geben. Ich muss meinen Feind besser kennenlernen.«
Mit besorgtem Gesichtsausdruck griff Uma nach seinem Arm. »Du weißt, dass du dich auf mich verlassen kannst. Wir haben schon einige stürmische Drehs überstanden. Am ersten Tag wirst du immer von Zweifeln geplagt. Du hast Probleme damit, dich in deine Rolle zu finden. Also atme erst einmal tief durch. Akzeptiere deine Unsicherheit und das Chaos in deinem Inneren, weil du deine Rolle und dein wahres Leben noch nicht voneinander getrennt hast. Dank deiner wie immer intensiven Vorbereitung hat die Verwandlung bereits begonnen. In dir drin steckt bereits Wayne Klein, der sich Sorgen um seine Zukunft macht und der spürt, dass er an einem Scheideweg ist. Gleich kannst du dieser Mann werden und vor der Kamera brillieren. Im Augenblick bist du aber noch Charlie Walker. Und der muss nicht befürchten, dass er sein Lebenswerk verlieren könnte. Der darf stolz auf das sein, was er erreicht hat und das ihm auch niemand wegnehmen kann.«
Charlie blinzelte. Tatsächlich fiel es ihm schwer, die Gedanken von Wayne und Charlie auseinanderzuhalten. Hatte er überreagiert?
»Tief durchatmen, Charlie«, befahl Uma. »Schließ die Augen und konzentriere dich auf das Hier und Jetzt. Niemand will dir etwas Böses. Du bist der Held des Films. Du bist der Star.«
Folgsam tat er, was die Maskenbildnerin ihm aufgetragen hatte. Der Druck auf seiner Brust ließ ein wenig nach. Langsam weitete sich sein Tunnelblick, bis er erkannte, dass sie recht hatte. Wenn er allen bewies, was für ein guter Schauspieler er war, dann machte es keinen Unterschied, ob sein Kollege blond oder dunkelhaarig, wie er selbst war.
In den letzten zwei Wochen hatte er sich auf der Farm eingeschlossen und die Rolle des Wayne inhaliert. Obwohl das angemietete Haus nur schwer mit dem Zuhause des einfachen Ranchers vergleichbar war, hatte es doch nichts mit den Luxusvillen gemeinsam, in denen er sonst lebte, um der Welt zu zeigen, wie weit er es gebracht hatte. Das vergleichsweise einfache Leben hatte ihm gutgetan. Er hatte sich völlig von seinem Alltag loslösen können. Vermutlich war er deshalb auch so tief in die Rolle abgerutscht, dass er plötzlich seine Existenz von jemandem gefährdet sah, der es ohnehin nicht mit ihm aufnehmen konnte.
Es war an der Zeit, die erste Szene vor der Kamera als Wayne zu spielen, damit er die beiden Herzen, die in seiner Brust schlugen, besser voneinander trennen konnte. Sobald er sich das erste Mal gänzlich in Wayne verwandelt hatte, würden die Grenzen nicht mehr so leicht verschwimmen.
Er öffnete die Augen und schaffte ein Lächeln. »Danke, Uma. Du weißt einfach, wie du mich zur Vernunft bringen kannst.«
»Dafür bin ich da. Und jetzt geh da raus und zeig, was du draufhast.«
Dankbar nickte er ihr zu. »Aber ich möchte dich trotzdem bitten, ein wenig mehr über diesen Marcus herauszufinden. Ich möchte alles über ihn erfahren, was es zu wissen gibt. Wenn er mir doch Steine in den Weg legen will, muss ich vorbereitet sein.«
Uma wirkte nicht glücklich, stimmte dann aber zu. »Wie du willst, Boss.«
Charlie verließ die Garderobe und ging in die große Halle, in der die Räume der Ranch nachgebaut worden waren, um hier die Innenszenen drehen zu können. Heute legten sie gleich mit einer romantischen Szene los, was ihn in seiner aktuellen Stimmung nicht mit Begeisterung erfüllte. Wenigstens konnte er sich so ein sehr genaues Bild von seinem Kollegen machen.
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