Sven Jacobsen - Goethes Faust zwischen Gott und Teufel

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Die vorliegende Erläuterung (mit einem Ausblick auf Faust II) bietet nicht nur eine exemplarische Dramenanalyse, sondern erklärt auch,
– warum für Goethe Geld und Sex die Hauptantriebskräfte im Menschen sind,
– worum es in der Wette zwischen Mephisto und dem „Herrn“ wirklich geht,
– wer den Kampf um Fausts Seele gewinnt,
– wie spannungsreich die Beziehung zwischen Goethe und den Deutschen war und
– warum das klischeehafte Bild vom „Nationaldichter“ Goethes literarische Intentionen bis heute verharmlost.
–> Ein leicht verständlicher Schlüssel zur gedanklichen Tiefe von Goethes Hauptwerk und die ideale Unterrichtsvorbereitung
–> Ideal für Schüler:innen, Studierende, Lehrkräfte und Interessierte.

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KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN SPEZIAL

Analyse | Interpretation

Sven Jacobsen

GOETHES FAUST ZWISCHEN GOTT UND TEUFEL

VON DER WALPURGISNACHT ZUM PROLOG IM HIMMEL

Eine Einführung in die Interpretation des Dramas

Zitierte AusgabeGoethe Johann Wolfgang Faust Der Tragödie Erster Teil - фото 1

Zitierte AusgabeGoethe, Johann Wolfgang: Faust. Der Tragödie Erster Teil . Herausgegeben von Wolf Dieter Hellberg. (=Reclam XL Nr. 19152, seiten- und zeilenidentisch mit RUB Nr. 1). Stuttgart/Ditzingen: Reclam, 2014.

Über den AutorSven Jacobsen unterrichtet an einem Gymnasium in Baden-Württemberg die Fächer Deutsch und Geschichte; langjährige Erfahrung im Auslandsschuldienst mit Hochbegabtenförderung und als Endbeurteiler.

1. Auflage 2021

ISBN 978-3-8044-4144-6

© 2021 by Bange Verlag GmbH, 96142 Hollfeld

Alle Rechte vorbehalten!

Titelabbildung: Eugène Delacroix: Mephistopheles über Wittenberg , 1839 © WikiArt.org

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INHALT

1. Ein Vorwort, mit Unterstützung vom äußerst verärgerten Herrn Goethe

Aufgestauter Frust

Goethe und sein deutsches Publikum

Ein denkbarer Hinweis

Vorgehensweise

2. Eine kurze Einführung in die Interpretation literarischer Werke

Text als Medium

Verallgemeinerbare Kriterien

Schwierigkeiten der Bewertung

Erste Eindrücke

Nachhaken ist gefragt

3. Das Pferd von hinten aufgezäumt: Interpretation der Szene Walpurgisnacht

Grundlage des Faust

Einordnung der Szene im Drama

Motive Fausts und erste Erkenntnisse

Mephisto

Gold und Sex

Weitere Analysedetails

Zur Versgestaltung

Goethes satanistische Interessen

Goethes Probleme

Konsequenzen für die Deutung

4. Wer ist Mephisto?

Der Teufel in der Kulturgeschichte

Dualistisches Weltbild

Zeitgenössische Umstände als Problem für Goethe

Weitere Annäherung an Mephisto

Verwandlungen

Mephisto erklärt sich

Schlussfolgerungen

Erklärungen für das schlecht Fassbare

5. Der Herr wettet nicht? Zum Prolog im Himmel

Lob der Schöpfung und Konflikt

Spott über die Schöpfung

Das Buch Hiob und der Faust

Handelt es sich um eine richtige Wette?

Der zentrale Angriff Mephistos

Ausblick in der Folge der Wette

6. Mephisto zieht die Fäden – der Weg zum Pakt

Fausts Qualen

Mephisto taktiert

Der Pakt

Fehlschlag und Korrekturen

7. Das Opfer: Gretchen

Gretchen und die Tatsachen

Liebestoller Faust, von Mephisto geführt

Begierde und Liebe

Aufforderung zur Falschaussage

Geständnis der Liebe

Wald und Höhle als Wendepunkt

Mephisto beschließt Gretchens Verderben

Fausts Wunsch und Mephistos Beitrag

Mephisto nimmt Gretchen allen Halt

Allein und verachtet

Das Ende Gretchens

8. Schlussbetrachtung mit einem Ausblick auf Faust II

Zwischenbilanz: Pakt und Wette

Ausblick auf Faust II

Fazit

9. Literatur

Zitierte Ausgabe

Textausgaben und Sekundärliteratur

Online- bzw. Internetempfehlungen (alle Stand Mai 2021)

1. Ein Vorwort, mit Unterstützung vom äußerst verärgerten Herrn Goethe

Aufgestauter Frust

Publikums­beschimpfung

An einem Freitagnachmittag eines nicht genauer bekannten Sommertages, mutmaßlich aber im Jahr 1808[1], traf Johannes Daniel Falk (1768–1826) den übellaunigen Dichter in einer schattigen Ecke seines Gartens an. Die äußerst kurzfristige Absage eines Schauspielers drohte eine für den folgenden Tag geplante Theateraufführung platzen zu lassen und verhagelte Goethe den Tag, der sich nun mit den plötzlichen Scherereien in dieser Angelegenheit abzumühen hatte. Der Besuch des Kirchenlieddichters schien ihm nichtsdestotrotz gerade recht zu sein. Er nötigte Falk Platz zu nehmen, goss sich ein Glas Rotwein ein und ließ dem aufgestauten Frust vieler Jahre freien Lauf. Er ärgerte sich über Leute, die ihm Tag für Tag Arbeit und Probleme aufhalsen konnten, obwohl sie nur kurz nach Weimar kamen und es schnell wieder verlassen wollten. Und dass er nach all den Jahrzehnten als bekannter Schriftsteller und als Geheimrat am Hofe in dieser „Tragikomödie“ eine Hauptrolle spielen müsse! Das ganze Theaterwesen sei doch im Grunde nichts als Dreck! Falks Versuch, ihn mit Blick auf eine in der Sache gerechtere Nachwelt zu beruhigen, die seine Bemühungen zu schätzen wisse, stachelte Goethe aber erst recht an, sich über die Deutschen im Allgemeinen und den Publikumsgeschmack im Besonderen auszulassen:

„Ich verwünsche den Tasso , bloß deshalb, weil man sagt, dass er auf die Nachwelt kommen wird; ich verwünsche die Iphigenie , mit einem Worte, ich verwünsche alles, was diesem Publikum irgend an mir gefällt. (…) Sie mögen mich nicht! Das matte Wort! Ich mag sie auch nicht!“[2]

Die tiefe Verärgerung (Goethe gebraucht sogar das Wort „Hass“) scheint mit Blick auf den ganzen Gesprächsverlauf an der Tatsache zu liegen, dass Goethe sich immer wieder dem üblen Gerede der Leute ausgesetzt sah. Es machte ihm zu schaffen, wie sehr die Deutschen weder ihn noch seine Werke richtig begriffen. Er attestierte an diesem Tag den Deutschen die Unfähigkeit, weder richtig hassen noch lieben zu können (über diese Extreme wird zu sprechen sein), und er machte sich über das seit Jahrzehnten andauernde „Interpretieren und (…) Allegorisieren“ (ebd.) seiner Werke lustig.

Goethe und sein deutsches Publikum

Nationaldichter oder Skandalautor?

Dieses Gespräch mit Johannes Falk ist nicht das einzige, aus dem man etwas über die keineswegs einfache Beziehung zwischen Goethe und seinem Publikum erfahren kann. Die von Bewunderung und Ehrfurcht geprägte Rezeption der Werke Goethes, der Kult um den „Nationaldichter“, die Denkmäler und der feste Platz in jedem Schulbuch, all das prägt sicherlich die Wahrnehmung Goethes. Dass Goethe aber schon früh mit Anfeindungen seiner Werke zu kämpfen hatte, gerät leicht außer Acht. Die Römischen Elegien sind ein Beispiel, wie scharf künstlerische Freiheit und das Spiel mit Antike und Erotik gegen die engen Moralvorstellungen des 19. Jahrhunderts krachten. Man muss nicht lange in den insgesamt mehr als 32.000 Briefen lesen, die an Goethe geschickt und von ihm verschickt wurden, oder die Bände mit den Gesprächen, dem Klatsch sowie all die Rezensionen seiner Werke, um schnell festzustellen, wie sich Goethe wieder und wieder mit einem Publikum auseinanderzusetzen hatte, das mit ihm und seinen Werken nicht immer zurechtkam und oft genug in diesem Zusammenhang auch sein Privatleben thematisierte. So wurde beispielsweise seine uneheliche Beziehung mit Christiane Vulpius im wahrsten Sinne des Wortes zur Staatssache aufgebauscht.

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