Ich kenne Fälle, bei denen das funktioniert hat. Es kommt darauf an, sich nicht hängen zu lassen. Aber es kommt auch auf die unmittelbaren Angehörigen an, hier intensive Unterstützung zu leisten. Unterstützung nicht damit, den Rollstuhl zu schieben, sondern Motivationsarbeit zu leisten.
Von einem leitenden Arzt einer Schlaganfall-Klinik erfuhr ich, dass man früher den Patienten nach einem Schlaganfall drei Wochen im Bett gelassen und dann gesehen habe, was man noch aufbauen kann. Heute ist das anders: Ein halbseitig Gelähmter kann sein Brötchen noch selbst schmieren, wenn man dieses festklemmt. Die funktionsfähige Hirnhälfte wird genutzt, um die andere Hälfte frühzeitig zu trainieren.
Klaus Erdmann hat sich nicht aufgegeben. Er wollte den Rollstuhl nicht, wollte zurück ins Leben. Er hat es geschafft.
Auch Sie werden es schaffen!
Franz König, ratio-books
Ich schreibe dieses Buch für diejenigen, die ebenfalls wie ich einen Schlaganfall bekommen haben und unter Folgeschäden leiden und gelitten hatten.
Mein Name Klaus Erdmann, bin jetzt 61 Jahre. Meinen Schlaganfall bekam ich mit 56 Jahren. Ich bin mit drei Geschwistern aufgewachsen. Meine erlernten Berufe sind KFZ-Mechaniker und Karosseriebauer. Während der Bundeswehrzeit konnte ich den LKW- und Busführerschein erwerben. Nach dieser Zeit bin ich Omnibusfahrer im Linien-/Schul- und Reiseverkehr geworden.
Klaus Erdmann, im September 2014
Jetzt zu meiner Geschichte: Am 19. März 2009 stand ich nach einer gut geschlafenen Nacht um 5.00 Uhr auf, um pünktlich zur Arbeit zu kommen. Mein Arbeitstag war wie immer sehr abwechslungsreich. Dieser Arbeitstag neigte sich gegen 16.30 Uhr dem Ende. Ich fuhr mit dem Auto nach Hause, dort erwartete mich meine Frau wie gewohnt mit dem Abendessen. Nach einer Ruhepause trainierte ich auf meinem Heimtrainerfahrrad. Danach begab ich mich zum gemütlichen Teil, setzte mich mit der Frau ins Wohnzimmer und wir schauten Fernsehen. Es wurden einige Filme angeschaut und die Zeit lief unaufhaltsam vor sich hin – ruhig und gemütlich, ohne ein Anzeichen von Schmerzen, geschweige einem Schlaganfall.
Zur fortgeschrittenen Zeit, so gegen 23.00 Uhr beschlossen wir schlafen zu gehen. Der Fernseher wurde ausgemacht und wir bereiteten uns vor, ins Bett zu gehen. Ich musste aber noch dorthin, wo „der Kaiser auch zu Fuß“ hingeht.
Meine Frau begab sich schon ins Schlafzimmer, hatte die Schlafzimmertüre noch halb offen gelassen, was vielleicht für meine spätere Situation wichtig war. Das Übliche wurde von mir im Badezimmer erledigt. Ich fühlte mich wohl.
Ich schaute in den Spiegelschrank. Mit einem Mal wurde meine Sehkraft schwächer und ich dachte mir, das ist nur die Müdigkeit, was sich aber als Irrtum erwies.
Ich fiel linksseitig durch die geöffnete Tür um, in den Wohnungsflur, mit ausgebreiteter rechter Hand klatschte ich auf die Flurplatten. Mechthilde, meine Frau, durch das Geräusch aufgeschreckt, kam zu mir. Ich hörte sie besorgt fragen: „Klaus bist Du gestolpert?“ Nein, es war nicht so, wie sie schnell feststellen konnte. Es hatte mich ein Schlaganfall getroffen. Wir halten fest:
Punkt 1.:
Ich war noch bei vollem Bewusstsein, redete aber nur noch wirres Gerede, bei schräg stehendem Mund. In meiner linken Körperhälfte hatte ich kein Gefühl mehr. Während ich jetzt diese Zeilen schreibe und über meinen Zustand berichte, bekomme ich ein komisches Gefühl im Körper – egal, weiter möchte ich euch darüber berichten.
Punkt 2:
Meine Frau bemerkte ebenfalls, dass ich auf der linken Seite komplett gelähmt war. Mit Ihrer Hilfe wollte ich aufstehen, was aber nicht klappte. Sie sagte: „Ich rufe schnell den Notarzt mit dem Rettungswagen.“ Ich soll ihr geantwortet haben: „Nein, nein, ich versuche jetzt ins Bett zu kommen, ich muss morgen früh doch wieder arbeiten gehen.“ Sie hörte zum Glück nicht auf mich und flitzte zum Telefon. In dieser Zeit redete ich nur noch wirres Zeug. Sie kam wieder und versuchte, mit mir zu reden, ich konnte aber nicht antworten.
Der Rettungsdienst war vorbildlich. In ca. 10 Minuten stand er schon im Flur bei uns, eine Rettungssanitäterin und zwei Sanitäter. Dazu kam noch eine Notärztin. Ich bin überzeugt das waren mit meiner schnell handelnden Frau meine Lebensretter. Schnell wurden Infusionen vorbereitet und mir verabreicht. Hier saß jeder Handgriff. Aber aufstehen konnte ich trotz aller Anstrengungen immer noch nicht. Ich sah den Tod vor meinen Augen, aber sterben wollte ich noch nicht. Mit all meiner Kraft und meinen Sinnen und meinem ganzen Lebensmut hielt ich dagegen.
Nun war ich transportfähig gemacht worden für die Einlieferung ins Krankenhaus. Ich wurde ich auf einer Trage in den Rettungswagen gebracht, immerhin lagen auf der Liege jetzt 130 kg, was bestimmt nicht einfach war, zu tragen. Im Rettungswagen bekam ich weitere Infusionen und der Wagen fuhr zügig ab. Während einiger Zeit wurde der Lautsprecher im Innenraum des Rettungswagens angeschaltet und die Sanitäterin, Fahrerin des Wagens, fragte mich nach meinem Zustand.
Ich muss jetzt noch dazu sagen, wir, die Sanitäterin und ich kannten uns persönlich. Karin van Gahlen gab anständig Gas. Ich lag angeschnallt auf der Liege im Wagen und mir kam es vor, als würden wir ein paar Runden auf einer Formel 1-Rennstrecke fahren.
Nach einer Weile wurde die anzufahrende Klinik zugeschaltet. Auch diese Gespräche konnte ich ebenfalls mithören. Die beiden Sanitäter wurden während der Fahrt zur Klinik von den Fachärzten der Klinik gefragt „Was haben Sie dem Patienten verabreicht“, die Antwort der beiden „Sanis“ „20 ml davon, 20 ml davon und so weiter. … Weiter kam die Ansage von den Ärzten „Patient jetzt bitte wach halten, wenn möglich.“
Immer wurde ich unterwegs gefragt und musste darauf antworten, wo ich einen Druck im Kopf habe. Was ich auch zum wiederholten Male immer wieder beantworten musste „Ich habe keinen Druck im Kopf.“ Mit klaren Worten sagte ich zu den Sanitätern im Rettungswagen, sie sollten doch mit der Medispritzung bitte aufhören, 20 ml davon und davon etc. … Sie sollten, sagte ich zu beiden, etwas „Zunft-Kölsch“ reinspritzen, was ebenfalls die Ärzte der Klinik mitbekamen und meinten: „er ist verdammt noch lustig drauf.“
Kilometer für Kilometer näherten wir uns der zuständigen Fachklinik. Dort angekommen, wurden wir auch schon an der Notaufnahme erwartet. Alles lief auch jetzt blitzschnell ab. Raus aus dem Rettungswagen, rein in die Klinik. Die bereitstehenden Ärzte nahmen mich in Empfang und übernahmen sofort die weitere Behandlung.
Weitere Untersuchungen wurden bei mir am Kopf durchgeführt. Der Kopf wurde geröntgt oder durchleuchtet, zuvor wurde mir eine Art „Kappe“ über meinen Kopf gelegt, daran wurden die Computergeräte angeschlossen. Von den Ärzten wurde schnell festgestellt: „Rechtsseitige starke Blutung!“ „Blutung muss zum Stillstand kommen, sonst ist der Patient verloren.“
Wieder und immer wieder fragten mich die Ärzte, an welcher Stelle im Kopf ich Druck spüren würde – ich hatte aber keinen Druck im Kopf. Die Ärzte versuchten alles, um mein Leben zu retten.
Nach intensiver Behandlung kehrte wieder Ruhe ein, und sie meinten, auch nach einer erneuten Computeranalyse: „es ist geschafft, Blutung gestillt.“
Dann wurden mir weitere Fragen gestellt, wobei ich überlegen musste, bevor ich antworten konnte – das zur Feststellung, ob mein Gehirn noch funktionierte. Dann kam ich auf die Intensivstation, wo ich auch leicht zur Ruhe gekommen bin.
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