Während der Arbeit an Sissi . 1955. Drehpause einer „Kaiserin“.
Im Jahr 2008 traf ich im sächsischen Zwickau bei der Präsentation meiner Romy-Schneider-Biografie eine Frau, die sich mit „Ich bin eine Kollegin von Romy“ vorstellte. Auf Nachfrage erklärte sie mir: „Ich habe auch ein Kind verloren.“ Ihr und allen anderen „Kolleginnen und Kollegen von Romy“ sei dieses Buch zugeeignet.
Günter Krenn
Der Anfang vom Ende
Rosa
Wanderjahre im 19. Jahrhundert
Eine Dynastie entsteht
Ihre Vorbilder: Clara Schumann und Josef Kainz
Ihr Mann: Karl Walter Albach
Ihr Titel: Hofschauspielerin
Ihr Sohn: Wolfgang Helmuth Walter
Magda
Vom Büro zur Bühne
Von der Bühne ins Studio
Filmstar(s) im Dritten Reich
Zwischen Selbstkritik und Eigenlob
23. September 1938: Romy wird geboren
12. März 1945: Die Stunde null
Das Imperium schlägt zu
Romy
Von der Schule ins Studio
Am Weg zum Klischee
Die dreiteilige Kaiserin
Mit Alain Delon in die Freiheit
Die Hofschauspielerin tritt ab
Der alternde Wolf bleibt
Die Stiefmutter im Hintergrund
Als Star zur Hölle und zurück
Gentleman Harald Meyen und Sohn David treten auf
Der Vater geht
Comeback mit Alain und das liebe Geld
Ihre wilden 1970er und Daniel Biasini
Aus dem Alltag einer alten Dame: Rosa
Die dunklen Jahre einer Dynastie
Trauerjahre einer Schauspielerin
Das Ende
Nach Romy
Die ewige Mutter!
Die ewige Tochter?
Die Zeiten ändern sich …
Anmerkungen
Dank
Bildnachweis
Impressum
Mit Ernst Marischka am Set zu Sissi II . 1956. Noch isst Romy ihrem Regisseur aus der Hand.
Szene aus L’Enfer . 1964. Sieben Jahre nach dem letzten Sissi -Film: Eine neue Schauspielerin „entsteht“.
Mit ihrer Tochter Sarah Biasini. 1981. Ein Schnappschuss, wie er scheinbar nur dem Fotografen Robert Lebeck gelingen konnte.
Es ist etwas Eigenartiges um unsere Erinnerungen […] Selten kommen sie, wenn man sie haben will, wenn man sie herbeigesehnt. Meistens schlagen sie wie Blitze in unsere Gedanken ein, wecken Gefühle, die uns einmal sehr glücklich oder traurig gemacht haben. […] Manchmal, wenn ich nachts nicht schlafen kann, stelle ich mir das Leben als riesiges Kaleidoskop vor, das man nur ein bisschen schütteln muss, und schon purzeln die Erinnerungsbilder kunterbunt durcheinander. Es ist ein Spiel zwischen Traum und Wirklichkeit. Zwischen Wehmut und Glück. Zwischen Resignation und Faszination.
Rosa Albach-Retty, 1978
Ich träume oft von Romy. Ich rede jeden Tag mit ihr. Sie ist für mich nicht tot. Sie ist da. Ich warte manchmal sogar auf ihren nächsten Anruf. Da wir nicht zusammenlebten, hat sich für mich nichts geändert. Gleich wird sie anrufen […] so, wie es immer war.
Magda Schneider, 1990
Es gibt nur ein Leben, und ich will es leben.
Romy Schneider, 1977
Die Einzige, die mich unter Druck setzt, bin ich selber. Ich versuche, stets mein Bestes zu geben. […] Wenn man mich mit meiner Mutter vergleicht, heißt das ja auch, dass sie in den Herzen und Gedanken der Menschen noch immer lebendig ist.
Sarah Biasini, 2021
Rosa Albach-Retty. 1979. Wenn ihr etwas schwerfällt, kann sie seit 1974 sagen: „Man ist ja keine 100 mehr …“
Es hat jede Affär’ ihren Hintergrund, ihr Milieu: Die Kulissen stimmen unsagbar gut zu dem, was gespielt wird.
Heimito von Doderer, Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der Jahre , 1951
Sie wird nicht zur Beerdigung ihrer Großmutter gehen.
Romy Schneiders Flugticket von Paris nach Wien ist erst für ein paar Tage nach dem Ereignis gebucht, damit sie allein am Grab Abschied nehmen kann. Ihre Anwesenheit beim Festakt, das weiß sie, würde zu viele Paparazzi anlocken, die sich weniger für ihre Anteilnahme als für ihr nahezu öffentliches Privatleben interessieren und damit Romy und nicht Rosa zum Zentrum des Anlasses machen: „Ich will nicht im Mittelpunkt dieser Trauerfeier stehen, die durch mein Erscheinen ihre eigentliche Bedeutung verlieren würde. Das hätte Großmama nun wirklich nicht verdient.“ 1Erst ein Jahr zuvor war das Begräbnis ihres Exmannes nach dessen Selbstmord ein willkommener Anlass dafür, Jagd auf Fotos der trauernden Romy zu machen. Die Augen hinter großen Sonnenbrillen nur notdürftig verborgen, sich an einer Zigarette und ihrem Handgepäck festhaltend, navigiert sie sich wie per Autopilot gesteuert durch ein auf sie eröffnetes Blitzlichtgewitter. Mit ihren verweinten Augen lässt sich mittlerweile gutes Geld verdienen – und der Höhepunkt dieser Konjunktur, ihr Horrorjahr 1981, steht noch bevor. Beruflich befindet sich Romy Schneider in jener Zeit zwischen zwei Filmarbeiten und kurz vor einem körperlichen Zusammenbruch, ausgelöst durch zu viel Arbeit und eine ungesunde Kombination aus Alkohol und Medikamenten.
Beerdigungen machen ihr Angst, wie das bei den meisten Menschen der Fall ist. Beerdigungen zwingen dazu, Bilanz zu ziehen. Man sieht sich ungewollt mit der Endlichkeit des eigenen Lebens konfrontiert und muss lernen, damit umzugehen, dass man einen anderen Menschen nie wieder sehen wird. Das Ereignis bedingt ein Familientreffen, so freiwillig oder erzwungen wie bei anderen großen, unvermeidlichen Anlässen. Die Verwandtschaft demonstriert Geschlossenheit, Verbundenheit. Die geweinten Tränen sind zumeist echt, die gesprochenen Worte salbungsvoll, würdigend und pathetisch. Die Hinterbliebenen können heimlich Rechenspiele veranstalten, wer von ihnen der oder die Nächste sein könnte, je nach statistischer Wahrscheinlichkeit oder Gutdünken.
Begräbnisse bringen auch mit sich, dass sich eine Familie wieder mit sich selbst beschäftigt, sich Fragen stellt, wer der oder die Verstorbene war, wer man selbst ist. Es ist also ein guter Zeitpunkt, sich einer bestimmten Familie zu nähern. Besonders schmerzhaft sind solche Abschiede bei Menschen, die in jungen Jahren aus dem Leben gerissen werden – und die Leserschaft wird im Laufe dieser Geschichte an einige, allzu früh ausgehobene Gräber geführt werden. In diesem Falle, wir schreiben Mittwoch, den 3. September 1980, kann man in den zahlreichen Nachrufen auf die Verstorbene jedoch vom stolzen Alter von 105 Jahren lesen. Ort der Handlung ist die Ehrengrab-Abteilung des Wiener Zentralfriedhofs, die, an der von der Kirche zum heiligen Karl Borromäus abgehenden Hauptallee angesiedelt, eher einem Freilichtmuseum denn einer Nekropole gleicht. Der größte Friedhof Österreichs scheint zu wissen, was er der Fremdenverkehrswirtschaft schuldig ist. Zahlreiche Touristinnen und Touristen besichtigen die dort aufgestellten steinernen Visitenkarten für die Ewigkeit, fotografieren die Ruhestätten gefeierter Musiker wie Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms, Johann Strauß, Hugo Wolf, Arnold Schönberg, aber auch von bekannten Schauspielern wie Hans Moser, Theo Lingen, Werner Krauss, Albin Skoda, dem Regisseur Georg Wilhelm Pabst. Die heute zu Grabe Getragene ist demnach prominent, viele der deswegen Anwesenden tragen ebenfalls bekannte Namen.
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