Information kompakt
Merkmale neuer Kriege
Neue Kriege sind durch folgende Merkmale gekennzeichnet (Rittberger/ Kruck/Romund 2010: 380):
Entstaatlichung und Privatisierung: Der Staat verfügt nicht mehr über das Gewaltmonopol, sondern muss es mit privaten Akteuren teilen. Staaten sind daher schwach, gescheitert oder im Zerfallsprozess.
Asymmetrische Gewaltanwendung: Militärisch unterlegene Akteure nutzen unkonventionelle Methoden wie Guerilla- und Partisanenkrieg oder Terrorismus. Gewalt wird auch gezielt gegen die Zivilbevölkerung ausgeübt.
Kommerzialisierung: Krieg wird zum Mittel wirtschaftlicher Betätigung und Vermögensbildung. Akteure haben ein wirtschaftliches Interesse an der Fortsetzung des Krieges. Kriege werden durch Produktion und Handel mit Drogen oder Bodenschätzen etc. finanziert. Es entstehen daher lukrative Kriegsökonomien.
Gewaltdiffusion: Es gibt keine Kriegserklärung und häufig auch kein formales Ende von Krieg. Weiterhin gibt es keinen klaren Frontverlauf. Kriege sind weder zeitlich noch räumlich klar begrenzt. Die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilbevölkerung verschwimmt.
3.4.1 | Innerstaatliche oder Bürgerkriege
Weitaus besser als der Typus »neue Kriege« sind innerstaatliche oder Bürgerkriege erforscht, die eine Unterform bilden.
Information kompakt
Merkmale von innerstaatlichen oder Bürgerkriegen
In Bürgerkriegen entstehen hohe Kosten:
wirtschaftliche durch die Zerstörung von Humankapital und Infrastruktur, die zu geringer Produktivität und Wachstum führt;
politische durch die Schwächung von Staat und Regierung sowie die Zersplitterung der Gesellschaft in unterschiedliche ethnische Gruppen, Religionen usw.;
soziale durch die Verbreitung von Krankheiten auch über die Kriegsbeendigung hinaus.
Zusätzlich entstehen häufig auch in Nachbarländern Kosten, z. B. durch Flüchtlingsströme oder den Import gewaltsamer Konfliktlösung.
Bürgerkriege sind nur schwer zu beenden. Sie dauern durchschnittlich viel länger als zwischenstaatliche Kriege und enden meist nicht durch Verhandlungen, sondern durch den Sieg einer Seite über die andere. Und schließlich besteht die starke Tendenz, dass Bürgerkriege nach einem Waffenstillstand wieder ausbrechen (Walter 2013).
Unzufriedenheit
Gier
Es sind vor allem zwei Motive, aus denen Konfliktparteien Bürgerkriege auslösen: Erstens Unzufriedenheit (englisch: grievance ) mit den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen, die mit friedlichen Mitteln nicht nachhaltig verbessert werden können. Dazu gehören auch vielfältige Formen von Diskriminierung. Zweitens Gier (englisch: greed ) nach Verbesserung der eigenen wirtschaftlichen Situation, die durch gewaltsame Übernahme von Gebieten mit Bodenschätzen, Plünderung, Drogenhandel, Waffenhandel usw. erreicht werden kann (Collier/Hoeffler 2004; Collier/ Sambanis 2005a; b). Besonders die mit dem Motiv Gier verbundene Privatisierung und Kommerzialisierung von Krieg weist darauf hin, dass Krieg selbst zu einem einträglichen Geschäft werden kann, an dessen Beendigung die Profiteure kein Interesse haben. Dies mag teilweise erklären, warum Bürgerkriege länger dauern als zwischenstaatliche, häufig nicht auf dem Verhandlungsweg beendet werden und auch immer wieder aufflammen.
Hürden für Verhandlungslösungen
Die Forschung konnte aber auch zeigen, dass die oben erläuterten Interaktions- und Glaubwürdigkeitsprobleme in Bürgerkriegen besonders ausgeprägt sind und daher erhebliche Hürden für Verhandlungslösungen darstellen (Walter 2009; 2013). Die Einschätzung der militärischen Stärke von Konfliktparteien ist besonders schwierig, weil die Information darüber nicht transparent ist. Dies macht es kompliziert, in Verhandlungen die Kosten-Nutzen-Kalküle zu bestimmen, die Verhandlungen nach Abbildung 3.1ermöglichen. Hinzu kommt, dass eine Regierung, die sich mit einer Rebellengruppe friedlich verständigt, damit rechnen muss, von einer anderen Rebellengruppe bekämpft zu werden, weil sie als Schwächling dasteht. Dieser Schatten der Zukunft wirkt deutlich gegen Verhandlungslösungen.
Entwaffnung
Das Glaubwürdigkeitsproblem spielt vor allem eine Rolle, wenn Konfliktparteien vereinbaren, dass im Gegenzug für die Erfüllung konkreter Forderungen Waffen abgegeben werden müssen. Ohne eine solche Vereinbarung zur Entwaffnung sind Konzessionen in Verhandlungen höchst einseitig und daher unwahrscheinlich. Wenn aber Konfliktparteien ihre Waffen erst einmal abgegeben und Kämpfer demobilisiert haben, wird sich dann die andere Seite an ihre Seite der Vereinbarung halten und die gegebenen Zusagen einlösen? Wenn nicht, verfügt die entwaffnete Seite über weitaus geringere Möglichkeiten, die Einhaltung des Abkommens durchzusetzen. Daher bleibt die Entwaffnung von Konfliktparteien das komplizierteste Problem bei der friedlichen Beendigung von Bürgerkriegen durch Verhandlungen. Ohne Garantien von unparteiischen Dritten, die ihr Engagement glaubhaft machen, ist dieses Problem kaum zu lösen.
Regionale Schwerpunkte
Die Zahl terroristischer Anschläge stieg ab Beginn der 1990er Jahre weltweit erheblich an und erreichte 2012 einen Höhepunkt. Gleichzeitig nahm auch die Zahl der Todesopfer terroristischer Attacken zu. Die regionalen Schwerpunkte terroristischer Angriffe liegen wiederum in Asien gefolgt vom Mittleren Osten einschließlich Nordafrika und Sub-Sahara Afrika (National Consortium for the Study of Terrorism and the Responses to Terrorism n. y.; Rand Corporation 2010).
Definition
Terrorismus
Terrorismus ist eine Taktik, die nichtstaatliche Akteure anwenden. Sie nutzen Gewalt, um politische, wirtschaftliche, soziale oder religiöse Ziele durchzusetzen. Der Zweck des Einsatzes von oder die Drohung mit Gewalt ist, breite Teile der Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen, damit sie die Forderungen von Terroristen erfüllen oder sich ihnen zumindest nicht widersetzen (Bueno de Mesquita 2013). Jedoch überschreiten nicht alle terroristischen Aktivitäten die in der Kriegsdefinition (
Kap. 3.1) genannten Schwellen.
Schwäche bestimmt Taktik
Terroristische Organisationen sind im Verhältnis zu ihren Gegnern und ihren Zielen schwach. Diese Schwäche versuchen sie auszugleichen, indem sie die Taktik benutzen, Furcht einzuflößen und Schrecken zu verbreiten. Damit wollen sie erreichen, dass sich die Bevölkerung schutz- und wehrlos fühlt und deshalb konzessionsbereit wird. Die relative Schwäche der terroristischen Organisationen und Netzwerke bewirkt außerdem, dass sie sogenannte weiche Angriffsziele wählen. Damit sind solche Orte gemeint, die sich nur sehr schwer schützen lassen. Um Gegenmaßnahmen zu erschweren, formen Terroristen meist nur sehr kleine, unabhängige Gruppen, die lose miteinander vernetzt sind. Diese Gruppen stehen nicht ständig in Kontakt, um ihre Entdeckung zu erschweren, und kooperieren nur, sofern dies für einen Angriff unvermeidlich ist (Frieden/Lake/Schultz 2012: 242–248).
Читать дальше