Die Gründe für diskriminierende Praktiken können auf den unterschiedlichen Ebenen der Organisation Schule greifen: formale Regeln, informelle Regeln der Organisationsmilieus, die milieugeprägten Umgangsweisen mit formalen Regeln und / oder das in ihr tolerierte milieubedingte Unterleben. Diese vier Formen können jeweils durch den Modus totaler Identifizierung einer sozialen Gruppe entstehen oder jenseits dieser (Nohl 2010, 224). Im Kontext der Organisation Schule sind folglich acht Typen systematischer Schlechterstellung zu unterscheiden:
total identifizierte Diskriminierung: durch formale Regeln, durch informelle Regeln des Organisationsmilieus, durch milieugeprägte Umgangsweisen mit formalen Regeln und durch toleriertes milieubedingtes Unterleben
Diskriminierung jenseits totaler Identifizierung: durch formale Regeln, informelle Regeln des Organisationsmilieus, milieugeprägte Umgangsweisen mit formalen Regeln und toleriertes milieubedingtes Unterleben (Nohl 2010, 224 ff)
Exklusion und Marginalisierung
Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie als Formen systematischer Benachteiligung zu Exklusionen, d. h. dem Ausschluss aus Bildungsgängen und / oder Lerngruppen, und / oder zu Marginalisierungen innerhalb dieser führen können. Letztere beziehen sich auf Schlechterstellung bzw. der Einnahme von Randpositionen innerhalb von Bildungsgängen und Lerngruppen.
Die aktuelle Konstitution der Schule als gesellschaftliche Organisation und ihre instituierten formalen Regeln sind Ausdruck historischer Auseinandersetzung, aus denen sie hervorgegangen sind und legitimiert wurden. Sie finden ihren Ausdruck in den heutigen formalen Regeln der Schule sowie den dort gängigen Handlungspraktiken, die sich in Organisationsmilieus niederschlagen. Im nachfolgenden Kapitel werden dieses formale Verständnis von Schule und ihre Aufgaben in der Gesellschaft vorgestellt. Als Teil des Bildungssystems sind der Organisation Schule Vorstellungen inhärent, wie Differenzen zu bearbeiten und herzustellen sind. Im vierten Kapitel liegt dann der Fokus auf den Praktiken, mit denen in der Schule systematische Formen der Benachteiligung hervorgebracht werden.
Zusammenfassung
Heterogenität und Homogenität beruhen auf unterschiedlichen bzw. auf gemeinsamen Erfahrungen, die Menschen in ihrem Alltag machen, und sind gleichzeitig Grundlage der Gestaltung ihrer Praktiken. Dieses praktische Wissen, über das Menschen – über explizites Wissen hinaus – verfügen, ist ihnen in der Regel nicht reflexiv zugänglich. Unterschiedliche Milieus kennzeichnen plurale Gesellschaften und stehen (auch) im Zusammenhang mit je verschiedenen Möglichkeiten des Zugangs zu gesellschaftlichen Gütern und der Teilhabe daran.
Werden Differenzen beschrieben, erfolgt dies durch Abstraktion von der Vielschichtigkeit von Milieus und ihren Praktiken. Insbesondere eindimensionale Zuschreibungen von Milieuzugehörigkeit bergen, aufgrund ihrer eingeschränkten Sicht, das Risiko diskriminierender Zuschreibungen. In Organisationen, wie der Schule, können Milieus, soziale Gruppen aufgrund ihrer Milieuzugehörigkeit und oder -zuschreibung systematisch benachteiligt werden.
2.4 Übungsaufgaben
Aufgabe 1
Wie hängen Heterogenität und Homogenität in einer sozial-konstruktivistischen Perspektive zusammen?
Aufgabe 2
Worauf kann sich die Aussage „die Klasse ist sehr heterogen“ aus sozial-konstruktivistischer Sicht beziehen?
Aufgabe 3
Erläutern Sie, was innerhalb der praxeologischen Wissenssoziologie mit „Milieu“ gemeint ist.
Aufgabe 4
Erstellen Sie eine Abbildung, die den Zusammenhang bzw. die Tauschoptionen der unterschiedlichen Kapitalsorten, die Bourdieu nennt, veranschaulicht.
Aufgabe 5
Nennen Sie Kriterien, anhand derer sich Milieus von Organisationen unterscheiden.

2.5 Literaturempfehlungen
Bohnsack, R. (2010): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. 8. Aufl. Verlag Barbara Budrich, Opladen / Farmington Hills
Bourdieu, P. (1998): Praktische Vernunft. Zur Theorie des Handelns. Suhrkamp, Frankfurt a. M.
Bourdieu, P. (1992): Die verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zu Politik und Kultur 1. Herausgegeben von Margareta Steinrücke. VSA-Verlag, Hamburg
Bourdieu, P. (1987): Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Suhrkamp, Frankfurt a. M.
Emmerich, M., Hormel, U. (2013): Heterogenität – Diversity – Intersektionalität. Zur Logik sozialer Unterscheidungen in pädagogischen Semantiken der Differenz. Springer VS, Wiesbaden
Gomolla, M. (2009): Heterogenität, Unterrichtsqualität und Inklusion. In: Fürstenau S., Gomolla, M. (Hrsg.): Migration und schulischer Wandel: Unterricht. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 21–43.
Koller, H. C., Casale, R., Ricken, N. (Hrsg.) (2014): Heterogenität. Zur Konjunktur eines pädagogischen Konzepts. Ferdinand Schöningh, Paderborn
Krais, B., Gebauer, G. (2002): Habitus. transcript, Bielefeld
Lorenz, A., Lépine, R. (2014): Pierre Bourdieu. Philosophie für Einsteiger. Wilhelm Fink, Paderborn
Mannheim, K. (1980): Strukturen des Denkens. Suhrkamp, Frankfurt a. M.
Nohl, A.-M. (2010): Konzepte interkultureller Pädagogik. Eine systematische Einführung. 2. Aufl. Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn
Trautmann, M., Wischer, B. (2011): Heterogenität in der Schule. Eine kritische Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Wenning, N. (1999): Vereinheitlichung und Differenzierung. Zu den „wirklichen“ gesellschaftlichen Funktionen des Bildungswesens im Umgang mit Gleichheit und Verschiedenheit. Leske + Budrich, Opladen
Hier gelangen Sie in der Lern-App zum Buch zu weiteren Fragen zu Kapitel 2:
Hex-Code: F
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