Auch im deutschsprachigen Raum gab und gibt es zahlreiche Detektiv- und Krimiserien unterschiedlichster Formate. Hier nur eine kleine Blütenlese: StahlnetzStahlnetz hieß eine von 1958-68 ausgestrahlte Reihe im NDR mit 22 Folgen mit Motiven aus wahren Begebenheiten. 1969-76 lief in 97 Folgen Der KommissarDer Kommissar mit Erik OdeOde, Erik in der Titelrolle, geschrieben von dem ungekrönten Krimidrehbuch-Serienkönig Herbert ReineckerReinecker, Herbert. Er schrieb außerdem alle Drehbücher für die international sehr erfolgreiche Serie DerrickDerrick mit Horst TappertTappert, Horst in der Titelrolle, gesendet von 1974-98 in 281 Episoden. Die TatortTatort -Reihe startete 1970 und läuft bis heute, mit je nach Sendeanstalt der ARD, des ORF und des SF unterschiedlichen Ermittlerteams.
In Zeiten von Netflix und Amazon prime hat sich die Zahl der Serienproduktionen vervielfacht. Auch künstlerisch ist versucht worden, neue Maßstäbe zu setzen, etwa mit True DetectiveTrue Detective oder mit FargoFargo , die ersten Staffeln beider Serien erschienen 2014. Schon im Titel zitiert Fargo von Noah HawleyHawley, Noah den gleichnamigen Film der Starregisseure Ethan und Joel CoenCoen, Ethan und Joel von 1996. Die berühmten Coen-Brüder sind die Produzenten der Serie. In beiden Serien, die in jeder Staffel jeweils eine neue Geschichte erzählen, handelt es sich bei den Ermittlern um Polizisten.
Dazu kommen sehr erfolgreiche Mini-Serien, etwa die Verfilmungen der Kriminalromane mit der vom schwedischen Schriftsteller Henning MankellMankell, Henning erschaffenen Figur Kurt Wallander. Wallander ermittelt als Kriminalkommissar im schwedischen Ystad, die Romanserie wurde 1994-2007 vom schwedischen Fernsehen und von 2008-15 von der BBC verfilmt, für die zwölf Folgen der britischen Produktion zeichnete Kenneth BranaghBranagh, Kenneth verantwortlich, der auch die Hauptrolle spielte. Der von seiner Frau verlassene Wallander ist der Typus des einsamen Wolfs, des trotz persönlicher und gesundheitlicher Probleme aufrechten Kämpfers gegen das Verbrechen in einer unüberschaubar gewordenen Welt. Halt gibt dem auf seine Arbeit fixierten Kommissar die Beziehung zu seiner Tochter, allerdings nur in begrenztem Umfang, da diese immer wieder auch Partei für die Mutter ergreift.
Die deutschsprachigen Produktionen sind vor allem Kriminalfilme, die sich an das traditionelle Muster des Whodunit halten. Ein legendäres Beispiel ist die Verfilmung des Francis-DurbridgeDurbridge, Francis-Krimis Das HalstuchDas Halstuch in sechs Teilen, vom WDR produziert und 1962 in der ARD gezeigt. Hans QuestQuest, Hans führte Regie, Heinz DracheDrache, Heinz spielte den Ermittler, Dieter BorscheBorsche, Dieter den Mörder. Auch Horst TappertTappert, Horst, der bereits erwähnte Derrick -Darsteller, ist dabei. Die Verfilmung setzt erfolgreich auf größtmögliche Handlungsspannung, so dass die Miniserie als legendärer ‚Straßenfeger‘ mit einer der höchsten Einschaltquoten aller Zeiten gilt. Die Grenzen zwischen Kinofilm und TV-Krimi sind nicht immer leicht zu ziehen: Die TV-Produktionen entwickeln sich aus der Spielfilm-Tradition, die Kinofilme werden nach einiger Zeit auch im TV (wiederholt) gesendet und zu manchen TV-Produktionen gibt es Kinofilme. Ein Beispiel sind die im Kino gesendeten Filme Zahn um ZahnZahn um Zahn (1985) und ZabouZabou (1987) mit dem Tatort-Kommissar Horst Schimanski (gespielt von Götz GeorgeGeorge, Götz; Regie führte Hajo GiesGies, Hajo).
Aus der unüberschaubaren Zahl von Kriminalfilmen für Kino oder Fernsehen Beispiele auszuwählen ist ebenso müßig wie notwendig, will man Genretraditionen aufzeigen und das Spektrum ausloten. Zu den herausragenden, das Genre erweiternden Produktionengehört Blow upBlow up von Michelangelo AntonioniAntonioni, Michelangelo aus dem Jahr 1966, mit Vanessa Redgrave und anderen Stars der Zeit. Der Fotograf Thomas (David HemmingsHemmings, David) glaubt auf Aufnahmen einen Mord zu entdecken, tatsächlich findet er eine Leiche im Park. Allerdings wird bei ihm eingebrochen, die Aufnahmen und Negative werden gestohlen und auch die Leiche ist nicht mehr zu finden. Am Ende bleibt das Rätsel bestehen, ob er wirklich einen Mord fotografiert hat. Der metafiktionale und symbolische Charakter des Films wäre eine eigene Untersuchung wert. Lediglich erwähnt werden kann ein anderer offen konzipierter, mit Thriller-Elementen spielender Kult-Film: Mulholland DriveMulholland Drive von David LynchLynch, David aus dem Jahr 2001. Solche Filme nutzen die Genre-Traditionen und verfremden sie in einer für das eigene, künstlerische Konzept passenden Weise.
Ins britische wie ins US-amerikanische Kino kommen auch Kriminalfilme, die zugleich Krimiparodiensind. Bedeutende frühe Beispiele sind Arsenic and Old LaceArsenic and Old Lace ( Arsen und Spitzenhäubchen ) von 1941, der aber erst 1944 gezeigt wurde (Regie: Frank CapraCapra, Frank, u.a. mit Cary GrantGrant, Cary und Peter LorreLorre, Peter), oder LadykillersLadykillers aus dem Jahr 1955 (mit Alec GuinnessGuinness, Alec unter der Regie von Alexander MackendrickMackendrick, Alexander). Auch das deutschsprachige Kino setzt, wenn es um Krimihandlungen geht, oft und immer mehr auf Humor. An der Grenze von Krimi und Komödie sind die Filme Helmuth AshleyAshley, Helmuths angesiedelt, die nach Motiven der Geschichten Gilbert Keith ChestertonChesterton, Gilbert Keiths den als Detektiv auftretenden Pater Brown in den Mittelpunkt rücken. Die Spielfilme Das schwarze SchafDas schwarze Schaf (1960) und Er kann ’ s nicht lassenEr kann’s nicht lassen (1962) mit Heinz RühmannRühmann, Heinz gehören zu den Dauerbrennern im deutschen Fernsehen. Radikaler verfahren die 32 Edgar-WallaceWallace, Edgar-Verfilmungen der Rialto-Film aus den Jahren 1959-72, die Horst WendlandtWendlandt, Horst produzierte; bei 14 Filmen führte Alfred VohrerVohrer, Alfred Regie. In 13 Filmen spielte Joachim FuchsbergerFuchsberger, Joachim den Ermittler, viele bekannte Schauspieler*innen der Zeit sind in unterschiedlichsten Rollen vertreten. In 16 Filmen spielte Klaus KinskiKinski, Klaus einen Bösewicht. Die Wallace-Verfilmungen sind (anders als die Romanvorlagen) zugleich Kriminalfilme und Kriminalkomödien. Der eigene Stil entsteht durch selbst-parodistische Elemente, die durchaus fiktionsdurchbrechend sein können, etwa wenn Figuren das Geschehen kommentieren oder sich sogar an das Publikum wenden.
Wie mit Zuschauererwartungen gespielt wird, lässt sich beispielsweise an Das indische TuchDas indische Tuch (1963, Regie Alfred VohrerVohrer, Alfred) kurz zeigen. Der Film basiert auf dem bekannten Muster des ‚locked room mystery‘. Mit Heinz DracheDrache, Heinz als Anwalt und Ermittler, Elisabeth FlickenschildtFlickenschildt, Elisabeth und vielen anderen bekannten Schauspieler*innen der Zeit ist er exzellent besetzt. Anders als gedacht entpuppt sich nicht der drogenabhängige Peter Ross (Klaus KinskiKinski, Klaus) als der gesuchte Serienmörder, der auf einem von der Außenwelt abgeschnittenen Schloss nach und nach eine ganze Adelsfamilie auslöscht, sondern der sympathische junge Lord Edward (Hans ClarinClarin, Hans). Zum Schluss wird testamentarisch verfügt, dass das Erbe der Familie an Edgar WallaceWallace, Edgar fällt, und die leeren Stühle um den Familientisch verbeugen sich.
Die Edgar-Wallace-Verfilmungen wirkten selbst genrebildend, als Parodien der bereits (selbst-)parodistischen Filme waren Der WixxerDer Wixxer (2005, Regie Tobi BaumannBaumann, Tobi) und Neues vom WixxerNeues vom Wixxer (2007, Regie Cyrill BossBoss, Cyrill und Philipp StennertStennert, Philipp) an den Kinokassen erfolgreich. Oliver KalkofeKalkofe, Oliver, Bastian PastewkaPastewka, Bastian und Oliver WelkeWelke, Oliver schrieben die Drehbücher, Kalkofe und Pastewka spielten Hauptrollen, auch der aus den früheren Wallace-Filmen bekannte Joachim FuchsbergerFuchsberger, Joachim war im zweiten Film vertreten. Der Titel spielt parodistisch auf Der HexerDer Hexer an, in der Alfred-VohrerVohrer, Alfred-Verfilmung von 1964 war Fuchsberger der Ermittler.
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