Oma Katharina ist in dieser geheimen Organisation eine große Nummer. Sie steht als Leiterin des Zentrums weit über Rochen, und der ist selbst eine „große Nummer“.
Conni hält sich an die Anweisung und sie trainiert Elvira. Es ergibt sich einfach so, dass sie Elvira für geheime Operationen einbezieht. Elvira weiß nicht einmal etwas davon. Conni schickt Elvira zum Beobachten. Dann wird Elvira durch andere abgelöst, Elvira berichtet über Kontakte. Sie beschreibt Personen und Gesichter.
Elvira ist nicht blöd. Niemand hat ihr gesagt, was sie da tut, aber sie weiß, dass sie Teil einer geheimen Operation geworden ist. Es dient ihrer Sicherheit, wenn sie nichts weiß. Sie hätte nichts ausplaudern können. Conni ist ihr einziger Kontakt. Sie kennt die anderen Mitglieder dieser Organisation nicht einmal.
Langsam wächst Elvira in diese Organisation hinein. Irgendwann spricht sie mit Rochen. „Du weist, dass ich als Enkelin von Leon über ein paar Fähigkeiten verfüge, die dir zum Beispiel fehlen?“
Rochen nickt. „Klar. Willst du uns ein wenig mehr helfen?“ So kommt es, dass Elvira anfängt, sich in Vögel oder Insekten zu verwandeln. Sie kann das gut. Das sind Dinge, die ihr Tante Lara schon früh gezeigt hatte. Sie verfolgt jetzt solche „Opfer“ über längere Strecken. Sie merkt sich Gesichter und Kontaktpersonen und sie erstattet Bericht.
Irgendwann wird sie von Lara an der Hand genommen. „Komm mal mit.“ Sie stehen plötzlich in einem Raum, in dem es nur einen Tisch und mehrere Stühle gibt, auf denen mehrere Menschen sitzen. Sie erkennt Rochen und Conni. Dann ist da ein alter Mann, den sie noch nicht kennt. Er wird Roy genannt. Auf dem Tisch liegen mehrere Pakete. „Du musst nicht wissen, wie die Freunde hier heißen“, meint Lara, aber du sollst wissen, warum du in den letzten Wochen beobachtet hast. Der alte Mann (den Elvira nicht kennt) schlägt das Papier von einem der Pakete zurück und er zieht die Reißverschlüsse der Taschen auf und schüttet den Inhalt auf den Tisch. Elvira staunt. Das sind Tausende von Euros. Dann gibt es da noch diese Pakete in Zellophan, mit einem weißen Pulver.
„Heroin“, sagt Lara. „Was du hier siehst, das sind acht Kilo reines Heroin, und das hier“, sie zeigt auf die Geldscheine, „das sind über zehn Millionen Euro. Da muss man lange für arbeiten. Das ist die Ausbeute der Beobachtungen der letzten Monate. Das konnten wir heute Nacht abgreifen, dank deiner Mithilfe.“ Sie nimmt ein Bündel Scheine und drückt sie Elvira in die Hand. „Schau es dir genau an. Das ist schmutziges Geld. Dafür sind Menschen gestorben. Und das hier...", sie gibt Elvira eines der Pakete mit dem Pulver in die Hand. „Das hier ist der Tod, den du gerade in den Händen hältst. Sieh ihn genau an. Du sollst wissen, dass du vielen Menschen das Leben gerettet hast.“
Elvira lässt das staunend über sich ergehen. „Ich???“ Sie schweigt einen Moment betroffen. „Und was macht ihr jetzt mit diesem weissen Pulver?“
„Klo“, sagt der alte Mann. „Das spülen wir ins Klo. Wir wollen nicht, dass dieses Pulver jemals noch ein Leben zerstört. Jetzt weißt du, was du in den letzten Wochen getan hast.“ Er steht auf und reicht Elvira die Hand. „Danke. Du hast uns sehr geholfen.“
Elvira sieht Lara an. „Und das Geld? Das sind doch riesige Mengen. Was machen wir damit?“
Lara lächelt. „Die Kids im Tunnel brauchen Monatskarten. Sie brauchen medizinische Versorgung. Die Suppenküchen in Berlin und die Kleiderläden des Roten Kreuzes brauchen unsere Unterstützung. Wir haben ein paar geheime Wohnungen und wir haben Unkosten. Die Rechtsanwälte müssen bezahlt werden, die eingreifen, wenn mal eins der Kids aufgegriffen wird. Viele junge Musiker und Tänzer im Zentrum erhalten von uns ihre Ausbildungskosten und ihre Wohnungen finanziert. Keine Sorge. Das Geld wird gut angelegt.“
„Sind wir hier fertig“, fragt Lara und der alte Mann nickt. Lara nimmt Elvira an der Hand und springt mit ihr zurück in Omas Wohnung. „Jetzt hast auch du ein Geheimnis“, sagt sie, und hält den Finger an den Mund. „Whow“, sagt Elvira.
Elvira ist im Alter, wo sie einen Busen bekommt. Sie ist gewachsen. Sie hat Hüften und eine richtige Taille bekommen. Sie hat jetzt Haare zwischen den Beinen und ihre Monatsblutung hatte bereits eingesetzt. Das ganze Wesen hat sich verändert, aber Elvira ist fest eingebunden in ein Netz aus Freunden. Es ist schwer, aus diesem Netz zu fallen.
Tatsächlich schielt Elvira seit dieser Zeit auf Jungen. Sie betrachtet die Jungs jetzt anders. Sie nimmt ganz andere Schwingungen wahr. Erregungen, Sehnsüchte. Hoffnungen, Angst und Aggression. Elvira staunt.
Sie weiß durch die regelmäßigen Treffen mit den Geschwistern, dass Irina jetzt einen festen Freund hat. Er heißt Paolo und ist Spanier. Er geht mit Irina in dieselbe Schule und sie schlafen miteinander. Wenn Elvira sich konzentriert, dann kann sie solche Schwingungen sogar spüren. Es sind ganz besondere Schwingungen. Erregung, Lust, Vertrauen.
Elvira war am Anfang verblüfft, dann versuchte sie dieses Phänomen zu erfassen. Sie konzentrierte sich, und sie spürte dieses Gefühl nun auch bei anderen Personen. Sie spürte, dass Ihre Freunde Emmi und Louis miteinander schlafen. Sie spürte es, wenn Opa Leon und Oma Katharina miteinander schlafen, und wenn sie sich konzentriert, dann kann sie in der Gruppe von Menschen, in der sie steht auch spüren, ob es solche Kontakte zwischen den einzelnen Personen gibt.
Es ist ein Phänomen. Sie erzählt Lara davon und Lara meint. „Du spürst etwas, was viele in unserer Familie spüren, aber so ausgeprägt, wie bei dir habe ich das noch selten erlebt. Chénoa kann das. Die beiden Ramons können das und noch ein paar andere. Rede mit ihnen, wenn du sie das nächste Mal triffst.
Elvira tut, was Lara ihr geraten hat, und Ramon (der Sohn von Tante Clara) hört ihr gut zu. „Du bildest da gerade eine besondere Fähigkeit aus“, meint er. Lass uns das ein wenig trainieren. Setze dich dann wieder mit Lara in Verbindung. Suche die Geigerin Conny auf und rede mit Pablo und Maria Anethé. Sie können dir eine neue Welt aufschließen.“
Also redet Elvira wieder mit Lara und Lara nickt. Sie nimmt Elvira in eins der nächsten Konzerte von Tante Conny mit. Das ist in London. Lara steht mit Elvira hinter der Bühne. Es gibt einen kleinen Schlitz, so dass sie das Publikum sehen können. Conny spielt auf ihrer Geige, begleitet von der Londoner Philharmonie. Lara fasst jetzt nach Elviras Hand und sie beginnt zu summen.
Solche Schwingungen hat Elvira in ihrem Leben noch nicht vernommen. Sie sieht, wie wahre Wellen von Energie in den großen Saal fließen. Sie sieht, dass Lara diese Energie mit Botschaften versetzt. Sie sieht, wie die Zuhörer ihre Sinne öffnen und diese Botschaften aufnehmen. Sie sieht das Glück und die Bereitschaft, etwas Neues bewegen zu wollen. Elvira steht die ganze Zeit neben Lara. Sie hört zu. Sie sieht diese Bündel von Energie. Sie staunt.
Am selben Abend fahren sie ins Hotel. Elvira sieht Lara an und fragt wortlos, „und das war jetzt erlaubt?“ Lara gibt ihr ein Zeichen zu warten. Später liegen sie gemeinsam in dem großen Bett des Doppelzimmers und Lara erklärt. „Wir machen das schon lange. Chénoa, ich, Pablo und Maria. Jeder auf seine Weise. Ja, das hat nichts mit persönlicher Bereicherung zu tun. Wir beeinflussen die Menschen. Wir versuchen ihnen Botschaften zu schicken. Du hast gespürt, was ich ihnen gesagt habe?“
„Nicht ganz“, sagt Elvira, und Lara erklärt. „Die Welt ist in Unordnung. Ich benutze diese Plattform, um Menschen mit neuen Gedanken zu infizieren. Wir wollen, dass die Meere sauberer werden. Wir wollen, dass die Gewalt zwischen den Menschen schwindet. Wir wollen, dass die Tiere mehr geachtet werden, und wir wollen einige politische Ziele verwirklichen. Vieles wird dir noch nichts sagen. Willst du mehr wissen?“
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