2
Das an hoheitliches Handeln anknüpfende Recht der öffentlichen Ersatzleistungensteht in engem Zusammenhang mit dem Rechtsschutz gegen öffentlich-rechtliches Handeln. Handeln Hoheitsträger auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts und führt dieses Handeln dazu, dass Rechtsgüter der Bürger beeinträchtigt werden, so garantiert ihnen das Grundgesetz gerichtlichen Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG). Diese Garantie eröffnet dem Bürger die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des beeinträchtigenden Handelns überprüfen zu lassen (primärer Rechtsschutz). Dieser Rechtsschutz steht jedoch nicht alleine. Er wird flankiert durch das Recht der öffentlichen Ersatzleistungen, das zusätzlich zu einer gerichtlichen Überprüfung die Möglichkeit einräumt, Ersatz für die erfolgte Beeinträchtigung der Rechtsgüter zu fordern (sekundärer Rechtsschutz).
3
Das Recht der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen ist in wesentlichem Maße richterrechtlichgeprägt. Nur in fragmentarischer Weise sind die Anspruchsgrundlagen kodifiziert. Grund und Umfang von Ansprüchen, einzelne Regeln oder dogmatische Figuren des Ersatzleistungsrechts wurden sehr oft aus gerichtlichen Einzelfallentscheidungen heraus entwickelt. Sie sind meist Ergebnis einer richterlichen Abwägung, die zwischen zwei Polen pendelt: Auf der einen Seite steht ein auf Billigkeitserwägungen beruhendes und meist auf die Umstände des Einzelfalles abstellendes Haftungsbedürfnis, auf der anderen Seite die Betrachtung der finanziellen Folgen, die bei der Zuerkennung eines Anspruchs für die öffentlichen Haushalte eintreten würden.
4
Diese richterrechtliche Prägung wird oft als unbefriedigend empfunden. Doch nur einmal hat diese Unzufriedenheit zu dem Versuch geführt, das Recht der öffentlichen Ersatzleistung in Gestalt eines Staatshaftungsgesetzes umfassend zu kodifizieren. Das Bundesverfassungsgericht erklärte aber das damals geschaffene Gesetz aus kompetenzrechtlichen Gründen für verfassungswidrig. Da neue Kodifizierungsversuche nicht zu erwarten sind, wird man sich auch in Zukunft mit der richterrechtlichen Prägung dieses Rechtsgebietes abfinden müssen – einer Prägung, die lediglich in einigen Bundesländern (Berlin, Brandenburg, Thüringen) eine gewisse Relativierung erfährt, da dort noch Teile des Staatshaftungsgesetzes der DDR weitergelten.
5
Aufgrund der richterrechtlichen Prägung sperrt sich dieses Rechtsgebiet gegen Systematisierungsversuche.[1] Gleichwohl soll die disparate Materie hier anhand der folgenden Fragen und Kriterien geordnet werden:
1. |
Gegen wenrichtet sich der Anspruch, gegen einen nationalen ( Rn 11 ff), ausländischen (Rn 576 ff), supranationalen ( Rn 604 ff) oder internationalen ( Rn 625 ff) Hoheitsträger? |
2. |
Kann die Ersatzleistung nur bei Eingriffenin spezifische Rechtsgütergeltend gemacht werden (Rn 333 ff) oderkommt es auf die Art des Rechtsgutes gar nicht an, dh ist der Ersatzanspruch rechtsgüterindifferent( Rn 11 ff)? |
3. |
In welchem Verhältnisstehen die Ersatzleistungsansprüchezueinander? Schließen sie sich aus oder können sie nebeneinander geltend gemacht werden (Rn 554 ff)? |
[1]
Zur Problematik der Systembildung im Staatshaftungsrecht vgl etwa Sauer , JuS 2012, 695, 695 f; Ossenbühl/Cornils , Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., 2013, S. 2 ff.
Teil II Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen und zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen
6
Das Recht der öffentlichen Ersatzleistungenknüpft an die Folgen hoheitlichen Handelnsan. Es zielt auf die Verantwortlichkeit des Staates, anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts oder sonstiger Hoheitsträger für die Beeinträchtigung von Rechtsgütern infolge der Ausübung öffentlicher Gewalt. Wegen dieser Anknüpfung an hoheitliches Handeln wird das Recht der öffentlichen Ersatzleistungen auch nicht dem Privatrecht, sondern dem öffentlichen Rechtzugeordnet[1].
7
Handeln Hoheitsträgerdagegen privatrechtlichund führt dieses Handeln zu einer Beeinträchtigung von Rechtsgütern, so können Ersatzleistungsansprücheprinzipiell nur auf zivilrechtliche Grundlagengestützt werden. Dies ist etwa der Fall bei der Beschaffung von Sachgütern (zB dem Erwerb eines Grundstücks, der Errichtung eines Verwaltungsgebäudes oder dem Kauf von Büromaterialien), der Einstellung von Personal (Arbeiter und Angestellte), der Betätigung als Wirtschaftsunternehmen (zB kommunale Wohnungsvermittlung, städtische Spielbanken, Landesbanken) oder der Erfüllung öffentlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge in den Formen des Privatrechts (zB Wasser- oder Stromversorgung durch eine Aktiengesellschaft, deren Anteile mehrheitlich von einer Kommune gehalten werden).
8
Die damit nötige Abgrenzungzwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln lässt sich in vielen Fällen nicht mit Eindeutigkeit vornehmen. Zwar gibt es zahlreiche Abgrenzungstheorien. Diese Theorien lassen aber bei ihrer Anwendung häufig noch beträchtliche Reste an Zweifel und Unsicherheit zurück[2].
9
Ein weiterer Punkt kommt hinzu: Selbst dann, wenn das Handeln eines Hoheitsträgers als privatrechtliches Handeln zu qualifizieren sein sollte, kann in Ausnahmefällen dennoch eine öffentlich-rechtliche Ersatzleistung in Betracht kommen[3]. Auf diese Problematik wird bei den einzelnen Ersatzleistungsansprüchen eingegangen.
10
Festzuhalten bleibt:
1. |
Das Recht der öffentlichen Ersatzleistungen setzt eine Rechtsgutsbeeinträchtigung durch hoheitliches (öffentlich-rechtliches Handeln) voraus. |
2. |
Handeln Hoheitsträger privatrechtlich, so kommen grundsätzlich nur zivilrechtliche Ersatzansprüche in Betracht. |
3. |
Die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem und privat-rechtlichem Handeln gelingt in manchen Fällen nicht mit wünschenswerter Klarheit und Eindeutigkeit. Man wird dann Analogien zu Fällen bilden müssen, die von der Rechtsprechung schon entschieden wurden. |
[1]
BVerfGE 61, 149, 176 – Staatshaftungsgesetz.
[2]
Dazu ausführlicher etwa: Maurer , Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl., 2017, § 3 Rn 10 ff.
[3]
Liegt etwa ein verwaltungsprivatrechtliches Handeln des Staates vor (dazu etwa Maurer , Allgemeines Verwaltungsrecht, 19. Aufl., 2017, § 3, Rn 16, § 17), hat er dabei aber eine Monopolstellung inne, so besteht die Möglichkeit eines öffentlich-rechtlichen Amtshaftungsanspruchs – vgl dazu OLG Nürnberg NJW 1994, 2032 – Postdienst.
Teil III Ersatzansprüche gegen inländische Personen des öffentlichen Rechts
Inhaltsverzeichnis
§ 1 Rechtsgüterindifferente Ersatzleistungsansprüche
§ 2 Rechtsgüterspezifische Ersatzleistungsansprüche
§ 3 Anspruchskonkurrenzen
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