»Seht, wie sich der Verlierer davonschleicht!«
Ren und Itsuki zuckten bloß schweigend mit den Schultern: Motoyasu musste gerade reden.
Ja, da hob sich augenblicklich meine Stimmung, wenn nicht alle immer nach seiner Pfeife tanzten!
Sowohl Ren als auch Itsuki schienen Zweifel an Motoyasu zu hegen. Dennoch machten sie weiterhin gute Miene zum bösen Spiel – unverzeihlich!
»Und jetzt lass uns zum Zelt des Sklavenhändlers gehen, damit er mir ein neues Sklavensiegel aufspricht.«
»Bitte?«
Wir verließen gerade das Schloss, als Raphtalia sich mit diesen Worten zu mir umdrehte.
»Sonst wirst du mir nie voll und ganz vertrauen können, Herr Naofumi.«
»Nicht doch … Das Sklavensiegel brauchen wir nicht mehr!«
»Doch, doch.«
»Hm …«
»Du bist jemand, der nur jemandem vertraut, der an dich gebunden ist. Versuch gar nicht erst, es abzustreiten.«
Vielleicht hatte ich bei ihrer Erziehung etwas falsch gemacht. Sie lag mit ihren Worten zwar nicht vollkommen falsch, aber Raphtalia … Ihr könnte ich auch ohne dieses Siegel vertrauen. Wenn sie nur an sich selbst denken würde, hätte sie direkt nach dem Duell zu Motoyasu überlaufen können. Bei mir zu sein brachte ihr nicht wirklich Vorteile, so wie mich hier alle hassten.
»Hör zu, Raphtalia.«
»Was denn?«
»Wollen wir das mit dem Fluch nicht einfach bleiben lassen?«
»Nein, ich will es so.«
Warum war sie nur so fixiert darauf?
»So erhalte nämlich auch ich den Beweis dafür, dass du mir vertraust.«
Als ich das hörte, merkte ich instinktiv, wie sehr ich sie beschützen wollte.
Gefühle stiegen in mir auf … War das Liebe? Doch etwas hielt mich zurück.
Äußerlich mochte sie erwachsen wirken, aber es war noch nicht lange her, da hatte sie noch wie ein Kind ausgesehen. Eine Besonderheit der Subhumanoiden war: Stieg ihr Level in jungen Jahren schnell an, wuchsen sie schneller, als es ihrem Alter entsprach.
Raphtalia hatte bei der ersten Welle ihre Eltern verloren. Ich denke, bei meinen Gefühlen handelte es sich daher um Elternliebe.
Ja, das mussten elterliche Gefühle sein. Ich musste ein guter Ersatz für ihren Verlust werden.
»Na dann, lass uns losziehen!«
Nach ihren entschlossenen Worten hatte ich keine Argumente mehr, sie aufzuhalten. Ich würde sie gewähren lassen.
Und so gingen wir zu jenem Zelt, in dem mit Sklaven gehandelt wurde.
*Nerd, extremer Fan
**Virtual Reality Massively Multiplayer Online
Kapitel 1: Die Monsterei-Lotterie
»Wenn das mal nicht der werte Held ist! Was kann ich heute für Euch tun?«
Der Sklavenhändler in seinem feinen Anzug hieß uns mit weit ausladender Geste willkommen.
»Huch?«
Bewunderung lag in seiner Stimme, als er Raphtalia sah.
»Eine erstaunliche Verwandlung«, sagte er, warf mir einen Blick zu und ließ dabei deprimiert die Schultern sinken. »Wer hätte geahnt, dass sie zu einer solchen Schönheit heranwachsen würde?«
Damals hatten mir alle misstraut. Ich hatte zwar etwas Geld besessen, aber ich war in Not gewesen, weil ich über keinerlei Angriffskraft verfügte. In dieser Situation hatte er mich angesprochen und mir angeboten, mir einen Sklaven zu verkaufen.
Er war ein dicklicher Gentleman mittleren Alters und der Inbegriff von dubios.
Irgendwas in meinem Blick hatte ihm wohl zugesagt, sodass er mir auf seine Art etwas Gutes tun wollte. So war ich zu Raphtalia gekommen.
»Was willst du mir damit sagen?«
»Ich hatte gedacht, Ihr wärt mir ähnlicher. Da habe ich mich wohl getäuscht.«
Was meinte er? Aber ich würde ihn nicht danach fragen.
Wenn er sich geringschätzig verhielt, könnte das negative Folgen für unsere Geschäftsbeziehung nach sich ziehen. Ja, so etwas in der Art sollte ich wohl erwähnen.
»Es geht nicht darum, die Sklaven allein am Leben zu erhalten«, entgegnete ich mit bedrohlicher Stimme. »Es geht darum, ihre Qualität zu steigern. Du vertrittst wohl die Ansicht, Sklaven seien nur zum Benutzen und Wegwerfen da?«
»H… Herr Naofumi?« Raphtalia blickte besorgt zu mir hoch.
Ich hatte ebenfalls das Gefühl, dass ich mich ein wenig hinreißen ließ, aber ein bisschen mehr als beim letzten Mal konnte ich mir schon herausnehmen.
»Hi hi hi!« Der Kerl grinste, als gefiele ihm meine Antwort. »So ist das also? Mir läuft es kalt den Rücken runter!«
»Nun, dann wollen wir Eure Sklavin mal schätzen … So ein hübsches Ding ist sie geworden, und ganz unschuldig ist sie ja bestimmt auch nicht mehr … Wie wäre es mit 20 Goldmünzen?«
»Wer redet hier denn bitte davon, dass ich verkauft werden soll?! Außerdem bin ich noch Jungfrau!«
Der Sklavenhändler stieß erstaunt die Luft aus.
»Was höre ich da?! Na, dann machen wir 35 Goldmünzen draus. Ob ich wohl überprüfen dürfte, dass sie wirklich noch unberührt ist?«
»Herr Naofumi!«
35 Goldmünzen?
»Herr Naofumi?! Hey, jetzt sag doch bitte was!«
35 Goldmünzen? Für die Summe könnte ich locker den Level-75-Wolfsmann kaufen!
Als sie mich so gedankenverloren sah, machte sie ein furchterregendes Gesicht und packte mich fest an den Schultern.
»Herr Naofumi … Wenn du mit dem Unsinn nicht aufhörst, werde ich wirklich böse!«
»Was ist los? Was guckst du denn so?«
»Ich werde hier geschätzt, und du lässt das einfach so stehen?«
»Wenn ich mich nicht unbeeindruckt gebe, werde ich nicht ernst genommen.«
Ich hatte keine Wahl, ich musste ihrer Frage ausweichen. Sie durfte nicht erfahren, was mir gerade durch den Kopf gegangen war. Ich würde ohnehin nicht das Mädchen verkaufen, das mir als Einziges auf dieser Welt vertraute.
Aber …
»35 Goldmünzen …«, murmelte ich.
Da verstärkte Raphtalia ihren Griff.
»Au! Au!«
Raphtalias Stärke … Konnte sie damit bereits meine Verteidigungskraft überwinden? Das würde beim Kämpfen noch sehr nützlich werden.
»Dir wär’s wohl egal, wenn ich auf der Stelle wegliefe?«
»Ich mach bloß Witze. Ich habe mich eben gefreut, dass du so hoch geschätzt wirst!«
»A… Also … Herr Naofumi!«
Raphtalia wurde plötzlich ganz still und verlegen.
»Nun, Sklavenhändler, so viel steht fest: Ich werde Raphtalia nicht verkaufen. Wie könnte ich, sie ist für mich wie eine Tochter.«
»Tochter?«
»Mach dir keine Gedanken. Lass mich nur reden.«
»Wa…?«
Ich konnte mich noch so sehr wie ein Vater verhalten, ihre leiblichen Eltern konnte niemand auf der Welt ersetzen. Und ihr gefiel es sicher nicht, wenn ich plötzlich anfing, es zu versuchen.
»Verstehe … Sehr bedauerlich! Nun, was kann ich stattdessen für Euch tun?«
»Ah, sind die Gerüchte über mich zu dir vorgedrungen? Bezüglich des Tumults im Schloss?«
Da feixte der Sklavenhändler wieder. »Sie sind mir zu Ohren gekommen. Das Siegel wurde aufgehoben, nicht wahr?«
»Das hat ja schnell die Runde gemacht … Aber wenn du eh bereits wusstest, weswegen ich hergekommen bin, was schätzt du erst lange rum?«
Beinahe hätte ich es mir wegen nichts mit Raphtalia verscherzt.
»Nur weil der König leichtfertig daherredet, wird doch nicht gleich die Sklaverei in diesem Land abgeschafft. Nicht doch, nicht doch.«
Am Vorabend hatte der verdammte König sich mal wieder die Gesetze seines Reichs zurechtgebogen und mir meine Sklavin Raphtalia für eine Weile entrissen. Letztendlich steckte nur wieder Motoyasus Eigensinn dahinter.
»Hm? Die Adligen werden doch wohl keine Sklaven kaufen?«
Читать дальше