»Aber warum hat Herr Naofumi keinen solchen Auftrag erhalten? Ich höre zum ersten Mal davon!«
»Pah, was kann der Schild schon ausrichten?!«
Sei still, du dreckiger …!
Im Thronsaal brach verhaltenes Gelächter aus.
Ach, Mist! Ich halte das nicht mehr aus und ihr geht es sicher genauso.
»…«
Doch entgegen meiner Erwartung hörte ich nur das Knacken ihrer Fingerknöchel, während sie ihre Fäuste ballte. Als ich zu ihr hinüberblickte, erkannte ich, dass sie so versuchte, ihren aufkommenden Zorn zu bekämpfen. Wortlos stand sie da und zitterte.
Ja. Sie scheint es zu unterdrücken.
Die anderen drei Helden fingen an, über mich herzuziehen.
»Na, er hat ja auch wirklich überhaupt nichts geleistet.«
»Stimmt, oder? Bei der Welle war nichts von ihm zu sehen. Was hat er eigentlich gemacht?«
»So unfähig zu sein, ist eine Schande für die ganze Heldengruppe.«
Ich kochte vor Wut. Sollte ich nicht wenigstens eine sarkastische Erwiderung von mir geben?
»Die Dorfbewohner sich alleine zu überlassen und sich nur auf den Endgegner zu fokussieren … Da habt ihr wirklich Großes geleistet, ihr seid wahrhaftige Helden!«
Ja, die Typen hatten während der Welle ihr Augenmerk einzig auf den Boss gerichtet. All den Menschen, die unmittelbar den tödlichen Angriffen ausgeliefert gewesen waren, hatten sie keinerlei Beachtung geschenkt. So war es Raphtalia und mir zugefallen, die Dorfbewohner zu retten.
»Ha! So was ist die Aufgabe der Ritter.«
»Leider gehören die jedoch der Schneckenfraktion an. Hätten wir uns auf deren Hilfe verlassen, hätte es viele Tote gegeben … Aber das verstehen Endgegner fokussierte Typen wie ihr wohl nicht.«
Motoyasu, Ren und Itsuki drehten sich zum Anführer der Ritter um. Der nickte mit wutverzerrtem Gesicht.
»Es ist vollkommen richtig, dass die Helden sich um die Bekämpfung der Monster direkt am Ursprung kümmern, sonst entsteht nur noch größerer Schaden. Also bildet Euch bloß nichts ein!«
Du Sack … Ausgerechnet du sagst das?
Hier im Schloss spielte er sich groß auf, aber mehr steckte nicht dahinter. So ein Wichtigtuer! Und überhaupt, auch ich gehörte zu den Helden. Was hatte der Schild seiner Ansicht nach sonst für eine Bedeutung?
»Wie auch immer. Wir haben noch allerhand Verpflichtungen, daher empfehlen wir uns.«
Es hatte keinen Sinn, sich hier aufzuregen. Es war wohl das Beste, wenn wir uns einfach verzogen.
»Halt, Schild!«
»Ach? Was gibt’s denn noch? Ich habe nicht die Zeit, wie ein Möchtegernkönig den ganzen Tag im Schloss auf der faulen Haut zu liegen.«
»Du bist eine herbe Enttäuschung. Geh mir bloß aus den Augen! Und lass dich hier nicht noch einmal blicken.«
Wa…?! Dieses Arschloch strapazierte meine Nerven enorm!
»Da haben wir aber Glück, Herr Naofumi«, während Raphtalia ihre Worte formulierte, strahlte sie übers ganze Gesicht.
»Was?«
»Wir müssen nicht mehr herkommen und hier sinnlos unsere Zeit verschwenden. So können wir uns wichtigeren Dingen widmen!«
»Hm … Hast recht.«
Ich hatte das Gefühl, dass ich mich immer mehr auf Raphtalia verlassen konnte.
Sie drückte fest meine Hand. Bestimmt war sie auch wütend. Allein wäre es nicht auszuhalten gewesen, aber gemeinsam, das spürte ich, würden wir diese Herausforderung meistern.
»Einen Moment bitte«, rief Itsuki dem Drecksack zu.
»Was gibt es, Held des Bogens?«
Was sollte das jetzt? Der hatte doch sicher eh nichts Vernünftiges beizutragen.
»Es geht um das Unrecht, das Naofumi gestern widerfahren ist«, sagte er. »Wie denkt Ihr über diese Angelegenheit?«
Sofort verfinsterte sich die Atmosphäre im Saal.
»Worauf möchtest du hinaus?«
»Bei dem Heldenduell um Raphtalia gab es einen Regelverstoß, aber trotzdem wurde ihr … Wie hieß das noch mal …? Ah, das Sklavensiegel entfernt. Und nun soll Naofumi dafür die Rechnung tragen?«
Was war hier los? Itsukis Blick war ungewöhnlich stechend. Er schien den König ernsthaft ins Verhör nehmen zu wollen.
»Stimmt, das habe ich auch gesehen. Den Regeln nach zu urteilen, hatte Naofumi Motoyasu besiegt.«
»Hey, ich habe nicht verloren!«, protestierte Motoyasu, aber Ren und Itsuki sahen ihn nur kühl an.
»Bitte bedenkt, dass von Eurer Antwort abhängt, ob wir die Geschehnisse zuvor ebenfalls hinterfragen sollten: Wie viel Wahrheit steckt wirklich hinter dem Vorwurf bezüglich des Sexualdelikts?«
»Ah … Nun …«, stammelnd wich der König Itsukis Blick aus.
»Ihr irrt euch, werte Helden Itsuki und Ren, das war ganz anders«, ertönte ein weibliche Stimme im Saal. Die Besitzerin trug protzigen Schmuck, dickes Make-up, und ihre zweifelhaften Absichten standen ihr ins Gesicht geschrieben.
Genau, sie war die Wurzel allen Übels! Sie hatte mich in Verruf gebracht. Dieses Miststück war das Letzte!
Main Suphia. Eigentlich hieß sie wohl Malty, aber was kümmerte mich ihr Name?
Ihr Charakter war so mies wie ihr Haar rot. Niederträchtig durch und durch, allein ihr Äußeres war schön.
Von den Abenteurern, die das Reich versammelt hatte, hatte einzig sie sich mir als Gefährtin anschließen wollen. Doch dann hatte sie mir all mein Geld geklaut, war zu Motoyasu gelaufen und hatte mich als Vergewaltiger hingestellt. So ein abscheuliches Wesen besaß sie.
Mittlerweile hatte ich das Bedürfnis, diese Teufelin, der ich nur noch mit Verachtung entgegentreten konnte, ausnahmslos Bitch zu nennen.
Zu allem Überfluss war sie auch noch die Prinzessin dieses Reichs.
In jenem Buch, dem Traktat der Waffen der vier Heiligen, dessentwegen ich in diese fremde Welt gerufen worden war, war auch eine Prinzessin vorgekommen, die sich wie eine Schlampe verhielt. Ich hatte den Verdacht, dass es sich um ebendiese handelte.
»Der Held des Schildes hatte bei dem Duell, Mann gegen Mann, unter seinem Umhang Monster versteckt. Darum hat mein Vater, der König dieses Landes, so geurteilt, wie er es verkündet hat.«
Was redete sie für einen Blödsinn? Mann gegen Mann hatte ich kämpfen sollen, obwohl ich keinerlei Möglichkeit zum Angreifen besaß. So etwas konnte man kaum als ein faires Duell bezeichnen, eher als dreckige Schikane. Und genau darum hatten sie mich ja auch dazu gezwungen.
Itsuki und Ren wirkten nicht überzeugt.
»Ich verstehe den Gedanken, aber …«
»Dem kann man so unmöglich zustimmen!«
Diese Bitch bastelte sich nur irgendwelche Ausreden zurecht. Da zeigte sich die pure Verschlagenheit!
»Es war trotzdem ein Regelverstoß, dass du hinterrücks Magie auf ihn abgefeuert hast.«
»Gut, er hat vielleicht nichts geleistet, aber offenbar hat er ja auch gar keine Aufträge von der Gilde bekommen. Eine minimale Unterstützung steht ihm doch wohl zu, oder? Und es entspricht auch den Tatsachen, dass er anstelle der Ritter das Dorf verteidigt hat, oder etwa nicht?«
Main schnalzte leise mit der Zunge.
Wie schändlich zu versuchen, die Sache vertuschen zu wollen. Sie hatte es hier mit Helden zu tun und hätte wissen müssen, dass die bei so einer Angelegenheit nicht schweigen würden.
Wie die Dinge standen, sprach die Beweislage zu meinen Gunsten. Zudem hatte es zum Zeitpunkt der falschen Beschuldigung keine weiteren Zeugen gegeben.
»Alsdann. Du sollst einen Minimalsold erhalten. Nimm ihn lieber an.«
Auf Geheiß des Königs wurde mir mein Beutel überreicht.
»Und nun lasst uns bitte gehen, Eure Majestät«, sagte Raphtalia. »Und den werten Helden möchte ich für ihr aufrichtiges Urteil danken!« Leichten Schrittes ging sie mir voraus aus dem Thronsaal.
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