Würde Raphtalia verletzt, wäre das ihren toten Eltern gegenüber unverzeihlich. Ich war doch nun für sie verantwortlich.
Das Monster schwenkte jetzt auf mich um und stieß mit seiner Zunge nach mir.
Jawoll! Ich packte die Zunge. Meine Handgelenke knackten.
»Jetzt!«
»Verstanden!«
Als wollte sie sagen: ›Da, ich hab gewartet‹, blitzten ihre Augen auf, und sie schlug mit dem Schwert nach dem Frosch.
Der segnete ohne Weiteres das Zeitliche und wir bekamen unsere Erfahrungspunkte.
Hm … Scheint ranghöher zu sein als die Stachelschweine.
»Puh …«
Raphtalia sah mich an und wirkte irgendwie unzufrieden. Da machte sich wohl ihr hoher Ehrgeiz bemerkbar. Das musste ich im Blick behalten. Gerade in solchen Momenten wurde man leicht überheblich, und dann verletzte man sich.
»Raphtalia, lass uns so vorsichtig wie möglich vorgehen.«
»Aber bis zur nächsten Welle ist doch kaum Zeit! Jedes Monster, das wir erledigen, macht uns stärker!«
»Es sind immerhin noch anderthalb Monate. Lieber geduldig bleiben, sonst übernehmen wir uns noch und können am Ende gar nicht mehr kämpfen.«
»Das stimmt schon … Ich will nur so gern stärker werden!«
Hieß das, wir waren uns erst mal einig?
Anders als die anderen Helden wusste ich nicht, wo schwache Monster zu finden waren.
»Quäääääk!«
Wa…?! Als ich mich zu dem komischen Quaken umdrehte, sah ich, wie ein weiterer Frosch auf uns zukam – nur war er diesmal violett und doppelt so groß. Und er hatte so etwas wie einen grauen Salamander im Schlepptau.
»Piep!«
Wieder ging Filo auf meinem Kopf in Gefechtsbereitschaft.
Du kämpfst nicht mit! Auf dem Kopf wäre sie mir nur im Weg, daher steckte ich sie in meine Rüstung.
»Pie…«
»Los geht’s!«
»Nein! Ich geh vor!«
»Und was, wenn du verletzt wirst, Herr Naofumi?! Hast du mich nicht gekauft, damit ich für dich kämpfe?«
»Wenn ein Gegner stark genug ist, um mich zu verwunden, dann würde er dich umso schlimmer verletzen. Und dafür habe ich dich nicht gekauft! Okay, anfangs war’s vielleicht so, aber jetzt nicht mehr … Pass bitte besser auf dich auf!«
»Herr Naofumi …«
Damit hob ich den Schild und rannte auf unsere Gegner zu: Amethyst Big Frog und Gray Salamander hießen sie. Es war mein Glück, dass die Angriffe der Monster nicht durch meine Verteidigung zu dringen vermochten – der giftig aussehende Schleim floss einfach an meinem Schild herab.
»Ha!«
»Geschafft!«
Raphtalias Schwert durchbohrte und zerteilte beide Monster, und im Nu hatten wir sie besiegt. Wahrscheinlich lag es an der neu angefertigten Waffe. Auch die Rüstung war hervorragend, besser als gedacht sogar, wofür ich dem Waffenhändler innerlich dankte.
Wir zerlegten erst einmal die Monster und ich gab sie meinem Schild.
Das Froschfleisch … wirkte ungenießbar, womöglich war es sogar giftig. Das würde ich wohl nicht verkaufen können.
»Piep!« Filo kam aus meiner Rüstung gekrochen und nahm auf dem Kadaver eine Siegespose ein.
Eigentlich hatte sie nichts dazu beigetragen, aber sie war so niedlich, daher ließ ich sie gewähren.
An dem Tag begegneten wir überraschend vielen Monstern, die wir zudem auf effiziente Weise bezwangen.
Als schließlich der Abend hereinbrach, wurde klar, dass bei Filo etwas Seltsames vor sich ging. Selbst mir fiel das auf.
Dies war das Ergebnis des Tages:
Naofumi: Level 23
Raphtalia: Level 27
Filo: Level 12
Obwohl Filo gar nicht mitgekämpft hatte, hatte auch sie Erfahrungspunkte erhalten, war aufgestiegen und hatte sich äußerlich merklich verändert.
Das war gut. Ich wusste ja bereits, dass junge Subhumanoide körperlich wuchsen, wenn ihr Level stieg. Derselben Logik folgend wurden dann wohl auch Monster schneller groß.
Allerdings … Nun …
Gerade war Filo noch ein kleines Küken gewesen und nun musste ich sie schon mit beiden Händen halten, so groß und schwer war sie geworden. Und sie hatte eine runde einem Brötchen ähnelnde Körperform bekommen. Auch ihr Federkleid hatte die Farbe gewechselt: von einem blassen Rosa zu pfirsichfarben.
Eine ihrer Federn gab ich dem Schild.
Bedingungen erfüllt für: Monster User Shield II
Monster User Shield II
Fähigkeit nicht freigeschaltet … Ausrüstungsbonus: Monsterstatusanpassung (klein)
Die Veränderung war so gravierend, dass sie selbst mir, dem Raphtalias Heranwachsen nicht aufgefallen war, nicht verborgen blieb.
»Tschilp.«
Selbst das Piepsen hatte sich verändert.
Als ich sie absetzte, weil sie mir zu schwer geworden war, watschelte sie von alleine los.
Knuuurr …
Bei diesem Geräusch, das von Filo ausging, überkam mich ein ungutes Gefühl. Wir hatten zwar vorsichtshalber reichlich Futter gekauft, aber es war bereits alle. Wir ließen Filo, die ja angeblich omnivor war, alles fressen, was sich fand, etwa das wilde Gras am Wegesrand. Doch so viel sie auch fraß, sie war einfach unersättlich … Ein Zeichen ihres raschen Wachstums.
»Ähm … Herr Naofumi …«
»Ich weiß. Monster sind schon irre, oder?«
Dass sie an einem Tag so sehr gewachsen war … Es war nur eine Frage der Zeit, bis wir auf ihr reiten konnten.
Darauf freute ich mich zwar, aber es grauste mich davor, dass sie zu einem riesigen Monster mit unreifem Geist heranwachsen könnte. Deshalb erlegte ich ihr ziemlich strenge Beschränkungen auf.
Wieder im Gasthaus, zeigte ich Filo dem Inhaber und fragte ihn, wo ich sie schlafen lassen sollte. Er führte mich daraufhin zum Pferdestall, und ich bereitete ihr aus Stroh ein Nest.
»Hm? Hier lagern ja das Fleisch und die Knochen der Chimäre!«
Es schien noch nicht verdorben zu sein. War es derart haltbar? Oder wurde es nur nicht schlecht, weil das Monster aus einer anderen Dimension stammte?
»Wir haben es aufgehängt, damit es weich wird und wir was damit anfangen können.«
»Ach so …«
In dieser Form war es wohl nicht essbar, sie mussten es erst weiterverarbeiten.
»Dann wollen wir es räuchern oder trocknen und Käufer dafür finden. Auch jetzt verkaufen wir schon was, wenn jemand was davon will.«
»Freut mich für euch.«
Es war eine recht große Chimäre gewesen, darum war noch reichlich davon übrig. So viel wie zwei Kühe vielleicht? Es war schwer zu Nahrung zu verarbeiten, aber auch zu viel, um alles für Forschungszwecke herzugeben.
»Tschilp.«
Knurr …
Hatte sie schon wieder Hunger? Wir hatten im Dorf zwar bereits zusätzliches Futter besorgt, aber auch das hatte sie in kürzester Zeit verputzt. Wie konnte in den kleinen Körper nur so viel reinpassen?
Knirsch … Knirsch Knirsch …
Hörte ich da etwa … noch immer das Geräusch von wachsenden Knochen und Fleisch?
»An einem Tag so viel zu wachsen …« Der Gastwirt blickte mich besorgt an. »Ihr müsst Euch sehr viel zugemutet haben, oder?«
»Na ja, noch ist sie erst Level 12.«
»Was? Level 12?«
Auf meine Bemerkung hin blickte er Filo erschrocken an.
»Ich hätte gedacht, dass mindestens Level 20 nötig wäre, um wenige Tage nach der Geburt schon so groß zu werden. Aber da zeigt sich eben die Macht eines Helden!«
Hm … Nun, ich hatte Entwicklungsunterstützung (klein), und es war natürlich denkbar, dass sich so der Effekt äußerte. Jedes Mal, wenn ich einen Blick in den Status warf, hatten sich die Werte wieder verändert. Ja, sie schien mitten im Wachstum zu sein.
»Tschilp!«, machte Filo fröhlich.
Wachse nur schnell, dachte ich, streichelte ihr den Kopf und als ich sie leise schnarchen hörte, ging ich mit Raphtalia wieder auf unser Zimmer. Dort büffelten wir die Schrift dieser Welt. Es war noch so viel zu tun.
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