Joseph Groben - Requiem für ein Kind

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"Erst jetzt weiß ich, was ein wirkliches Unglück ist", schrieb Karl Marx 1853 nach dem Tod seines einzigen Sohnes Edgar, einem Verlust, den er nie verwinden konnte. Dieser Sammelband dokumentiert, wie über vierzig berühmte Persönlichkeiten, Fürsten, Staatsmänner, Philosophen, Komponisten, Schriftstellerinnen und Schriftsteller, einen ähnlich traumatisierenden Schicksalsschlag wie Marx erlitten, der den Rest ihres Lebens überschattete. Wie sie mit ihrem Trauerschmerz umgingen, das gehört zu den verborgenen, aber ergreifendsten Kapiteln der europäischen Kulturgeschichte.
Mit Texten zu:
Marcus Tullius Cicero, Plutarch, Jan Kochanowski, René Descartes, Ludwig XIV., Peter der Große, Michael Haydn, André-Modeste Grétry, Johann Wolfgang Goethe, Klemens von Metternich, Alessandro Manzoni, Joseph Eichendorff, Friedrich Rückert, Alphonse de Lamartine, Victor Hugo, Hector Berlioz, Robert Schumann, Franz Liszt, Charles Dickens, Giuseppe Verdi, Theodor Storm, Karl Marx, Fjodor Dostojewski, Louis Pasteur, Bedřich Smetana, Franz Joseph I., Antonin Dvořak, Stéphane Mallarmé, Leos Janáček, Sigmund Freud, Gustav Mahler, Arthur Schnitzler, Rabindranath Tagore, Käthe Kollwitz, Else Lasker-Schüler, Hugo von Hofmannsthal, Thomas Mann, Walter Gropius, Ernst Jünger, Stefan Andres, Mascha Kaléko, Joe Biden.

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Joseph Groben

Requiem für ein Kind

Trauer und Trost berühmter Eltern

Dittrich Verlag ist ein Imprint der Velbrück GmbH WeilerswistMetternich - фото 1

© Dittrich Verlag ist ein Imprint

der Velbrück GmbH, Weilerswist-Metternich 2021

Printed in Germany

ISBN 978-3-947373-68-0

eISBN 978-3-947373-74-1

Satz: Gaja Busch, Berlin

Cover: Helmi Schwarz-Seibt, Leverkusen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.

Dieses Buch ist dem Andenken der Unzähligen gewidmet, die allzu früh dahingegangen sind und ihre Eltern in tiefer Trauer zurückgelassen haben. Einige davon haben dem Autor nahegestanden, ihr Tod hat ihn betroffen.

Conny A. 1999–2020

Carole B. 1961–1982

Johny B. 1944–1967

Marc E. 1952–1995

Anne G. 1961–1992

Françoise G. 1965–2011

André H. 1943–1961

Viviane H. 1949–1986

Romain K. 1959–1982

Charlotte K.-E. 1956–2009

Pierre L. 1972–2017

Andrée L. 1963–1995

Franck L. 1969–2019

Dany M. 1963–1991

Dominique M. 1955–1992

Fernand M. 1935–1957

Florent M.1976–1997

Roudo M. 1934–1957

Michel S. 1967–1994

Marie-Jeanne S. 1957–1994

Daniel de S. 1946–1969

Frank S. 1948–1997

Laurent V. 1991–1993

Pascal V. 1977–1993

Peggy de W. 1969–2006

Tommy W. 1966

Mariette W.-B. 1948–1995

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Marcus Tullius Cicero Ein Tempel für Tullia

Plutarch und Timoxena Trostschreiben an seine Gattin

Jan und Dorota Kochanowski »Treny für Orszola«

René Descartes und Hijlena Jans »Der größte Schmerz seines Lebens«

Ludwig XIV . »Gott straft mich, ich habe es wohlverdient«

Peter der Große und Eudoxia Alexej – Zarewitsch und Absalom

Michael und Maria Magdalena Haydn Das Requiem in c-Moll

André-Ernest-Modeste und Jeanne-Marie Grétry Jenny, Lucile, Antoinette

Johann Wolfgang Goethe »Das Außenbleiben meines Sohnes drückte mich sehr heftig und widerwärtig …«

Klemens und Eleonore von Metternich Clementine, Maria Leopoldina, Viktor

Alessandro und Enrichetta Manzoni »Epigrafi« für Giulietta, Cristina, Sofia, Matilde, Filippo und Pietro

Joseph und Luise von Eichendorff »Auf meines Kindes Tod«

Friedrich und Anna Luise Rückert »Eine unsägliche Masse von Todtenliedern …«

Alphonse und Mary-Ann de Lamartine »Gethsemani oder der Tod Julias«

Victor und Adèle Hugo Das Drama von Villequier

Hector Berlioz »Es war an mir, an mir zu sterben«

Franz Liszt und Marie d’Agoult Blandine und Daniel, die »geopferten Kinder«

Robert und Clara Schumann Kinderszenen ohne Träumerei

Charles und Catherine Dickens »Dora, unser armer kleiner Liebling«

Giuseppe und Margherita Verdi Die ausgelöschte Familie

Theodor Storm »Du, der du ihn liebtest, hast nichts weiter du zu sagen?«

Karl und Jenny Marx »Erst jetzt weiß ich, was ein wirkliches Unglück ist«

Fjodor und Anna Dostojewski Sonja und Aljoscha

Louis und Marie Pasteur Die Kindergräber in Arbois

Bedřich und Katharina Smetana Trio g-Moll oder Trauermusik für Bedriska

Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth Die Tragödie von Mayerling

Antonin und Anna Dvořak Ein Stabat Mater für Josefa, Ruzena und Otakar

Stéphane und Maria Christina Mallarmé Ein Grabmal für Anatole

Leoš und Zdenka Janáček Eine Oper und eine Elegie für Olga

Sigmund und Martha Freud »Die Ungeheuerlichkeit, daß Kinder vor den Eltern sterben …«

Gustav und Alma Mahler Kindertotenlieder – »Du malst den Teufel an die Wand!«

Arthur und Olga Schnitzler »Das Wort Schmerz ist lächerlich geworden«

Rabindranath Tagore Madhurilata, Renuka, Samindranath

Käthe und Kollwitz Ein Denkmal für Peter

Else Lasker-Schüler »An mein Kind«

Hugo und Gertrud von Hofmannsthal Ein großes Unglück im Rodauner Haus

Thomas und Katja Mann »Klaus – Dem Todessehnsucht früh im Herzen keimte …«

Alma Mahler und Walter Gropius »Dem Andenken eines Engels«

Ernst und Gretha Jünger Ernstel – ein Opfer für den Frieden

Stefan und Dorothee Andres Requiem für Mechthild

Mascha Kaléko und Chemjo Vinaver Elegie für Steven

Joe Biden Naomi und Beau

Abbildungsverzeichnis mit Quellennachweis

Danksagung

EINLEITUNG

Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen, die von nichts wissen, wachsen auf und sterben. Hugo von Hofmannsthal

Dass wir alle sterben werden, dass unsere Existenz also nur ein »Da-Sein zum Tode« (Heidegger) ist, das ist die einzige Gewissheit, die das Leben uns beschert. Diese banale Wahrheit wird tagtäglich so tausendfach bestätigt, dass wir ihr kaum noch Beachtung schenken oder sie aber mit allen Mitteln aus unserem Bewusstsein zu verdrängen suchen. Dabei sterben bei weitem nicht alle wie in Deutschland im statistischen Durchschnittsalter von 78,9 Jahren für den Mann und 83,6 Jahren für die Frau (Statistisches Bundesamt, 2020). In Afrika und Asien wird wesentlich jünger gestorben.

Ein alter Spruch besagt, dass jeder Mensch, sobald er geboren ist, schon alt genug zum Sterben ist. Aber der frühzeitige Tod – »mors immatura«, »der unreife Tod«, wie die Römer sagten – wurde immer als besonders schmerzlich empfunden. Indem er die natürliche Ordnung umkehrt, zwingt er die Eltern, ihre eigenen Kinder zu begraben. Nichts ist tragischer als die Unterbrechung der Generationenkette, das Auslöschen der Zukunftsperspektiven.

Dank besserer Gesundheitssysteme, Impfungen, besserer Ernährung und Trinkwasserversorgung geht die weltweite Kindersterblichkeit glücklicherweise konsequent zurück. Laut einer aktuellen Schätzung der Vereinten Nationen (UNICEF, WHO) hat sie sich in den letzten 30 Jahren mehr als halbiert, d.h. von 12,5 Millionen Kindern unter fünf Jahren (1990) auf 5,2 Millionen Kinder unter fünf Jahren (2019). Immerhin sterben weltweit täglich noch rund 14.000 Kinder in dieser Altersstufe. Hinter dieser Zahl von Verlusten verbirgt sich ein unvorstellbarer Abgrund menschlicher Tragödien, den der UNICEF-Bericht von 2001 treffend zum Ausdruck gebracht hat: »The true scale of the children injury tragedy should be gauged by its depth and its breadth – by asking not only how many families are affected but also how severely. And in this case the multiplier – the depth of grief and anguish involved in the death of a child – is beyond all measuring.« Der Schmerz über den Verlust eines Kindes übersteigt jegliches Maß.

»Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen, die von nichts wissen, wachsen auf und sterben« – der unfassbar heimliche Übergang vom ahnungslosen Wachstum zum jähen Sterben kann nicht prägnanter zum Ausdruck kommen als in den bekannten Versen Hugo von Hofmannsthals. Unwissenheit und Unschuld sind die Eigenschaften, die man den Kindern in den meisten Kulturkreisen seit jeher zuschreibt. Sie haben sich nicht gegen göttliche oder menschliche Gesetze verfehlt oder »versündigt« und kehren makellos zum Ursprung zurück. Für die Kindergräber hat die Antike den schönen Spruch gefunden: »Die Erde sei dir leicht!«, da auch die Frühverstorbenen die Erde nicht belastet haben, weder durch ihr Gewicht noch durch ihre Taten.

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