Gerade Menschen mit einer Dysthymie lassen sich häufig nicht behandeln, weil sie glauben, das Leben sei eben so. Wenn Sie den Eindruck haben, dass Sie an einer Dysthymie leiden, dann benötigen Sie Hilfe. Die Dysthymie wird nicht von allein verschwinden. Sie haben das Recht, sich besser zu fühlen, als Sie es im Moment tun.
Prämenstruelle dysphorische Störung und Wochenbettdepression: Diese schrecklichen Hormone?
Viele Frauen neigen gelegentlich vor ihrer Menstruation zu Stimmungsschwankungen. Ein kleinerer Anteil bekommt allerdings deutlichere und stärkere Symptome, die als prämenstruelle dysphorische Störung (PDS) bekannt sind. Diese Störung ist eine stärkere Form des bekannten prämenstruellen Syndroms (PMS).
Obwohl die Hormone bei einer PDS sicherlich eine wichtige Rolle spielen, konnte die Wissenschaft die eigentlichen Ursachen noch nicht finden. Frauen, die von einer PDS betroffen sind, leiden jeden Monat in der Woche vor der Regelblutung unter einigen der folgenden Symptome:
Zorn,
Angst,
Völlegefühl,
Erschöpfung,
Heißhunger,
Empfindlichkeit gegenüber Ablehnung,
Gefühl des Überwältigtseins,
Schuldgefühle,
Reizbarkeit,
Konzentrationsstörungen,
Traurigkeit,
Rückzug von Menschen und Aktivitäten.
Das nachfolgende Beispiel verdeutlicht einige Symptome der PDS. Betroffene Frauen werden häufig von ihren emotionalen Reaktionen im Alltagsstress überrascht und empfinden starke Schuldgefühle. Obwohl ihre Symptome durch Hormonschwankungen ausgelöst werden, finden sie Möglichkeiten, sich selbst die Schuld zuzuschreiben.
Kathrinafährt nach der Arbeit zum Supermarkt. Ungeduldig schiebt sie den Einkaufswagen durch die Reihen, bis ein anderer Wagen ihren Weg blockiert. Sie ist sofort verärgert und räuspert sich lautstark. Die andere Frau blickt auf und entschuldigt sich sofort. Katharina geht weiter und versetzt dem anderen Wagen im Vorbeigehen noch einen Schubs.
Als sie an der Kasse in der Warteschlange steht, wird ihr Zorn immer größer. Der Mann vor ihr kramt nach seiner EC-Karte und stellt fest, dass er sie nicht bei sich hat. Dann zählt er sein Kleingeld ab, doch es ist zu wenig. Jetzt sucht er in seiner überfüllten Brieftasche nach einer Kreditkarte. Kathrina kann ihren Zorn nicht mehr unterdrücken und meckert: »Die anderen haben nicht den ganzen Tag Zeit, um hier wegen Leuten wie Ihnen rumzustehen! Was ist los mit Ihnen?« Der Mann wird rot und murmelt: »Tut mir leid, junge Frau.« Die Kassiererin mischt sich ein und sagt: »Meine Dame, seien Sie doch nicht so kleinlich. Das kann doch jedem mal passieren.« Plötzlich schämt sich Kathrina und bricht schluchzend in Tränen aus. Sie hat das Gefühl, verrückt zu werden. Und das passierte ihr nicht zum ersten Mal. So geht es ihr fast jeden Monat.
Die prämenstruelle dysphorische Störung kann sowohl die Familie als auch Freunde und Kollegen der Betroffenen beeinflussen. In der Regel verschwinden die Symptome ein paar Tage nach Menstruationsbeginn. Die Behandlung ist oft mit der Einnahme von Medikamenten verbunden.
Major Depression nach großer Freude
Auch die Wochenbettdepression ist eine schwere Gemütserkrankung, bei der man Hormonschwankungen als Ursache vermutet. Man kann jedoch bis heute noch nicht erklären, warum Hormone die Stimmung mancher Frauen so stark beeinflussen und andere Frauen davon überhaupt nicht betroffen sind. Andere Risikofaktoren sind Schlafmangel (bei Müttern von Säuglingen verbreitet), neue und überwältigende Verantwortung als Eltern und Veränderungen der Lebenssituation. Die Depression beginnt einige Tage oder Wochen nach der Geburt. Die Symptome sind denen der Major Depression sehr ähnlich. (Die vollständigen Symptome können Sie im Abschnitt Die Major Depression: Einfach nicht aus dem Bett rauskommen weiter vorn in diesem Kapitel nachlesen.)
Carmenhatte acht Jahre lang vergeblich versucht, ein Kind zu bekommen. Ihr Mann und sie waren überglücklich, als sie doch noch schwanger wurde. Das gemütliche, liebevoll eingerichtete Kinderzimmer sah aus wie ein Bild aus einem Babykatalog. Carmen fühlte sich erschöpft, doch ihr Mann nahm an, dass das normal wäre. An dem Tag, als Mutter und Kind nach Hause kamen, kümmerte er sich um alles, damit seine Frau sich ausruhen konnte. Carmen fühlte sich auch am folgenden Tag so erschöpft, dass ihr Mann sich um das Baby kümmerte. Er war allerdings sehr beunruhigt, als er bemerkte, dass Carmen keinerlei Interesse daran hatte, das Baby im Arm zu halten. Sie war vom Weinen des Säuglings genervt und meinte, dass sie vielleicht besser nicht Mutter geworden wäre. Nach zwei Wochen sagte sie ihrem Mann, dass er nicht wieder zur Arbeit gehen könne, da sie es nicht schaffe, für das Kind zu sorgen. Carmen litt an einer Wochenbettdepression.
Die meisten Frauen sind nach einer Geburt leicht depressiv. Das nennt man umgangssprachlich den »Babyblues«. Er ist nicht sehr ausgeprägt und nach ein paar Wochen vorbei. Doch wenn es Ihnen wie Carmen geht, brauchen Sie sofort professionelle Hilfe.
Ein kleiner Prozentsatz der von der Wochenbettdepression betroffenen Frauen entwickelt sogenannte psychotische Symptome wie Halluzinationen oder Wahnvorstellungen. Dies ist eine äußerst ernste Entwicklung, die umgehend behandelt werden muss. Hat eine Frau diesen Zustand einmal durchgemacht, erhöht sich das Risiko, diesen auch nach weiteren Geburten zu erleben.
Psychose und Major Depression
Eine Psychose kann als besonders ernstes Symptom einer Major Depression auftreten. Die Betroffenen haben dann jeden Bezug zur Realität verloren. Sie hören Stimmen oder sehen Dinge, die gar nicht vorhanden sind. In solchen Fällen ist meist ein Klinikaufenthalt notwendig, um die Erkrankung zu behandeln.
Menschen, die an einer schweren Depression leiden, können auch paranoide oder andere Wahnvorstellungen entwickeln. Betroffene mit paranoiden Gedanken sind sehr misstrauisch. Sie glauben zum Beispiel, dass jemand sie verfolgt oder vergiften will. Wahnvorstellungen reichen von skurril bis bizarr. Die Betroffenen glauben an unrealistische Dinge, beispielsweise, dass sie schuld an allem Übel der Welt seien. Sowohl die Psychose als auch Verfolgungs- und andere Wahnvorstellungen müssen von Fachleuten behandelt werden. Wir gehen in Kapitel 17auf Medikamente ein, die in diesen Fällen häufig verordnet werden.
Auch Medikamente können Depressionen verursachen
Krank zu sein, ist schwierig genug, auch ohne Medikamente, die das Wohlbefinden belasten. Doch einige Medikamente scheinen sogar Depressionen zu verursachen. Manchmal ist es sicherlich nicht leicht, zu unterscheiden, ob die Krankheit oder das Medikament die Depression ausgelöst hat. Doch in manchen Fällen zeigen sich eindeutig die Medikamente für die Depression verantwortlich.
Wenn Sie ein neues Medikament nehmen und sich danach aus unerklärlichen Gründen traurig und niedergeschlagen fühlen, sollten Sie sich an Ihren Arzt wenden. Es ist möglich, dass das Medikament für Ihre Gefühlslage verantwortlich ist. Die Umstellung auf ein anderes Präparat kann Abhilfe schaffen. In Tabelle 2.1sind die Medikamente aufgelistet, die am häufigsten zu Depressionen führen können.
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