Erntedank Grimmelfingen
Zufrieden über einen schönen Pilgertag fahre ich heimwärts nach Blaubeuren zu meiner Familie. Ich freue mich schon auf Dienstag, wenn ich zu meiner ersten Mehrtagesetappe starte.
3. Pilgertag, Dienstag, 11.10.2011
Grimmelfingen–Oberdischingen: 16 km, Gesamt: 33 km
Frühmorgens aufstehen, mit dem Zug nach Ulm und dem Stadtbus nach Grimmelfingen zur St. Jakobuskirche, und schon kann ich auf meine heutige Etappe starten.
Bei Sonnenschein wandere ich durch ein schönes Tal. Vorbei an Gärtnereigewächsen und durch einen Wald hinauf in die Höhen der Schwäbischen Alb. Bald erblicke ich schon Einsingen mit seiner schönen Kirche St. Katharina. Weiter durch Wernau gelange ich nach Erbach, wo ich in der evangelischen Pfarrkirche die erste Erntekrone bewundern kann. Es sollen heute noch mehrere solcher Kunstwerke zu besichtigen sein.
Erntekrone Erbach
Ein Genuss für meine Augen ist kurze Zeit später Schloss Erbach mit seiner wunderschönen Barockkirche. Von hier aus habe ich auch einen herrlichen Blick über das Donautal. In Donaurieden mache ich eine Rast, um mich bei Pasta und Mineralwasser zu stärken. Stärkung tut not. Deutlich ist mein Defizit bezüglich meiner sportlichen Kondition zu spüren. Insbesondere, wenn es darum geht, einer länger anhaltenden Belastung standzuhalten.
Wieder über einen Höhenzug geht es meinem heutigen Etappenziel, Oberdischingen, entgegen. Bei herrlichem Sonnenschein komme ich an und erfreue mich am Anblick der klassizistischen Pfarrkirche mit seiner imposanten Kuppel, welche von vier Säulen getragen wird. Es ist ein ungewöhnliches Bauwerk, in unserer Gegend einzigartig.
Leider ist meine Freude mit dem Anblick dieses Prachtbaus bereits gedeckt. Ich bin früher als gedacht in Oberdischingen angekommen und wollte deshalb ein gemütliches Bier in einem Biergarten trinken. Doch leider sind alle Gaststätten geschlossen. Darüber tröstet auch nicht der markante Anblick der historischen Hauptstraße mit der Kastanienallee, welche 1769 für den Brautzug von Marie Antoinette angelegt wurde. Wieder einen ewig langen Berg hoch erreiche ich schon um 15.10 Uhr das Cursillo-Haus St. Jakobus.
Pilgerbrunnen Oberdischingen
Eine kurze Rast am Jakobsbrunnen, an welchem sich auch mein Pilgerpatron von der Mühsal des Tages ausruht, ist sehr angenehm. Erfreut stelle ich jedoch beim Blick hinüber zum Pilgerhaus fest, dass die Türen bereits offen stehen. Und dankenswerterweise kann ich auch gleich mein vorbestelltes Zimmer beziehen.
Vorher trinke ich aber auf einer Bank im kleinen Garten genüsslich ein Glas Bier und melde mich telefonisch zu Hause. Danach führt mich mein Weg zur Wallfahrtskirche nebenan. Ich bewundere die schwarze Madonna. Warum es in Oberdischingen eine schwarze Madonna wie in Altötting gibt, kann mir jedoch niemand erklären.
Mit dem Anzünden einer Kerze genieße ich einige Augenblicke der Ruhe und der Besinnung. Ich bin dankbar für den Augenblick und wunschlos glücklich.
Nach einem ausgedehnten Mittagsschläfchen begebe ich mich in den Speiseraum und nehme mit der Hospitalera das Abendvesper ein. Wir unterhalten uns sehr angenehm. Die Dame ist gerade als Lehrerin in den Ruhestand getreten und versorgt hier im Haus die durchreisenden Pilger. Sie war bereits vom Bodensee bis nach Santiago de Compostela gepilgert und kann mir einige gute Tipps geben. Und einige ihrer Erlebnisse steigern meine Neugier auf meine eigene Pilgerschaft. Ich denke, mir steht da noch einiges bevor. An das Ziel in Santiago de Compostela wage ich noch gar nicht zu denken. Das erscheint mir noch unerreichbar weit entfernt.
Abends nutze ich die Zeit und lese neben diversen Reiseberichten und Jakobusgeschichten Teile aus der Bibel, um mehr über meinen Pilgerpatron zu erfahren. Ich stelle zu meinem Bedauern fest, dass bei diesem Thema deutliche Wissenslücken vorhanden sind.
4. Pilgertag, Mittwoch, 12.10.2011
Oberdischingen–Schemmerberg: 18 km, Gesamt: 51 km
Gut ausgeruht wache ich am nervenden Ton meines Weckers auf. Ein gutes Frühstück gibt mir gleich wieder Kraft für die anstehende Etappe.
Ich erinnere mich noch kurz an das Jahr 2007, als ich mich hier wegen meiner Verletzung abholen lassen musste. Heute gehe ich ausgeruht und fit auf den weiteren Weg. Dieser Gedanke macht mich sehr glücklich.
Es ist noch kühl, aber mit immer mehr Bewegung wird mir ganz schnell warm. Bald überquere ich die Donau, über deren Höhenzüge ich von Oberelchingen bis hier gepilgert bin. Jetzt komme ich auf dem Weg von der Donau Richtung Bodensee durch das vorwiegend ebene Oberschwaben, welches mich dann zum Bodensee führt.
An der Franziskuskirche in Ersingen stelle ich mit Erstaunen fest, dass diese von evangelischen und katholischen Christen gleichzeitig als Gotteshaus genutzt wird. So etwas war mir bis dato nicht bekannt. Kurz nach Risstissen gelange ich an eine gepflegte Gartenanlage, in welcher eine kleine Marienkapelle steht. Diese wurde erst 1993 von einem Privatmann erbaut und seitdem gepflegt und gehegt. Täglich brennt eine Kerze. Hier kann man sich in stiller Andacht mit dem Sinn des Lebens auseinandersetzen. Oder so ähnlich.
Auf dem geteerten Fahrradweg neben der Kreisstraße geht es weiter über Niederkirch nach Untersulmendingen. Hier beeindruckt mich vor allem die Muttergottes, welche in frommer Andacht silberglänzend ihre ganze mütterliche Anmut durch das Gotteshaus strahlen lässt. Ein beeindruckender Moment, an dem mir bewusst wird, wie sich die Wahrnehmung auf dem Pilgerweg von einer Besichtigung bei einer Reise mit dem Auto unterscheidet.
Auf dem Weg nach Obersulmentingen hält eine Radlerin aus dem Ort an und geht einen Kilometer mit mir zu Fuß. Offensichtlich hat sie ein Herz für durchreisende Pilger. Sie erzählt, wie sie eine Pilgerin zu Kaffee und Kuchen eingeladen hat und einen gemütlichen Nachmittag für sie gestaltete. Aber ganz stolz war sie auf zwei Studenten. Die hat sie zum Übernachten in ihr Haus aufgenommen und abends wurde ausgiebig gegrillt. Die zwei waren auf dem Weg nonstop bis nach Spanien. Und meine Weggefährtin wünschte als Dankeschön nur eine Ansichtskarte von Santiago de Compostela. Und diese bekam sie auch einige Monate später. Darauf ist sie sehr stolz.
Ich bin schon seit einiger Zeit auf der Suche nach einer Gaststätte, finde aber keine, die geöffnet hat. Dies traue ich mich jedoch im Moment nicht zu erwähnen. Wer weiß, wo ich sonst noch gelandet wäre. Über einen romantischen Feldweg erreiche ich Schemmerberg. Die Kirche ist leider verschlossen. Ich gehe deshalb zum Bahnhof. Und wie bestellt fährt auch schon ein Zug ein. Die letzten Meter muss ich rennen, damit er nicht ohne mich den Bahnhof verlässt.
Die erste Mehrtagesetappe habe ich geschafft. Ein schönes Gefühl.
5. Pilgertag, Donnerstag, 17.05.2012
Schemmerberg–Biberach: 19 km, Gesamt: 70 km
Christi Himmelfahrt, Vatertag … der richtige Zeitpunkt, meine Pilgerreise fortzusetzen.
Frühmorgens fahre ich mit dem Auto nach Biberach, meinem heutigen Reiseziel. Mit dem Zug geht es zurück nach Schemmerberg, wo meine Pilgerwanderung am Bahnhof beginnt.
Es ist noch neblig und kühl. Meine Windjacke tut gute Dienste. So wandere ich aus dem Dorf hinaus in die freie Natur. Auf der heutigen Etappe erwartet mich Natur pur. Es geht durch herrliche, weitgehend naturbelassene Wälder und romantische Wiesentäler mit Büschen und seltenen Pflanzen. Vogelgezwitscher begleitet mich auf meinem Weg. Ansonsten darf ich eine wunderbare Ruhe genießen.
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