Von den Bildungseinrichtungen müssen die Bildungsräume der Zukunft auf vielfältige Weise neu gedacht und angepasst werden. Im Rahmen eines Projekts haben Bachmann u. a. (2014, 17 ff.) Gestaltungshinweise für zukünftige Bildungsräume ausgearbeitet. Sie betonen die wachsende Bedeutung physischer Räume, die Lernen als ganzheitlichen Prozess berücksichtigen. Das heißt, es geht nicht nur um die Aneignung von Wissen und der Erwerb von Kompetenzen, sondern auch um die Enkulturation der Lernenden. Dies hat zur Folge, dass Infrastrukturen für Gruppenarbeiten und informelle Begegnungen geschaffen werden – sowohl physisch als auch virtuell. Bildungsräume sollen von den Lernenden und Lehrenden nach ihren Bedarfen gestaltet werden können. Weiterhin sollen neue Lernende in die Nutzung der virtuellen und realen Bildungsräume eingeführt werden (Kap 3.7).
Bildungsräume müssen zunehmend auf Lernwanderer eingerichtet sein. Da Lernende überall lernen können, bedarf es auch mobil nutzbaren Lehr- und Lernmaterials auf entsprechenden Plattformen. Online Self Services und eine flexible Organisation des Lernens (z. B. Informationen zu Sprechzeiten, Lernplänen, Druckservices u. v. m.) sollten eingerichtet werden. Bildungsräume müssen flächendeckend mit Steckdosen, WLAN-Zugängen und Schließfächern mit Stromversorgung (für Gepäck und mobile Geräte der Lernwanderer) ausgestattet sein. Bewegliches Mobiliar zur Lernraumgestaltung, große Tische sowie Nähe zu den für das Lernen notwendigen Dienstleistungen (Bibliothek, Drucker, Scanner etc., aber auch leicht erreichbare Verpflegung) zeichnen derartige Bildungsräume aus (ebd.). 3)
3.2 Mobiles und ubiquitäres Lernen
Durch die Digitalisierung entwickelt sich durch die Verbreitung leistungsfähiger mobiler digitaler Endgeräte zunehmend eine Entgrenzung der Bildungsräume in einen hybriden Bildungsraum. Lernen und Lernunterstützung werden durchgängig verfügbar bzw. allgegenwärtig (ubiquitär). Looi u. a. (2009) erkannten mit Blick auf die Entwicklungen persönlicher, mobiler, drahtlos vernetzter Technologien, dass eine neue Evolutionsstufe des E-Learning betreten wird. Sie ist charakterisiert durch nahtlose Lernräume, kontinuierliches Lernen in verschiedenen Szenarien und Kontexten, wie der Verschmelzung privater und öffentlicher Lernräume und auch Lerngegenstände. Diese Entwicklungen werden unterstützt durch Theorien sozialen und situierten Lernens, die die Art, den Prozess sowie die Ergebnisse des Lernens beeinflussen. Die Grenzen zwischen formalem und informellem Lernen lösen sich auf (ebd., 155 ff.). Der Horizon-Report prognostizierte den verstärkten Einsatz dieser Technologien für den tertiären Bildungsbereich seit mehreren Jahren. Im Bericht von 2017 wurde der Einsatz mobiler Endgeräte wie Smartphones, Smartwatches und Tablets zur Unterstützung des mobilen Lernens als wichtige lehr-/lerntechnologische Entwicklung für den Hochschulbereich im kommenden Jahr identifiziert (Adams-Becker u. a. 2017).
Leichterer Zugang zu Lehr- und Lerninhalten
In der Vergangenheit stellte die Entwicklung und Aufbereitung von Lerninhalten im E-Learning eine zeitaufwendige und kostspielige Herausforderung für Bildungsanbieter dar. Durch die Entwicklung neuer Standards (z. B. HTML 5 ist universell für alle Endgeräte nutzbar) oder Gestaltungsparadigmen (z. B. responsives Webdesign, welches den grafischen Aufbau von Internetinhalten an den jeweiligen Endgeräten optimal ausrichtet) entfällt zunehmend die Notwendigkeit, Lerninhalte jeweils an die verschiedenen Endgeräte anzupassen. Weitere Trends, wie z. B. das Angebot frei verfügbarer Lernressourcen im Internet (Kap. 5.5), ermöglichen es darüber hinaus, auf fremd erstellte Lernmaterialien zurückzugreifen und für die Gestaltung eigener Bildungsangebote zu nutzen. Durch die technische Entwicklung können zahlreiche Internetseiten mittlerweile problemlos über Smartphone und Tablet-PC abgerufen werden. Darüber hinaus finden sich in den verschiedenen App-Stores für die mobilen Geräte zahllose Lern-Apps für verschiedenste Themenfelder. So belegten im April 2015 im Apple-Store Apps der Kategorie Bildung den zweiten Platz bei der Anzahl der Apps (ca. 158.800 Apps entsprechen einem Anteil von ca. 10 % an allen Apps, Unger 2014; wobei im 1. Quartal 2015 ca. 10.000 neue Apps in der Kategorie Bildung hinzukamen). Neben den für Lernen ausgewiesenen Apps kommen weitere hinzu, die bspw. vorzugsweise zur Kommunikation, Kooperation oder Kollaboration entwickelt wurden und dem Lernen nicht originär zugeordnet, aber dafür genutzt werden können, z. B. Apps für soziale Netzwerke, zur mobilen Gestaltung von Weblogs, als Lerntagebuch oder E-Portfolio, zur Zusammenarbeit bei Wikis.
Ein limitierender Faktor scheint die eventuell fehlende Kreativität der Lernenden oder eine unzureichende didaktische Einbindung solcher Programme in die Lehre zu sein. Für Bildungseinrichtungen und Lehrende bedeutet dies, dass weniger Aufwand in die Entwicklung der Lerninhalte investiert, aber stärker überlegt werden muss, wie ein Lehr-/Lernszenario arrangiert sein sollte, damit es den Lernbedarfen und Lernwegen der Lernwanderer (Bachmann u. a. 2014, 42 ff.) entgegenkommt. Dies heißt nicht, dass mobile E-Learning-Angebote nun zwingend in die Lehre aufgenommen werden müssen. Lernende jedoch werden diese Kanäle für die Bewältigung von Lernanforderungen mitnutzen, was einige Änderungen mit sich bringt. So können z. B. Lehrkonzepte, die auf standardisierte Aufgabenstellungen und eindeutige Lösungsansätze zurückgreifen, ein Scheinlernen nach sich ziehen, da die Lösungen im Netz bereitliegen und von den Lernenden nur noch kopiert werden müssen. Komplexe, offene und individualisierte Aufgabenstellungen hingegen lassen sich nicht mehr einfach kopieren, jedoch auch nicht mehr standardisiert abprüfen. Sie können aber zur Kompetenzentwicklung der Lernenden beitragen. Zentral sind demnach Fragen der Integration und Orchestrierung (Specht/Ebner/Löcker 2013), wenn es um die Planung und den Einsatz von Mobile Learning geht. Lernende hingegen stehen u. a. vor den Hausforderungen, geeignete Informationen aus dem Überangebot herauszufiltern, sich bei der Vielzahl der Möglichkeiten auf einheitliche Kooperations- und Kommunikationskanäle mit anderen Lernenden zu verständigen und mit diesen adäquat zusammenzuarbeiten sowie die Lernergebnisse in der gewünschten Form zu präsentieren.
Waren die ersten Ansätze und Diskussionen zum Mobile Learning noch technikzentriert und beschäftigten sich mit Fragen zu den Funktionen der Geräte und deren Nutzung, folgten alsbald Bezüge zur Bedeutung und den Vorteilen des mobilen Lernens bzgl. der Flexibilität und Mobilität der Lernenden bei der Nutzung. Die technischen Aspekte sind mittlerweile bearbeitet, und die Mobilität der Lernenden ist eine Selbstverständlichkeit geworden. Heute werden die Vorteile vor allen darin gesehen, dass eine Kontextualisierung, eine Personalisierung, eine multimodale Interaktion, Bewusstheit sowie Reflexion des Lernprozesses möglich sind (Specht/Kalz/Börner 2013). Damit ist mobiles Lernen „nicht einfach eine neue Form des E-Learning, die auf mobilen Geräten mit kleinen Displays stattfindet und für die klassische E-Learning-Inhalte direkt auf mobile Endgeräte übertragen werden können oder formelle Lernprozesse über mobile Endgeräte stattfinden. Vielmehr unterscheiden sich E-Learning und Mobile Learning zum einen durch die technologischen Eigenschaften der eingesetzten Endgeräte, zum anderen wird das bisherige internetbasierte Lernen durch ein Qualitätsmerkmal des Mobile Learning besonders erweitert: Kontextualisierung. Dieses Qualitätsmerkmal ist entscheidend für die neuen didaktischen Lernszenarien, die Lernen und Arbeiten verbinden“ (de Witt 2013, 16).
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