Patricia Arnold - Handbuch E-Learning

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Digitale Medien im Lehren und Lernen erfolgreich einsetzen
Das Handbuch ist ein vollständiges Kompendium der Didaktik des Lehrens und Lernens mit digitalen Medien.
Die Autor:innen stellen Konzepte zum Aufbau und zur Entwicklung virtueller Lehr- und Lernumgebungen vor. Auf dieser Grundlage können E-Learning-Angebote für alle Bildungsbereiche konzipiert werden: von der Schule bis zu Weiterbildung.
Schritt für Schritt werden alle Aspekte der Planung, Produktion, Implementierung, Durchführung, Evaluation und Qualitätssicherung erfolgreicher E-Learning Angebote beschrieben.
Das Standardwerk ist eine umfassende Einführung in die Gestaltung von Bildungsräumen und Bildungsressourcen, Didaktik des E-Learning, Entwicklung der medialen Kompetenzen und Aufbau von Prüfungen.

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Die Erweiterung der Perspektive von der Lernplattform auf den virtuellen Bildungsraum birgt viele Potenziale, aber auch einige Unsicherheiten für Lehrende und Lernende, da der Verlauf von E-Learning-Angeboten nicht mehr komplett geplant werden kann. Denn neue Informationsquellen und Kommunikationskanäle dringen in den Lernprozess, und Unsicherheiten bzgl. der Qualität und Nutzbarkeit der Ressourcen aus dem Web kommen hinzu. Zugleich können jedoch Lerngegenstände multiperspektivischer bearbeitet werden, und Lernende können ihren Intentionen und ihrem Vorwissen entsprechend geeignetere Quellen in ihre Lernprozesse einbeziehen. Damit die Lernenden und Lehrenden diesen neuen Anforderungen und Chancen gerecht werden können, müssen sie ihre Medien­kompetenzen in der erforderlichen Breite und Tiefe entwickeln (siehe ausführlich Kap. 6).

Was einen guten virtuellen Bildungsraum kennzeichnet, kann nicht von vornherein bestimmt werden und unterliegt lehr- und lernkulturellen sowie technischen Entwicklungen. Diese sind unter anderem abhängig sowohl von Nutzungsgewohnheiten der Lehrenden und der Lernenden, den technischen Innovationen oder auch von den Vermarktungsformen der Angebote im Internet. Die optimale Lösung wird es nicht geben. Auch die Räume in Bildungseinrichtungen sind unterschiedlich ausgestattet, z. B. der Hörsaal für Germanisten an einer Universität, der PC-Raum für EDV-Kurse an einer Volkshochschule oder der Chemieraum einer allgemeinbildenden Schule. Durch die Verbindung von Lernplattform und Internet und die damit einhergehende Entstehung eines virtuellen Bildungsraums bieten sich jedoch neue weitreichende Möglichkeiten der Gestaltung und Durchführung von Lehr-Lern-Szenarien, die weniger durch die technischen Rahmenbedingungen als durch weiterzuentwickelnde medientechnische und -didaktische Kompetenzen, fehlende Kreativität oder auch Zeitmangel bzgl. ihrer pädagogischen Inszenierung begrenzt sein können.

Abgrenzung zwischen realem und virtuellem Bildungsraum

Bildungsraum ist ein Begriff, der neben den räumlichen Gegebenheiten (z. B. Seminarraum mit Lernmaterialien, Museum mit Exponaten, Labor mit Experimentiermöglichkeiten) auch die subjektiven Verfasstheiten und Ansprüche der Lernenden und Lehrenden mit in den Blick nimmt. Der virtuelle Bildungsraum hingegen stellt eine technische Infrastruktur dar, die Instrumente und Bereiche bereithält, mit denen Bildungsprozesse, initiiert durch Lehr- und Lernhandlungen, technisch und organisatorisch unterstützt werden (siehe unten Abb. 3.2). In dieser technischen Infrastruktur befindet sich auch die Lernplattform. Die Lernplattform wird je nach ihren Eigenschaften als Learning Management System (LMS), Content Management System (CMS) bzw. in Verknüpfung beider als Learning Content Management System (LCMS) bezeichnet. LMS sind in Aufbau und Funktionen eher auf die Unterstützung von netzbasierten Lehr- und Lernprozessen ausgerichtet und haben in der Regel Kommunikations- und Kooperationswerkzeuge für die Unterstützung der Lehr-Lern-Prozesse, Kurserstellungs- und Verwaltungswerkzeuge für die Lehrenden, Instrumente zur Organisation und Bearbeitung eines Kurses für die Lernenden oder auch Instrumente zur Gruppenbildung sowie zur Leistungsüberprüfung. CMS hingegen unterstützen die netzbasierte Dokumenten­erstellung, -ablage und -recherche. Die meisten der heute am Markt befindlichen Lernplattformen sind LCMS, die beide Funktionsbereiche umfassen (ausführlich Kap. 3.5.1).

Internetnutzung

Nach den Ergebnissen der Onlinestudie der Fernsehanstalten ARD und ZDF (Koch/Frees 2016) verfügen 100 % der Deutschen über 14 Jahre und 95,2 % der Berufstätigen über Internetzugänge (ebd., 378), wobei 63,1 % täglich online sind (ebd., 420 f.). Die Internetnutzung ist also in Deutschland sehr verbreitet, und ein weiterer Ausbau wird mit den aktuellen Digitalisierungsstrategien politisch vorangetrieben. Mobile Endgeräte gewinnen bei der Internetnutzung an Bedeutung. Eine BITKOM-Studie zur Netzgesellschaft zeigt bereits 2011: Jeder zweite Internetnutzer nutzt das Netz als Informationsquelle, für die sogenannten Digital Natives stellt das Internet die wichtigste Informationsquelle dar und läuft Zeitungen und Zeitschriften den Rang ab, wobei die Internetseiten der klassischen Informationsträger wie Fernsehsender und Zeitungen besonders beliebt sind. Nutzer unter 30 Jahren greifen aber auch verstärkt auf soziale Medien zur Information zurück (BITKOM 2011b, 6–7).

Internet als gesellschaftlicher Bildungsraum?

Das Internet stellt ein intensiv genutztes Informations- und Kommunikationsmedium dar. Neben dem Informieren, bspw. über Suchmaschinen oder auf den Internetseiten einer Zeitung, findet Kommunikation bspw. in Diskussionsforen, Blogs, Chats u. a. statt. Kommunikation birgt die Möglichkeit der kritisch reflexiven Aus­einandersetzung mit Informationen durch den Austausch mit anderen in der Netz­gemeinschaft, die dazu führt, dass Informationen kontextualisiert und mit bereits Bekanntem (Vorwissen) verknüpft werden. Die Kontextualisierung von Informationen stellt damit einen Lernprozess dar, der die Wissensgenese ermöglicht (Auer 2003). Die Auseinandersetzungen mit einem Thema sowie die vielfältigen themenbezogenen Kommunikationen unterstützen weiterhin den Transfer des Wissens in andere Anwendungsbezüge, was letztlich zur weiteren Entwicklung von Kompetenzen führt (Kap. 6). Kompetenzen sind die „erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, 27).

Damit das Internet ein Bildungsraum werden kann, benötigen die Nutzer entsprechende Kompetenzen. Im Zusammenhang mit den digitalen Medien wird häufig von Medienkompetenz (Baacke 1996, 1998) gesprochen, die für einen adäquaten Umgang mit den Medien erforderlich ist. Jedoch reicht Medienkompetenz, die Medienkunde, -kritik, -gestaltung und -nutzung umfasst (ebd.), allein nicht aus, um die Teilhabe und vor allem einen Gewinn für die Nutzer digitaler Medien zu ermöglichen. Neben einer interkulturellen Kompetenz (Auernheimer 2008) bedarf es auch einer Informationskompetenz (Schiefner-Rohs 2012, 103 ff.), um überhaupt eigene Lernbedarfe zu definieren, gezielt nach entsprechenden Inhalten zu suchen sowie die gefundenen Informationen bewerten und verarbeiten zu können. Denn es wird „häufig übersehen, dass eine methodisch versierte Herangehensweise und die Nutzung professioneller Fachinformation zu den Grundvoraussetzungen erfolgreichen Lernens und Forschens gehören“ (DGI 2008, 321).

Sichtbarmachen des Lernerfolgs

Diese Kompetenzen ermöglichen, dass sich die Nutzer selbst organisiert Informationen aneignen und neue Wissensinhalte aufbauen können. Damit einher geht eine weitere Besonderheit des Bildungsraums Internet, dass es nämlich bislang kaum eine Möglichkeit gibt, die im Internet informell und nonformal erworbenen Wissensbestände und Kompetenzen so zu dokumentieren, dass sie, ähnlich einem Schul- oder Universitätsabschluss, mit einem Zeugnis oder einer qualifizierten Bescheinigung belegt werden können. Dazu gibt es zwar erste Ansätze, z. B. E-Portfolio-Systeme wie Mahara ( http://www.mahara.de), eProfilpass ( https://www.eprofilpass.de) oder auch Badges (vgl. Kap. 7.8), jedoch haben sich diese, vor allem in Deutschland, bislang nicht durchgesetzt. Darüber hinaus scheinen eine Vielzahl dieser Ansätze das Lernen im Internet noch nicht ausreichend erfassen zu können. Doch gerade im E-Learning werden Lernprozesse und -ergebnisse häufig nebenbei dokumentiert und könnten gut nachvollzogen werden, wenn die Nutzer bspw. in Diskussionsforen Probleme lösen oder einer eigenen Webseite Ergebnisse ihrer Arbeit einstellen etc. (Kap. 7.6; Kap. 7.7). Solchen Ansätzen wird für die Zukunft bei der Gestaltung und Zertifizierung von Lernprozessen mit digitalen Medien eine hohe Relevanz zugesprochen (Baumgartner/Bauer 2013, 92 f.). Hier ist nicht nur Entwicklungsarbeit zur Gestaltung entsprechender Werkzeuge nötig, es muss auch ein Umdenken bzgl. der Verteilung und Anerkennung von Bildung erfolgen. „Dieses Umdenken hat in der Praxis noch nicht stattgefunden, und so werden Lernaktivitäten regelmäßig mit Prüfungen ‚abgeschlossen‘, statt die Lernaktivitäten als solche zu kreditieren. Genau dies ist die Chance einer Lehr-/Lernplattform: Auf ihr wird der Lernprozess selbst sichtbar, und genau dieser Lernprozess kann damit auch als Leistung dokumentiert und honoriert werden“ (Kerres u. a. 2009, 112).

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