(4) Förderung von Medienkompetenzen
Lehrende wie Lernende brauchen für erfolgreiches Lehren und Lernen Medienkompetenzen. Grundlegend ist die Mediennutzungskompetenz zur Erschließung und Nutzung der Lernressourcen. Darüber hinaus brauchen beide aber auch Mediengestaltungskompetenz: Lernende, die ihre Arbeitsergebnisse in der Gruppe präsentieren, müssen dies im virtuellen Raum tun können. Lehrende, die virtuelle Lernmodule aktuell ergänzen wollen, müssen mediale Gestaltungskompetenzen haben. Voraussetzung dafür ist, dass die dafür verwendete Software benutzerfreundlich ist. Denn es geht in virtuellen Bildungsangeboten nicht um den Einsatz aller technologischen Möglichkeiten, sondern um eine dem didaktischen Konzept und den Gründen, Zielen, Inhalten und Methoden der Lernenden angepasste funktionsorientierte Gestaltung, die vor allem auch eine leichte Aktualisierung und Erweiterung der Bildungsmedien berücksichtigt. Auch wenn ein Großteil der Erstellung virtueller Bildungsangebote auf medialer Ebene in einem arbeitsteiligen Prozess durch andere Experten (z. B. Lernprogrammautoren, Multimedia-Entwickler) geleistet wird, brauchen Lehrende dennoch auf der Basis allgemeiner Medienkunde und Medienkritik ein Grundverständnis der Produktionsprozesse, der medientechnischen Zusammenhänge und insbesondere der interaktiven Programmgestaltung, um die Lerninhalte auswählen und inhaltlich aufbereiten und den medialen Herstellungsprozess kooperativ unterstützen zu können.
(5) Professionalisierung des medienbasierten Lehrens und Lernens
Für die aufgabenorientierte didaktische Gestaltung der virtuellen Bildungsprozesse, für die Förderung der autodidaktischen Kompetenzen der Lernenden sowie für die Förderung der Medienkompetenzen muss die Professionalisierung aufseiten der Lernenden wie auch der Lehrenden entwickelt werden. Lernende müssen Medienkompetenzen, autodidaktische Kompetenzen, Kompetenzen zur Ausgliederung und Bestimmung von Aufgaben und Kompetenzen zur Kommunikation im Internet wie zu kooperativem und partizipativem Lernen und Arbeiten in virtuellen Räumen als Teil ihrer Berufskompetenz in der Wissensgesellschaft begreifen und entsprechend aktive, reflektierende und gestaltende Rollen einnehmen können.
Lehrende müssen das Arbeiten mit virtuellen Bildungsangeboten ebenfalls als Chance der Professionalisierung und Erweiterung ihrer Kompetenzen bzw. Verschiebung ihrer Tätigkeitsschwerpunkte begreifen. Tätigkeiten wie Lernberatung und -begleitung, Moderation von Diskussionen und Kooperationen im virtuellen Raum, diskursive Aushandlung von komplexen Lernaufgaben und die Kooperation mit Mitarbeitenden aus E-Learning-Supporteinrichtungen oder Kompetenzzentren fordern ein anderes Kompetenzprofil von Lehrenden als bislang und eine entsprechende Professionalisierung ihrer Kompetenzen.
(6) Lernförderliche Zeitstrukturen entwickeln
Eine wesentliche Herausforderung bei der Gestaltung einer virtuellen Lehr- und Lernkultur, die erfolgreiches Lernen fördert, besteht darin, geeignete Zeitstrukturen zu entwickeln und anzuwenden. Im virtuellen Raum wird dem ökonomischen Umgang mit Zeit angesichts des Einsatzes einer schnellen Technologie oft nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt. Erfolgreiches Lernen braucht immer eine Eigenzeit. Ein ausreichendes Zeitbudget zur Bearbeitung der Lernaufgaben und für die Aushandlungsprozesse muss daher eingeplant werden. Ebenso müssen Lehrende berücksichtigen, dass viele Lehrhandlungen aufgrund der Neuheit zunächst mehr Zeit benötigen. Lehrende ebenso wie Lernende müssen beachten, dass die überwiegende Schriftlichkeit und Asynchronität der Kommunikation und Kooperation eine Segmentierung und wechselnde Abfolge paralleler Handlungsfolgen zur Folge hat und dadurch zusätzliche Zeitbedarfe entstehen lässt.
2.6 Fazit
Neue Perspektiven für Lehren und Lernen
Die Klärung, Reflexion und Bestimmung der zentralen Begriffe, wie z. B. E-Teaching, E-Learning, Blended Learning, pädagogisches Verhältnis, Lehr- und Lernkultur, Bildung, ist die Voraussetzung, um die Entwicklung und Nutzung bereits implementierter Online-Bildungsangebote beschreiben, analysieren und reflektieren zu können. Sie sind die Instrumente, um die bisherigen Erfolge und Defizite erkennen und daraus Konsequenzen und Perspektiven für Verbesserungen sowie weitere und neue Entwicklungen ziehen zu können. Dies zum Anlass nehmend, sind zunächst die generellen konstituierenden Faktoren von Bildungsprozessen beschrieben worden, um auf dieser Grundlage die konstituierenden Faktoren virtuellen Lehrens und Lernens bestimmen und beschreiben zu können. Die konkrete Ausgestaltung der Potenziale und Perspektiven dieser Faktoren ermöglicht die pädagogische Entwicklung einer erfolgreichen virtuellen Lehr- und Lernkultur, die beispielsweise eine Vielfalt an Lernressourcen eröffnet, ein expansives und kooperativ selbst organisiertes Lernen fördert, den Lernenden neue Beteiligungschancen für ein produktives Lernen in Partizipation mit den Lehrenden ermöglicht. Damit wird auch die Unterstützung der Inklusion sowie einer offenen Bildung ermöglicht. Es ist in vielen Aspekten deutlich geworden, dass mit der durch die digitalen Bildungsmedien, das Internet und die Kommunikation in virtuellen Bildungsräumen veranlassten grundlegenden Umwälzung der pädagogischen Verhältnisse und der Lehr- und Lernkultur eine große Herausforderung an die erfolgreiche medientechnische und mediendidaktische Gestaltung der Lehr- und Lernprozesse entstanden ist. Dazu liefern die folgenden Kapitel wichtige Grundlagen und Anregungen.
3 Virtueller Bildungsraum
Der virtuelle Bildungsraum, in dem im E-Learning die individuellen und kooperativen Bildungsprozesse stattfinden, ist die Nahtstelle zwischen Informations- und Kommunikationstechnik, didaktischer Konzeption, Lernmaterialien und den Lehr- und Lernhandlungen. Verschiedene Typen von Software-Systemen sind dafür entwickelt worden: Learning Management Systeme (LMS), Content Management Systeme (CMS) und die Verknüpfung beider Systeme in Learning Content Management Systemen (LCMS) (siehe ausführlich Kap. 3.5.1). Im Folgenden werden diese drei Systeme zunächst unter dem Begriff Lernplattformen zusammengefasst. Diese Lernplattformen werden von vielen Bildungsanbietern genutzt, um netzbasierte Lehr- und Lernprozesse zu ermöglichen. Lernplattformen sind die technische Infrastruktur, in denen intendierte und vorwiegend formale, aber auch informelle Lernprozesse organisiert, geplant, durchgeführt und ggf. auch geprüft und evaluiert (z. B. mit Veranstaltungsevaluationen) werden können. Sie bieten einen geschützten virtuellen Raum für Lehr-Lern-Prozesses.
Zugleich zeichnet sich durch die wachsende Verfügbarkeit vielfältiger, gut aufbereiteter, digitalisierter Inhalte sowie (frei) verfügbarer Informationen, die als Bildungsressourcen genutzt werden können, und durch die Entwicklung von Wissensgemeinschaften im Internet eine Integration der verfügbaren Internetangebote in die Lernplattform ab. Lehr- und Lernressourcen können aus dem Internet in die Lernplattform übernommen werden, um Lernprozesse zu fördern. Es entsteht ein virtueller Bildungsraum, der neben der Lernplattform weitere Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten bietet, die zum Lernen und zur Kompetenzentwicklung genutzt werden können.
Die technischen Entwicklungen, wie die ständige Verfügbarkeit einer Netzanbindung und die steigende Leistungsfähigkeit der mobilen Geräte, in den letzten Jahren führen zur zunehmenden Auflösung der Grenzen zwischen realen und virtuellen Räumen. Diese Entwicklungen verändern auch die Art und Weise des Lehrens und Lernens. Durch die gegenseitigen Grenzüberschreitungen von virtuellen und realen Bildungsräumen entwickeln sich hybride Bildungsräume (siehe Abb. 3.1).
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