Wolfram Knauer - Play yourself, man!. Die Geschichte des Jazz in Deutschland

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Play yourself, man!. Die Geschichte des Jazz in Deutschland: краткое содержание, описание и аннотация

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»Play yourself!« – »Spiel dich selbst!« So lautete die Standardantwort schwarzer Musiker auf die Frage, wie man ein guter Jazzer werden könne. In der Improvisation Persönlichkeit ausbilden und zeigen – das könnte auch das Motto für die Entwicklung des Jazz in Deutschland sein. Denn es gelang der deutschen Szene, die afro-amerikanische Musiktradition aufzunehmen und eine eigene Spielart zu finden.
Wolfram Knauer zeichnet diesen Weg von den Anfängen nach dem Ersten Weltkrieg bis heute nach. Er taucht ein in das Berlin der 1920er, zeigt die Zurückdrängung von Swing und Jazz durch den Nationalsozialismus ebenso wie den Aufbruch im Nachkriegs-Frankfurt und den musikalischen Austausch mit den GIs, er beleuchtet die Szene in der DDR und illustriert die Umtriebigkeit der heutigen Jazz-Community. Knauers Buch basiert auf jahrzehntelanger Recherche und Leidenschaft – und es ist eine zum Standardwerk taugende Bestandsaufnahme des wohl vielfältigsten aller musikalischen Genres.
Alle Facetten des deutschen Jazz:
Vom Ballsaal Femina und dem Berlin der 1920er über Albert Mangelsdorff, Wolfgang Dauner, Karl Walter und die Jazz-Szene der DDR bis zu Christof Thewes, Michael Wollny und Anna-Lena Schnabel.

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Dass der Rundfunk die Platte nicht vollständig ersetzte, hatte zwei Gründe: Zum einen mussten die Sendeanstalten selbst auf Schallplatten zurückgreifen, um ihr musikalisches Programm, das sie nicht immer live produzieren konnten, bestreiten zu können. Zum zweiten aber hatte das Publikum schnell erkannt, dass es viel angenehmer war, Musik dann abspielen zu können, wenn man Zeit hatte, anstatt sich an die Sendepläne im Radio halten zu müssen.

Schallplattengeschäft in Frankfurt am Main Ab Mitte des Jahrzehnts jedenfalls - фото 4

Schallplattengeschäft in Frankfurt am Main

Ab Mitte des Jahrzehnts jedenfalls, erzählt der amerikanische Banjospieler Mike Danzi, der damals in Berlin lebte, habe es in der Stadt an Gelegenheiten zur Plattenaufnahme nicht gemangelt, insbesondere wenn eine Band als authentisch amerikanisch galt. Allein 17 Plattenfirmen hätten ihren Sitz in Berlin gehabt, erzählt er, die für den gesamten europäischen Markt und darüber hinaus für den weltweiten Export produzieren würden.47

Die Goldenen Zwanziger – das Jazz-Zeitalter

Mit der Einführung der Rentenmark Ende 1923 und der Reichsmark im Sommer 1924 war die Inflation dieser Jahre beendet. Ein neuer wirtschaftlicher Aufschwung Deutschlands konnte beginnen, und dieser Aufschwung erfasste auch die Kultur maßgeblich, die bis zur Weltwirtschaftskrise 1929 das populäre Gesicht der »Goldenen Zwanziger« sein sollte.

Berlin also war der hauptsächliche Schauplatz dieses ersten deutschen Jazzjahrzehnts. Hier gab es genügend Theater, Cabarets und Ballsäle; hier gab es reichlich Arbeit für Musiker in Revuen und Shows; hier waren die wichtigsten Plattenfirmen zu Hause; hier fand man ein neugieriges, aufgeschlossenes und vergnügungsfreudiges Publikum.

Berlin war mit mehr als vier Millionen Einwohnern die größte Stadt Europas, ein Verkehrsknotenpunkt zwischen Ost und West, besaß mehrere Opernhäuser, über 40 Theater, unzählige Clubs, Tanzlokale und Varietés. Mehr noch als in anderen Metropolen Europas stand der Jazz in Deutschland dabei für eine durchaus nicht nur negativ bewertete Dekadenz, für die Abkehr vom Althergebrachten, für eine ungewisse Zukunft. Klaus Mann beschreibt all dies in seinem Lebensbericht Der Wendepunkt :

Millionen von unterernährten, korrumpierten, verzweifelt geilen, wütend vergnügungssüchtigen Männern und Frauen torkeln und taumeln dahin im Jazz-Delirium. Der Tanz wird zur Manie, zur idée fixe, zum Kult. Die Börse hüpft, die Minister wackeln, der Reichstag vollführt Kapriolen. Kriegskrüppel und Kriegsgewinnler, Filmstars und Prostituierte, pensionierte Monarchen (mit Fürstenabfindung) und pensionierte Studienräte (völlig unabgefunden) – alles wirft die Glieder in grausiger Euphorie. Die Dichter winden sich in seherischen Konvulsionen; die ›Girls‹ der neuen Revuetheater schütteln animiert das Hinterteil. Man tanzt Foxtrott, Shimmy, Tango, den altertümlichen Walzer und den schicken Veitstanz. Man tanzt Hunger und Hysterie, Angst und Gier, Panik und Entsetzen. […] Ein geschlagenes verarmtes, demoralisiertes Volk sucht Vergessen im Tanz. Aus der Mode wird die Obsession; das Fieber greift um sich, unbezähmbar, wie gewisse Epidemien und mystische Zwangsvorstellungen des Mittelalters. Die Symptome der Jazz-Infektion, die Zeichen der hüpfenden Sucht lassen sich im ganzen Land bemerken; am gefährlichsten betroffen aber ist das schlagende Herz des Reiches, die Hauptstadt.48

Wohin in Berlin?

Wo also hörte man in der Hauptstadt Musik? Es gab im Berlin der 1920er Jahre Veranstaltungsorte mit den unterschiedlichsten Schwerpunkten, die Übergänge waren fließend: Es gab Revuetheater, Hotels mit angeschlossenen Tanz- oder Ballsälen, Cafés mit Musik- und Tanzprogrammen, Nachtclubs, Bars und Kabaretts. Die Besetzungen variierten je nach Spielort, es fand sich alles vom solistischen Barpianisten übers Trio bis zum großen Orchester. Der Admiralspalast an der Friedrichstraße war 1911 als Vergnügungsstätte eröffnet worden, die eine Eislaufbahn, mehrere Restaurants, Bäder, Kegelbahnen, ein großes Café, ein Lichtspieltheater und diverse große Säle beinhaltete. Aus der Eisbahn wurde Anfang der 1920er Jahre ein Varieté-, kurz darauf ein Revuetheater mit über 1000 Plätzen, in dem die größten Revuen der Hauptstadt aufgeführt wurden.

Postkarte Femina Ballsaal Berlin um 1930 Das Ballhaus Femina wurde Ende der - фото 5

Postkarte, Femina Ballsaal, Berlin, um 1930

Das Ballhaus Femina wurde Ende der 1920er Jahre an der Nürnberger Straße eröffnet und bot in mehreren Sälen und Bars Platz für mehr als 2000 Gäste. Das Gebäude im Stil der Neuen Sachlichkeit beherbergte auch in späteren Jahren wichtige Musikspielorte, etwa die Badewanne, die in den 1950er und 1960er Jahren Berlins wichtigster Jazzclub war, oder den Dschungel, eine Diskothek, in der in den späten 1970er, frühen 1980er Jahren auch David Bowie ein- und ausging. Heute befindet sich in dem Gebäude das Hotel Ellington, dessen Jazzbezug nicht nur im Namen vorhanden ist, sondern auch in den Fotos von Jazzgrößen der deutschen Fotografin Susanne Schapowalow, die überall im Haus hängen.

Das Haus Vaterland wurde 1928 am Potsdamer Platz als Großgaststätte eröffnet und beherbergte diverse thematisch ausgerichtete Restaurants. Anzeigen aus den frühen 1930er Jahren werben mit »12 Kapellen, 24 Girls, 50 Attraktionen«, und in Fotos aus den diversen Sälen erkennt man, dass in fast jedem von ihnen eine Bühne für Bands vorhanden war. Das Kakadu am Kurfürstendamm hatte bereits 1920 eröffnet und bestand aus einer Bar, einem – für damalige Zeiten außergewöhnlich – vegetarischen Restaurant und einem Kabarett, das jeden Abend ein fünfteiliges Programm bot und davor oder danach Tanz zur Begleitung durch eine Jazzkapelle. Um die Ecke in der Hardenbergstraße befand sich der vom gleichen Besitzer betriebene Nachtclub Barberina.

Tanzorchester spielten im Hotel Excelsior gegenüber dem Anhalter Bahnhof, das in den 1920er Jahren als größtes Hotel des Kontinents galt, oder im Hotel Adlon direkt am Brandenburger Tor, auf dem Dachgarten des Warenhauses Karstadt oder auch im El Dorado, einem Nachtclub in der Lutherstraße, der in den 1920er Jahren durch seine Travestieshows bekannt wurde. In der Kantstraße wurde 1928 direkt neben dem Theater des Westens der Delphi Filmpalast eröffnet, in dem bald die bedeutendsten Tanzorchester des Landes zu erleben waren.49 Die Eröffnungskapelle war die des britischen Saxophonisten und Klarinettisten Billy Bartholomew, in der neben deutschen auch weitere britische und amerikanische Musiker mitwirkten, etwa der Banjospieler Mike Danzi oder der Trompeter Nick Casti.50 Es gab den Wintergarten und die Scala sowie unzählige andere Theater und Vergnügungsstätten, die damals in ganz Deutschland bekannt waren.

In den diversen Kabaretts stand zwar das gesprochene Wort, der politische Spott im Vordergrund, die dargebotenen Chansons nahmen aber immer auch Anleihen aus dem Jazz, in den Texten, die sich auf die Moden der Gegenwart bezogen, genauso wie in der Musik, die mitunter dann wie eine Karikatur von Jazz wirken konnte. Mischa Spolianskyetwa war ein 1898 in Weißrussland geborener Komponist und Pianist, der seit 1914 in Berlin lebte und dort fürs politisch-literarische Kabarett sowie für Revuen komponierte – beispielsweise die Show Es liegt in der Luft von 1928, in der auch Marlene Dietrich auftrat. Bekannter noch waren die Komponisten Werner Richard Heymann und Friedrich Hollaender, die beide nach ihrer Emigration in Hollywood landeten und dort Filmmusiken schrieben.

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