Was ist die Palliativversorgung?
Merke: Das lateinische Wort »pallium« bedeutet Mantel und steht für beschützen, umhüllen. Dieses Beschützen und »Wärme Geben« wie ein Mantel beschreibt sehr deutlich den Umgang mit Personen, die schwersterkrankt sind und kurativ keine oder eine begleitende Behandlung bedürfen oder möchten.
Charakteristika von Palliative Care
Der kranke Mensch wird in seiner Ganzheitlichkeit gesehen, mit physischen, psychischen und geistig/seelischen Nöten.
Im Vordergrund steht das medizinisch-ethisch Vertretbare, nicht das medizinisch-technisch Machbare.
Der bzw. die Palliative und/oder Sterbende führt Regie!
1.4 Inhalte der Palliative Care
Palliativversorgung ist ein Ansatz/Leitgedanke zur Verbesserung der Lebensqualität von betroffenen Personen und ihren Familien, die Problemen und Herausforderungen gegenübergestehen, welche mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen.
Dazu gehören das Vorbeugen und Lindern von Leiden, eine frühzeitige Wahrnehmung, eine sichere Einschätzung und Behandlung von Schmerzen sowie weiteren belastenden Qualen körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.
In der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland heißt es im Leitsatz 2:
»Jeder schwerstkranke und sterbende Mensch hat ein Recht auf eine umfassende medizinische, pflegerische, psychosoziale und spirituelle Betreuung und Begleitung, die seiner individuellen Lebenssituation und seinem hospizlich-palliativen Versorgungsbedarf Rechnung trägt.«
(DGP e. V.; Deutscher Hospiz- und PalliativVerband e. V., Bundesärztekammer, Leitsatz 2)
Das »Recht« ist zwar verankert, doch die Umsetzung gestaltet sich oft sehr schwierig. Immer wieder versuchen Politik, Mediziner und die Gesellschaft, diesem Leitsatz Rechnung zu tragen. Die Gesetzgebung in Deutschland ist durch das Bundes- und die unterschiedlichen Ländergesetze oft schwer durchschaubar. Die letzte Gesetzesänderung auf Bundesebene gab es 2015 mit dem »Hospiz- und Palliativgesetz« (HPG 08.12.2015). Es soll eine Verbesserung der bedarfsgerechten Versorgung unterstützen. Ein Bedarf ist immer der objektiv erkennbare und nachvollziehbare Mangel- und Belastungszustand. Dafür ist die Politik und/oder die Gesellschaft zuständig. Ein Ansinnen ist es, das Sterben in die Mitte der Gesellschaft zurückzuholen, denn sowohl Geburt und Leben als auch Sterben und Tod gehören zum oder ins Leben, auch in strukturschwachen Gegenden. Bereits 2007 wurden die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) und weitere Verbesserungen durch SGB V, § § 37b und § 132d eingeführt.
Die Palliativversorgung in Deutschland wird in vier Bereiche eingeteilt (
Tab. 1.1). In dem ambulanten Bereich gibt es die allgemeine (AAPV) und die spezialisierte (SAPV) Palliativversorgung. Im stationären Bereich (Krankenhaus und Altenpflegeeinrichtungen) gibt es ebenfalls eine allgemeine (APV) und eine spezialisierte (SPV) Palliativversorgung, wobei die Finanzierung der SPV in den Altenpflegeeinrichtungen speziell finanziert und auch gestaltet wird.
Die allgemeine Palliativversorgung findet in der allgemeinen Existenz der ambulanten Pflege und der stationären Langzeitpflege und im Krankenhaus statt. Hier genügt eine Basisqualifikation aller Berufsgruppen.
1.4.1 Übersicht der allgemeinen und spezialisierten Versorgungsstrukturen
Tab. 1.1: Palliativversorgung in Deutschland (nach Radbdruch und Payne 2011)
Stationäre PalliativversorgungAmbulante Palliativversorgung
*Palliativdienste im Krankenhaus sind grundsätzlich der spezialisierten Versorgung zuzurechnen, werden aber aufgrund ihrer derzeitigen Finanzierungsmöglichkeit über eine Komplexpauschale (OPS 8-892) in dieser Finanzierungssystematik nicht der spezialisierten Versorgung (OPS 8-98e) zugeordnet.
Die Palliativversorgung in den Pflegeeinrichtungen kann durch SAPV eingekauft oder als Kooperation gestaltet werden. Sie wird über die Krankenkassen finanziert.
Allerdings gibt es die SAPV nicht überall in Deutschland. In ländlichen Gegenden ist sie eine zusätzliche Aufgabe der Hausärzte und der ambulanten Pflegedienste. Die Wege sind dort weit und die Finanzierung nicht ausreichend gesichert. Das HPG soll hier unterstützend helfen.
Abb. 1.2 stellt die allgemeine und spezialisierte Palliativversorgung in einem Krankenhaus beispielhaft dar:
Abb. 1.2: Allgemeine und spezialisierte Palliativversorgung in einem Krankenhaus
Nicht jedes Krankenhaus verfügt über Palliativbetten oder eine Palliativstation/-einheit. Dort findet die Palliativversorgung durch das Stationsteam als Basiselement statt.
Inhalte der allgemeinen Palliativversorgung im Krankenhaus (alle Stationen) sind grundsätzlich
• ärztliches und pflegerisches Basismanagement von Schmerzen, Luftnot, Übelkeit usw.
• die Ermittlung des Patientenwillens und eine partizipative Entscheidungsfindung durch Gespräche mit dem Patienten und evtl. Angehörigen.
• ein Entlassungsmanagement (§ 39 Abs. 1, SGB V), das den Wünschen und Bedürfnisse der Person entspricht.
• eine ärztliche Sterbebegleitung lt. den Grundsätzen der Bundesärztekammer von 2011.
Es bleiben viel Fragen offen:
• Wann, wie oft und wie werden ein palliativer Bedarf und auch Bedürfnisse überhaupt erkannt?
• Wann ist eine spezialisierte Palliativversorgung notwendig?
• Nach welchen Regeln erhalten Betroffene eine Palliativversorgung auf einer Station?
Merke: Bislang gibt es keine (gemeinsamen) Kriterien für eine Basisversorgung in Abgrenzung zur spezialisierten Palliativversorgung
Die spezialisierte Palliativversorgung wird über die Komplexbehandlungen geregelt.
• Es gibt zwei Komplexbeschreibungen (OPS 8-982 – allgemeine – und 8-98e –spezialisierte) mit Mindestmerkmalen, die zu erfüllen sind.
• Erst ab dem 7. Behandlungstag wird ein gestaffeltes Zusatzentgelt gezahlt.
• oder krankenhausindividuell vereinbarte Tagessätze nach individuellen Struktur- und Prozessgegebenheiten.
Seit der letzten Gesetzgebung gibt es die spezialisierte palliativmedizinische Komplexbehandlung durch einen Palliativdienst, die krankenhausintern die Basisversorgung in den Stationen durch ihren Dienst unterstützen kann. (OPS 8-98h)
Genauso wie bei der SAPV gehört zur Palliativstation ein interdisziplinäres Team, das sich gemeinsam um das Wohl der betroffenen Personen kümmert.
Abb. 1.3: Teamarbeit in der Palliative Care (Darstellung Sarah Eschmann)
Auf der Homepage der DGP gibt es viele Informationen inkl. Leitlinien, die sowohl für die allgemeine als auch für spezialisierte Palliativversorgung gelten, siehe https://www.dgpalliativmedizin.de/.
Bei all den gesetzlichen Rahmenbedingungen und alltäglichen Begebenheiten in den Kliniken, Hospizen oder der ambulanten Versorgung muss der Mensch im Mittelpunkt bleiben. Denn letztlich und zu aller erst ist die Palliativversorgung eine Haltung!
Читать дальше