Dies ergänzt Heribert Prantl, langjähriges Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung , indem er genauer auf die Gefährdungen unserer unter dem Pandemieregime herausgeforderten Grundrechte und die damit einhergehenden Liberalitätsverluste hinweist. Prantl sieht dabei die Rolle des Journalismus sehr eindeutig: stets auf der Seite der Grundrechte, auch – oder gerade – wenn es unbequem ist.
Nach diesen beiden eher pessimistischen Beiträgen schließt der Ökonom Bruno Frey den ersten Teil des Buches mit einem wohltuend optimistischen Ausblick für den Liberalismus ab. Er macht deutlich, dass materieller Wohlstand zwar das Wohlbefinden der meisten Menschen steigert, aber eben keineswegs alleine. Ein hoher Grad persönlicher Freiheit und ein von Liberalität geprägtes politisches und gesellschaftliches Umfeld sind ebenfalls wesentliche Voraussetzungen für unser Glück. Dies macht den Einsatz für Liberalismus und Liberalität umso wichtiger.
Zweiter Abschnitt:
Liberaler Journalismus, liberale Journalisten?
Der zweite Abschnitt lenkt den Blick noch gezielter auf den Journalismus und die Journalisten. Den Anfang macht Beatrice Dernbach, Professorin für Praktischen Journalismus an der Technischen Hochschule Nürnberg, die Liberalität als grundlegenden journalistischen Wert charakterisiert und erläutert, inwiefern der Journalismus auf einem liberalen Fundament ruht. Dies impliziert keine Parteilichkeit, und immer wieder geraten liberale Normen auch unter ökonomischen Druck. Doch das Bewusstsein für das liberale Fundament des Journalismus sollte dabei nicht verlorengehen.
Christian Hoffmann, Professor für Kommunikationsmanagement und politische Kommunikation an der Universität Leipzig, wirft, daran anschließend, einen Blick auf politische Einstellungen im journalistischen Berufsfeld, die deutlich nach links tendieren. Doch wie wirkt sich das auf die Berichterstattung aus? Der Autor betont den Wert politischer Perspektivenvielfalt für den Journalismus.
Einen Kontrapunkt dazu setzt das Autorengespann aus Uwe Krüger, auch Universität Leipzig, Holger Pötzsch, Arctic University of Norway, und Hendrik Theine, Wirtschaftsuniversität Wien. Sie sehen eine Gefahr für journalistische Perspektivenvielfalt nicht etwa in zu homogen linken Einstellungen im Berufsfeld, sondern vielmehr in einer zu starken Wirkmächtigkeit des Neoliberalismus – insbesondere in den Produktionsstrukturen und -anreizen des Journalismus.
Ganz anders Ulf Poschardt, Chefredakteur der Welt -Gruppe. Er beklagt in seinem Metier einen Schwenk »weg von der Beschreibung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Realitäten hin zur Forderung moralischer Standards«. Wenn Gesinnung Recherche schlägt, sei das »auf kurze Sicht sehr preiswert«, aber auf die Dauer werde damit der Ast abgesägt, auf dem alle Journalisten sitzen – die Glaubwürdigkeit.
Jochen Bittner, Co-Leiter des Ressorts ›Streit‹ der Zeit , warnt daran anknüpfend vor allem vor dem normativen Furor der in Teilen des Journalismus populären Identitätspolitik. Bittner erläutert differenziert, was sich hinter Schlagworten wie ›Kritischer Theorie‹, ›Intersektionalität‹ und ›Cancel Culture‹ verbirgt – und kontrastiert sie mit einem aufklärungsoptimistischen Liberalismus.
Gregor Engelmeier, Informatik-Experte, und Fatina Keilani, Neue Zürcher Zeitung , warnen vor diesem Hintergrund vor den Herausforderungen eines Journalismus in der ›postfaktischen Gesellschaft‹. Wo gefühlte Wahrheiten die bewährten liberalen Institutionen der Wahrheitsfindung attackieren, droht der Journalismus seinen Kompass zu verlieren – und seinen gesellschaftlichen Rückhalt.
Auch Rainer Hank, Publizist und langjähriger FAS -Kolumnist, ermahnt seine allzusehr moralisierenden Kolleginnen und Kollegen, die Journalismus als ein Erziehungsprogramm missverstehen, zu mehr Zurückhaltung. Statt Mediennutzer zu »aufgeregten Weltverbesserern« machen zu wollen, wäre uns schon mit mehr »gelassenen Weltverstehern« im Publikum gedient, meint er.
Henrik Müller, der an der Universität Dortmund Wirtschaftsjournalismus lehrt und zuvor der Chefredaktion des Manager-Magazins angehörte, richtet seinen Blick schließlich wieder stärker in Richtung der neoliberalen Zerreißprobe: Er beschreibt die Wirtschaftspolitik als fruchtbares Feld für Populismen. Aufklärung sei daher notwendig – doch auch der Wirtschaftsjournalismus unterliege allzu häufig den Zwängen der Aufmerksamkeitsökonomie, die griffigen, aber oft zu einfachen Erzählungen ein Einfallstor biete.
Daran knüpft Tim Krieger, Professor für Ordnungs- und Wettbewerbspolitik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, mit einem Erklärungsversuch an, warum gerade die Vermittlung ordoliberaler Überlegungen im öffentlichen Diskurs oft schwierig sei. Eine Rolle spiele dabei die schwierig zu vermittelnde, etwas abstrakte, und aus journalistischer Sicht manchmal auch etwas langweilige Fokussierung der Ordoliberalen auf den Ordnungsrahmen – statt auf handfeste und griffige politische Interventionen.
Dritter Abschnitt:
Parteien, Liberalität und Medien
Der dritte Abschnitt des Bandes richtet schließlich den Blick auf die politische Arena – und ihr häufig spannungsvolles Verhältnis zum Journalismus. Auf den ersten Blick scheint hier der parteipolitische Liberalismus in Form der FDP eine relative Blüte zu erleben. Spielen dabei auch die Medien eine Rolle? Der Medienforscher Roland Schatz jedenfalls sieht das so. Er offeriert zunächst einen Überblick über die Langfrist-Trends der Medienberichterstattung zur FDP – und hebt das aufmerksamkeitsökonomische ›Wunder‹ hervor, dass die Partei – auch dank der Kommunikation Christian Lindners – vier harte Jahre außerparlamentarischer Opposition überlebt habe.
Wolfgang Kubicki ergänzt die Datenlage mit seinem Erfahrungsbericht aus Sicht des langjährigen FDP-Insiders, der letztlich darauf hinausläuft, dass Totgesagte länger leben – jedenfalls, wenn sie zu ihren liberalen Überzeugungen stehen und der alltäglichen aufgeregten Medienberichterstattung zwar nicht mit Ignoranz, aber eben doch mit Gelassenheit begegnen.
Laura Schieritz zeigt als Nachwuchs-Politikerin und Sprecherin der Jungen Liberalen, wie ein einziges, nicht tot zu kriegendes mediales Narrativ den medialen Blick auf die FDP verfälscht und verengt: Die FDP sei eine ›One-Man-Show‹, heißt es immer wieder – und so bleibe in der journalistischen Berichterstattung der innerparteiliche Diskurs weitgehend ausgeblendet; die Stimmenvielfalt, die gerade für eine liberale Partei prägend sei.
Kommunikationsexperte (und FDP-Mitglied) Hasso Mansfeld überlegt darauf aufbauend, wie die Liberalen sich (noch) besser verkaufen könnten. Eine Gefahr sei dabei die Verlockung des Zeitgeists, die Anbiederung an vermeintliche Mehrheitsmeinungen – auch im Journalismus. Liberale sollten vielmehr die Stärke haben, zu prominenten Themen auch unbequeme Antworten beizusteuern – und dabei vor allem auch den Wert der offenen Debatte zu verteidigen.
Doch betrachtet sich die FDP wirklich zu Recht als die parteipolitische Heimat des Liberalismus? Peter Unfried, Chefreporter der taz , hegt da Zweifel. Er bietet eine Argumentation an, wonach die Grünen der neue Hort des Liberalismus werden könnten – wenn der Liberalismus dabei vor dem Hintergrund des Klimawandels neu gedacht wird.
Doch so einfach mögen auch die Unionsparteien den Liberalismus nicht preisgeben: Antonia Haufler, Bundesgeschäftsführerin der Jungen Union, skizziert, wie die »einzig verbliebene Volkspartei« in der Ära Merkel um innerparteiliche Liberalität gerungen habe – mal mehr, mal weniger erfolgreich. Sie sieht in mangelnder Liberalität nicht nur eine Gefahr für die Union, sondern für die politische Debatte insgesamt. Daher ihr Appell, auch die Union müsse (wieder) dem Liberalismus eine Heimat bieten.
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