Abb. 15: Was ist ein AC?
Das AC gilt als multiple Verfahrenstechnik aus der eignungsdiagnostischen Gruppe der Arbeitsprobe. Dabei werden Einschätzungen von Beobachtern, die im Verhältnis eins zu zwei zur Zahl der Beurteilten stehen und am besten zwei Hierarchieebenen über den Beurteilten sein sollten, abgegeben. AC dauern in der Regel zwei bis drei Tage, und es nehmen durchschnittlich doppelt so viele Kandidaten wie Beobachter teil. Da AC aufwändig sind, sollte man sie dort einsetzen, wo sie am meisten Nutzen entfalten können.
Im AC können auch bei entsprechender Schulung nicht mehr als drei Merkmale von den Beobachtern simultan gut beobachtet werden. Deshalb gilt für die Praxis die Empfehlung, lieber weniger Inhalte zu erheben, dafür aber mit mehreren Übungen oder sogar mehreren Verfahren dieselben Kriterien mehrfach zu beurteilen. Wie bereits erwähnt stehen dabei vor allem die Soft Skills des Bewerbers im Fokus. Die hohe Validität eines AC kann nur gewährleistet werden, wenn anerkannte Qualitätskriterien (die wir noch behandeln werden) in der Konzeption und der Durchführung eingehalten werden.
Generell ist bei einem AC zu beachten, dass es sich um kein Masseninstrument handelt, sondern vielmehr dann angezeigt ist, wenn man aufgrund der Verantwortung der zu besetzenden Position einen erhöhten Zeit- und Ressourcenaufwand betreiben will, um aus einem ansonsten hinsichtlich Kenntnissen und Berufserfahrungen vergleichbaren Bewerberpool diejenigen auszuwählen, welche am besten hinsichtlich der geforderten Soft Skills (Fähigkeiten) für die Position passen. Als Trends im Assessment-Center gelten etwa Dynamisierung und Flexibilisierung des Verfahrens, was aber noch nicht zu einer messbaren Verbesserung des Verfahrens geführt hat. Zunehmend werden die Beobachterevaluationen elektronisch erhoben und zusammengeführt. Die Digitalisierung hat dabei in der Praxis Zeitersparnis, Fehlereliminierung und Erleichterung gebracht.
3.9.1 Validität des Assessment-Centers
Die eignungsdiagnostische Validität von Auswahlinstrumenten wird oft in Prozent der Prognosegüte angegeben. Damit ist die Wahrscheinlichkeit gemeint, mit der aus dem im Auswahlverfahren festgestellten Ergebnis auch auf die spätere Leistung am Arbeitsplatz gefolgert werden kann. So weisen nach Angaben des Arbeitskreises AC bekannte Auswahlverfahren etwa folgende Prognosegüte auf (
Abb. 16).
Diese Angaben sind in der wissenschaftlichen Literatur zur Eignungsdiagnostik durchaus unterschiedlich. Insbesondere wurde auch darauf hingewiesen, dass bei ansteigender Komplexität der beruflichen Tätigkeitsfelder sich die Validitäten verringern. Das hängt aber auch damit zusammen, dass nicht immer Gleiches verglichen wird. Letztlich sind Vergleiche nur sinnvoll, wenn das Setting hinsichtlich der verwendeten Qualitätskriterien möglichst identisch ist. So ist es durchaus plausibel, dass erfahrene Interviewer mit einem strukturierten Interview, das offene Fragen nach dem Verhaltensdreieck benutzt, eine höhere Validität erzielen werden, als ungeschulte Beobachter in einem schlecht konzipierten AC. Geht man aber von einem gut durchdachten Setting aus, eignet sich das AC am ehesten für eine realistische Prognose, auch wenn es das zeitaufwendigste Instrument ist.
Woraus resultiert nun aber die behauptete hohe Validität eines AC? Die dahinterstehende Philosophie behauptet einen Anstieg der Validität, je näher man sich im Auswahlverfahren an die Wirklichkeit der späteren Arbeitstätigkeit annähert. Demnach ist die Simulation im AC, in der spätere Arbeitssituationen in Übungen oder Fallarbeiten nachempfunden werden, das Verfahren, das der Wirklichkeit hinsichtlich des zu beobachtenden Verhaltens, wenn auch unter »Laborbedingun-
Abb. 16: Prognosegüte von Auswahlverfahren
gen«, am nächsten kommt. Es ist einleuchtend, dass dahinter die Vermutung steht, dass sich konkretes Verhalten schlechter vortäuschen lässt als sprachliche Vermittlung. Auch kann man sich als Bewerber besser auf die hypothetische Ebene von sprachlichen Fragen vorbereiten, als auf einen Verhaltenstest. Die Ebene des konkreten Verhaltens ist im Beurteilungsprozess des AC deshalb auch die unmittelbare Ausgangsbasis für die Beobachter.
3.9.2 Konstruktion geeigneter Übungen
Bei der Konstruktion geeigneter Übungen aus dem Anforderungsprofil ist immer zu beachten, dass die zu prüfenden Fähigkeiten die Übungen bestimmen sollen und nicht umgekehrt. Soll z. B. Kommunikationsfähigkeit geprüft werden, muss man untersuchen, in welchen praktischen Fällen der Arbeitswelt diese später gezeigt werden muss. Geht es vor allem um Vorträge und Präsentationen, wird man eine Präsentationsübung konstruieren. Geht es eher um Kommunikationsfähigkeit innerhalb einer Gruppe oder eines Teams, so ist eine Gruppenübung zu wählen, welche der späteren Arbeitswirklichkeit möglichst nahekommt.
All diese Übungen sind Standard für große Unternehmen, da die Inhalte zum Arbeitsalltag aller Mitarbeiter gehören. Sollte der spätere Mitarbeiter Präsentationen vor allem vor Führungskräften, möglicherweise sogar vor einem internationalen Board halten müssen, wird man die Präsentationsübung mit Rollenspielen verbinden, bei denen die Beobachter Fragen stellen und die Präsentation z. B. in englischer Sprache durchführen lassen.
Für die Simulation von Mitarbeitergesprächen bieten sich Rollenspiele zu zweit an, wobei es sinnvoll ist, dafür einen eigenen Pool an externen Schauspielern zu akquirieren. Aufgrund von Vertraulichkeit und Qualität sollten nur dann Mitarbeiter des eigenen Unternehmens in Frage kommen, wenn die Bewerber ausschließlich extern sind, und die Rollenspieler ausreichend geschult sind. Hierbei ist insbesondere auf eine ausreichende Kalibrierung der Rollenspieler untereinander zu achten, da die Ergebnisse sonst verzerrt werden können.
Die Übungen sollten von Zeit zu Zeit überarbeitet werden, z. B. wenn sich das Qualifikationsprofil ändert oder wenn sich herausstellt, dass in den Gruppenübungen nicht genug Dynamik entsteht, um differenziert beobachten zu können. Das Setting ist abhängig vom gewünschten Resultat: Übungen, die dahin ausgerichtet sind, analytische Fähigkeiten, Geschäftsverständnis etc. zu bewerten, werden stärker direktiv angelegt sein. Eine Verschärfung des Anspruchs kann meist über eine Erhöhung der Anforderungen sowie eine Reduktion der zur Verfügung gestellten Zeit erreicht werden. Anders verhält es sich bei Soft Skills wie Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Durchsetzungsfähigkeit, Initiative etc. Bewegt sich ein AC im Bereich dieser Fähigkeiten, so zeigt die Erfahrung, dass der Druck und der Anspruch für Kandidaten reziprok zur Spezifizierung der Aufgaben ansteigen. So kann es zielführend sein, eine Kandidatengruppe einem Setting mit möglichst wenigen Vorgaben auszusetzen, um die Gruppendynamik zu steigern.
3.9.3 Zeitplan und Aufbau eines Assessment-Centers
Ein AC hat je nach Anzahl der Kandidaten und Durchführungstage einen erheblichen Vorlauf und Voraufwand. Dieser beginnt bereits Wochen vorher, wenn unter Zugrundelegung des Anforderungsprofils zunächst passende Fähigkeiten und dann passende Übungen, die diese Fähigkeiten sichtbar machen, abgeleitet werden. Auch die verantwortlichen Beteiligten werden benannt und ein Projektplan erstellt, denn ein gelungenes AC hängt wesentlich von der geleisteten Vorarbeit ab. Die gesamte Projektsteuerung sollten Mitarbeiter des Personalwesens übernehmen. Für die Einhaltung der administrativen Erfordernisse sowie der Festlegung der Verantwortlichen sollten die Entscheidungsträger zur Besetzung der Vakanzen zuständig sein.
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