Abgesehen von einem bescheidenen Dorf von Kaufleuten und Bauern, war es ein weit abgelegenes Gebiet von den bewohnten Zentren, reich an Wäldern auf der einen Seite, auf den Hängen der höchsten Berge und an begrasten Hügeln, geeignet als Weideland auf der anderen Seite. Ein Fluss floss am tiefsten Punkt des Tals und von diesem war trotz des Sommers noch ein Rinnsal vorhanden, das den Soldaten die Wasserversorgung sicherte.
Nun starrte Conrad auf den Punkt unten auf der Straße, an dem er seinen Vater zum letzten Mal gesehen hatte. Am Morgen hatte er ihm geholfen, über die lange weiße Tunika das schwere Kettenhemd anzulegen, das auf seiner Brust ein rotes Kreuz zeigte. Es war bereits in den ersten Stunden nach Sonnenaufgang heiß, so dass er den Helm vor der Sonne geschützt hatte, damit er etwas kühler war, wenn Vater ihn aufsetzen würde. Als letzte Geste hatte Rabel, bevor er auf den Rücken seines Pferdes stieg, das Haar seines Sohnes gestreift und Conrad hatte ihm die Standarte und den Helm übergeben. Dann ein Blick und schon war er weg, untergetaucht in einer menschlichen Flut aus Soldaten, die zum Sammelpunkt außerhalb des Lagers gingen; hier hatte Giorgio Maniace seine Truppen versammelt. Conrad war auf den Hocker gestiegen, der gerade von einem segnenden Prediger verlassen worden war und hatte versucht Rabel unter den Männern zu finden, die dort unten versammelt waren. Er sah Roul, Kopf und Schultern aufrecht über den anderen und stellte sich vor, dass sein Vater in seiner Nähe war.
Sie wussten alle, dass dies der wichtigste Kampf des gesamten sizilianischen Krieges sein würde. Doch Rabel hatte versucht seine Anspannung darüber zu verbergen. Er wollte nicht, dass sie die Zeit trübte, die er an diesem Tag mit seinem Sohn verbrachte.
“Sind die anderen sehr viele?” hatte Conrad gefragt.
“Die Späher sprechen in erster Linie von Infanterie. Wir haben ein Pferd!”
“Darf ich dieses Mal dabei sein…“
“Conrad, mein Sohn, ich habe es dir jetzt schon hundertmal gesagt: Du bleibst hier bei den Frauen, der Dienerschaft und den Mönchen…“ kommentierte Rabel, und fuhr fort:
“Aber wenn wir die ersten Kämpfe nicht für uns entscheiden können, fliehe auf die Hügel und verstecke dich.“
“Ist das denn möglich? Tancred und Roul sagen, dass die Dinge so laufen werden wie bisher… wir werden gewinnen und werden reichen Lohn nach Hause bringen.”
“Und sie haben Recht… es gibt nichts, worüber man sich Sorgen machen muss. Unser Handwerk ist schwierig, das stimmt, aber wir wissen, was wir tun. Und dann wehe, wenn die Soldaten entmutigt werden!”
Auf diese Weise ermutigte Rabel seinen Sohn.
Es war bereits Mittag und im Lager spürte man förmlich die Besorgnis wegen dieser nervenaufreibenden Wartezeit. Immer wieder kam jemand aus dem Feld, um über den Verlauf des Kampfes zu berichten. Eine unter den Mädchen der Dienerschaft weinte, mit Sicherheit aus Zuneigung zu einem Soldaten, mit dem es eine Liebschaft hatte. Dann kam ein Feldprediger zu Conrad, der noch immer auf dem Hocker unter der Sonne saß und sagte:
“Sohn, dein Vater wird nicht früher zurückkehren, wenn du hierbleibst und das Ende der Straße anstarrst.“
Conrad sah ihn von unten nach oben an.
“Hier, ein Stück Brot!“ endete der Prediger.
Der Junge nahm es und biss hinein.
“Wenn du etwas brauchst, um nicht nur deinen Bauch, sondern auch deinen Kopf zu beschäftigen, dann komm mit mir.“
Er brachte ihn auf einen kahlen Hügel mit goldenen Farbtönen, da die Vegetation von der Sonne verbrannt worden war. Auf dem Gipfel gab es keine Erde und ein großer zerklüfteter Schieferfelsen ragte hervor. Ein Olivenbaum, der einzig vorhandene, seitlich der Felsformation verwurzelt, war von einer kleinen Herde von Ziegen und einem alten Hirten besetzt, dessen Gesicht aussah, als hätte er mehr Falten als Jahre auf dem Buckel. Der Priester drehte sich um und fädelte sich durch einen Spalt im Felsen. Conrad war verblüfft, dass das Innere des Spaltes groß genug war, um die Anwesenheit von mindestens zwanzig Männern zu ermöglichen. Er war vollständig mit leuchtenden Farben bemalt, wobei auf allen Wänden Bilder von biblischen Geschichten und das Leben von Heiligen gezeigt wurden; Der Stil war typisch für die heiligen Bildnisse des Orients. Ein kleiner Knieschoner am Ende und ein Kreuz an der Wand zeigten den Ort, an dem man sich verbeugte.
“Vater, ihr seid ein Fremder, der der Armee gefolgt ist. Woher kennt ihr diesen Ort?”
“Die Brüder des griechischen Ritus treffen sich hier seit Jahrhunderten, um zu beten. Sie waren es, die es mir erzählten. Aber jetzt bete zum Herrn und der Jungfrau, damit dein Vater gesund und heil zurückkehrt.» beendete der Prediger, bevor er ihn allein ließ.
Auf diese Weise fand sich Conrad allein, auf Knien, mit geschlossenen Augen, das Kreuz an seiner Brust umklammert, um zu beten, dass Gott seinen Vater zurückbringen würde.
Als er zum Lager zurückkam, war es schon Abend. Er lief, sobald er sah, dass einige Männer zu Pferd aus der Schlacht zurückgekehrt waren. Er rannte schneller, als er bemerkte, dass einer von ihnen der große Raul war; das Blut auf seiner dänischen Axt und seinem Kettenhemd war noch frisch.
“Junge, wo warst du?” fragte der Krieger, sobald Conrad bei ihnen war.
“Ein Priester hat mich auf den Hügel geführt…” erklärte er, aber er wollte nicht verraten, was er dort getan hatte, aus Angst, dass seine Intimität verspottet würde.
Dann verzog er das Gesicht…, wenn sein Vater unverletzt zurückgekommen wäre, wäre er in der ersten Reihe unter diesen Männern gewesen. Plötzlich erschien ihm das Gesicht von Roul traurig, als ob seine Wut durch ein schändliches Ereignis gedemütigt worden wäre. Erst jetzt begann er zu erkennen, was sich hinter dieser menschlichen Decke von Soldaten aus dem Norden verbarg, von denen Roul der Anführer war.
“Wo ist mein Vater?” fragte er, während er sich die Antwort bereits vorstellte.
“Wir haben gewonnen, Kind.” sagte Tancred, ein anderer, der Rabel am nächsten stand, vielleicht um das Unbehagen des kleinen Jungen auszugleichen; dieser trug noch immer seinen langen Speer und seinen roten Mantel.
“Ja, die, die übrig geblieben sind, haben wir in die Flucht geschlagen.” mischte sich ein anderer ein.
“Es war ein großer Sieg!” rief jemand in der Gruppe.
“Auch der Wind war uns heute wohl gesonnen… aber den schlimmsten Wind haben wieder einmal wir von der normannischen Kompanie gemacht.” fügte Tancred hinzu.
Doch Conrad, noch während der letzte sprach, öffnete sich einen Weg durch die Männer.
Rabel lag ausgestreckt auf dem Boden. Seine Kehle war von einem großen Blutfleck gekennzeichnet, vermutlich dort, wo ihn der tödliche Schlag getroffen hatte; ein Schlag, der mit unglaublicher Kraft durchgeführt worden war, da er das Kettenhemd durchbohrt hatte. Die blonde Mähne war entblößt, da ihn offenbar jemand von seinem Helm und der Kapuze befreit hatte.
Conrad starrte ihn unbeweglich an, ohne den Mut zu haben, sich ihm zu nähern. Sein Verstand hatte nie daran gedacht, dass all dies wirklich passieren könnte.
An diesem Punkt legte ihm Roul eine Hand auf seine Schulter und sagte zu ihm:
“Die Armee verfolgt sie… andere von uns sind auf dem Feld gefallen und warten darauf, dass wir sie holen… aber wir… wir, mein lieber Conrad, konnten uns nicht den Plünderungen hingeben oder uns über die anderen Toten Gedanken machen, wenn der Sohn von einem von uns ängstlich auf seinen Vater wartet.”
“Ihr hättet ihn nicht so schnell gebracht, wenn sein Atem auf dem Schlachtfeld bereits ausgesetzt hätte.” sagte Conrad, während die ersten beiden Tränen seine Wangen zeichneten.
Roul kniete sich zu ihm hin und versuchte ihn zu trösten.
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