Sobald wir die Stadt erreicht hatten, gingen wir zur Gilde, um unsere Belohnung abzuholen.
»Mann, zwölf Geister in weniger als einer Stunde: 1,2 Millionen … Das ist ein ziemlich guter Schnitt, aber ich schätze, kein Geld der Welt ist es wert, zu sterben. Du hast doch gesagt, auf den Wintergeneral ist ein besonderes Kopfgeld ausgesetzt, oder? Ich frage mich, wie viel er einbringt. Er hat Darkness’ Schwert mit einem Hieb zerbrochen. Er ist stärker als Beldia, und der war dreihundert Millionen wert.«
»Der Wintergeneral tut einem nichts, wenn man die Schneegeister in Ruhe lässt. Trotzdem könnte er um die zweihundert Millionen Eris wert sein. Beldia war mehr wert, weil er als General des Dämonenkönigs nicht nur mächtig, sondern auch eine ständige Bedrohung für die Menschheit war. Der Wintergeneral ist nicht sehr aggressiv, daher ist er weniger wert. Trotzdem zeigen die zweihundert Millionen, dass er kein einfacher Gegner ist.«
Bei Megumins Erklärung verstummte ich.
Zweihundert Millionen … Das würde reichen, um unsere Schulden abzubezahlen, ein Haus zu kaufen und immer noch Geld übrig zu haben, um sich zu amüsieren.
»Megumin, könntest du ›Explo…‹?«
»›Explosion‹ wirkt beim Wintergeneral nicht. Er erscheint zwar in menschlicher Gestalt, ist aber ein Geist. Im Grunde genommen sind Geister eine Ansammlung von Magie ohne feste Form. Und die Anführer dieser Geister haben eine unglaubliche ›Magieabwehr‹. ›Explosion‹ kann zwar jeder Kreatur Schaden zufügen, aber es wäre schwierig, einen Geist mit einem Schlag auszuschalten … nicht dass ich es gegen einen so gefährlichen Gegner versuchen wollen würde.«
Keine Chance, hm? Als sie meine Niedergeschlagenheit bemerkte, schlich sich ein selbstzufriedenes Grinsen auf Aquas Gesicht. »He he! Ach, Kazuma, guck doch nicht so bedröppelt. Weißt du, ich habe mich nicht nur vor dem General in den Staub geworfen. Sieh dir das an!« Während sie sprach, zog sie ein kleines Glas hervor. Darin befand sich ein Schneegeist. Anscheinend hatte sie nach dem Kampf nicht alle freigelassen. Einer war noch übrig.
»Wow! Gut gemacht, Aqua! Okay, gib mal her. Ich mach ihn platt!« Ich wollte nach dem Glas greifen, während ich Aqua für ihren ungewohnt cleveren Schachzug lobte.
»Hm? Vergiss es! Den nehme ich mit, um ihn als Kühlschrank zu benutzen. Damit wir selbst im Hochsommer eiskalte Neroid trinken können … Nein! Der gehört mir! Ich hab ihm sogar einen Namen gegeben. Ich lass nicht zu, dass du ihn umbringst. Lass das! Hör auf!« Sie umklammerte das Glas und zog sich zurück. Sie leistete deutlich mehr Widerstand, als ich erwartet hatte.
Mann, wir hätten hunderttausend für das Ding kriegen können, wenn wir es vernichtet hätten …
Andererseits hatte Aqua mich gerade ins Leben zurückgeholt. So sehr ich es auch hasste, Geld liegen zu lassen, aber dieses Mal würde ich es ihr durchgehen lassen.
Wir holten unsere Belohnung ab und teilten den Rest auf, nachdem die Rate für unsere Schulden abgezogen worden war.
Es war noch relativ früh, aber da wir heute ordentlich verdient hatten, überlegte ich, mir ein Zimmer im Gasthaus zu nehmen und mich auszuruhen. Ich wollte es nicht übertreiben, nachdem ich gerade erst von den Toten zurückgekommen war.
Andererseits … Ja, es war ein guter Verdienst für einen Tag Arbeit, aber verglichen mit unseren Schulden war es nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Meine Überlegungen führten mir wieder die harte Realität vor Augen, und um ihr zu entfliehen, dachte ich an Eris, die Göttin, die ich vorhin getroffen hatte. Sie war eine gepflegte, wunderschöne Frau. Und außerdem auch noch sehr großherzig. Sie schien aufrichtig bedauert zu haben, dass ich gestorben war, und wie sie mich dann angelächelt hatte, als sie gesagt hatte, es sollte unser Geheimnis bleiben, dass sie mich hatte zurückgehen lassen … Ich hatte das Gefühl, dass ich zum ersten Mal, seit ich in diese Welt gekommen war, einem Mädchen begegnet war, in das ich mich vielleicht verlieben könnte.
Eris’ Bild noch vor Augen, stand ich plötzlich vor dem Gasthaus.
»He he! Ich werd mich gut um dich kümmern, Schneegeist. Und wenn der Sommer kommt, baden wir in Eis. Du und ich machen zusammen einen Eisladen auf! Du kannst mein Kissen sein, wenn ich in der Sommerhitze nicht schlafen kann … Hey, Megumin, wovon ernähren sich Schneegeister eigentlich?«
»Ich glaub nicht, dass irgendwer das so genau weiß. Essen sie überhaupt?«
»Er sieht so fluffig und weich aus«, meinte Darkness. »Ich bin sicher, wenn man Zucker draufstreut und ihn sich in den Mund steckt, schmeckt er köstlich …«
Die Mädels hinter mir führten eine ziemlich unappetitliche Unterhaltung. Als wir die Tür des Gasthauses erreicht hatten, drehte ich mich zu ihnen um. Erneut stellte ich mir Eris vor. Dann blickte ich in die Gesichter meiner Gefährtinnen. Alle drei sahen mich fragend an. Sie schwiegen, und ihre Mienen waren ausdruckslos.
»Hach …«, entfuhr es mir.
»Ah«, riefen sie im Chor, als hätten sie meine Gedanken gelesen.
Während die Mädels noch hinter mir tobten, öffnete ich die Tür.
Einige Tage nachdem ich getötet worden war …
»Hey, was hast du gesagt?« Mit Mühe zügelte ich meinen Ärger, als ich den jetzt verstummten Kerl in der Gildenhalle ansprach.
Nachdem ich gerade erst zum zweiten Mal gestorben war, hatte ich vorgehabt, meinem Körper ein paar Tage Ruhe zu gönnen und etwas für meine Psyche zu tun. Doch dann war mir der heutige Tag dazwischengekommen. Ich hatte immer noch strikte Anweisung, körperliche Anstrengungen zu vermeiden, also war ich in die Gilde gekommen, um zu sehen, ob es nicht irgendwelche leichten Jobs als Gepäckträger oder so was gab …
»Komm schon, Gepäckträger oder so was? Deine Party hat lauter Oberklassemitglieder. Warum suchst du dir keine richtige Arbeit? Du musst denen ein echter Klotz am Bein sein, was, du Lusche?« Der Typ wirkte wie ein Krieger, und während er sprach, grinste er seinen Trinkkumpanen zu.
Ignorier ihn einfach.
Ich war erwachsen und konnte mich auch so verhalten. Nach all dem Scheiß, den ich mir jeden Tag von Aqua anhören musste, würde ich mich nicht von einem dahergelaufenen Säufer provozieren lassen.
Zugegeben, seine Worte waren nicht ganz falsch. Meine Gefährtinnen mochten alle seltsame Macken haben, aber sie gehörten dennoch den höchsten Klassen an. Wenn wir als Gruppe effizienter wären, würde vielleicht auch unsere finanzielle Situation nicht so finster aussehen. Und ja, ich war ein Abenteurer, die unterste Klasse. Einen Moment lang wusste ich wirklich nicht, wie ich darauf reagieren sollte.
Doch der Typ schien meine Weigerung, auf seine Beleidigung einzugehen, als Unfähigkeit aufzufassen. »Hey, warum sagst du nichts, Schwächling? Mann, du ziehst mit drei scharfen Weibern rum, als wolltest du ’nen Harem gründen – und dann sind auch noch alle aus den höchsten Klassen. Ich wette, du besorgst es ihnen jeden Tag richtig, was?«
Die gesamte Gilde brach in Gelächter aus. Diejenigen, die meine Geschichte kannten, runzelten allerdings die Stirn und musterten mich eindringlich.
Unbewusst ballte ich die Hände zu Fäusten, aber die Menschen um uns herum halfen mir, meine Wut unter Kontrolle zu halten. Ich würde nicht darauf eingehen.
Während ich noch so dastand, sprangen mir Megumin, Darkness und Aqua bei, um mich zurückzuhalten.
»Kazuma, du darfst dich nicht auf sein Niveau herablassen. Mich kümmert nicht, was er über mich sagt.«
»Sie hat recht, Kazuma. Er ist nur ein Säufer. Ignorier ihn.«
»Ja! Er ist nur neidisch, weil du uns hast! Mir ist das egal. Vergiss ihn einfach!«
Sie hatten recht. Der Kerl war der Stereotyp eines Unruhestifters. In Manga sah man ständig Typen wie ihn. Es gab keinen Grund, sich auf einen Streit mit ihm einzulassen. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte, mich zu beruhigen, doch dann sagte der Typ etwas, das ich nicht ignorieren konnte.
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