Dieses Buch enthält eine Auswahl aus den Texten von Johanna Maria Ott. Es sind Gedichte, literarische Statements, Kurzgeschichten, Fabeln, Parabeln, auch eine Gruselgeschichte ist dabei. Mal ernst und besinnlich, mal witzig und frech. Auf ein einfühlsames Gedicht über den Tod folgt ein kurzes Sehnsuchtsbild in Prosa, das dann konterkariert wird von einem satirischen Text über einen Ignoranten, der einen hohlen Kopf hat. Und schon steckt man tief in den Vorstellungswelten der Autorin, in denen so unterschiedliche Wesen wie der Osterhase, ein Wal und sogar ein Regenbogen auftreten, aber auch ernsthaft über Liebe und Freiheit nachgedacht wird oder weniger ernste Ratschläge zum Umgang mit der Eifersucht gegeben werden.
Johanna Maria Ott wollte schon immer schreiben, sie wollte fliegen um jeden Preis. Von diesem Ziel liess sie sich auch nicht von der Tatsache abhalten, dass sie körperlich schwer behindert ist. Die Autorin, die schon als kleines Kind lernen musste, dass sie rund um die Uhr auf fremde Hilfe angewiesen ist, möchte nicht als Summe ihrer Einschränkungen wahrgenommen werden. Sondern als junge Frau, die Geschichten schreibt, die zwar immer wieder von ihrem sehr speziellen Leben handeln, aber auch Tagträume ermöglichen, in denen sie sich verliebt, kommuniziert, geht, fliegt. Ihre Texte wurden mehrfach ausgezeichnet.
»Texte von sehr schöner Konzentration, klar und doch eigenwillig, eine Stimme, wie ich sie in der deutschsprachigen Literatur noch nicht gehört habe.«
Tim Krohn
über Johanna Maria Otts Schaffen
Johanna Maria Ott, geb. 1983, kam mit einer komplexen Körperbehinderung zur Welt. Ihr Glück war es, in eine Künstlerfamilie – sowohl die Mutter als auch der Vater sind Schauspieler – hineingeboren worden zu sein. Ihre Eltern wollten Johanna nicht zusätzlich behindern und schickten sie – mit einer Assistenz – in eine »normale« Schule. Der Zugang zu Bildung und Kultur und die Tatsache, dass die Autorin trotz all ihrer Einschränkungen mitten in der Gesellschaft aufwachsen konnte, sind der Schlüssel dafür, dass Johanna Maria Ott ihr Schreibtalent entfalten konnte. Früher schrieb sie mit einem langen Stab, der an einem Kopfhelm angebracht war. Heute nimmt sie eine Software zu Hilfe, die ihr erlaubt, die Tastatur durch Augensteuerung zu bedienen. Sie lebt selbstbestimmt im Zürcher Kulturpark, im Assistenzprojekt des Vereins »leben wie du und ich«, das sie mitbegründet hat.
www.lebenwieduundich.ch
Alle Rechte vorbehalten, einschliesslich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks und der elektronischen Wiedergabe.
© 2021 Wörterseh, Lachen
Lektorat: Lydia Zeller
Korrektorat: Andrea Leuthold
Umschlaggestaltung: Thomas Jarzina
Foto Umschlag vorn: © Christoph Rahm, www.doppelrahm.chHintergrundmotiv: © www.shutterstock.com/Evgeny Karandaev Layout, Satz und herstellerische Betreuung: Beate Simson Druck und Bindung: Beltz Grafische Betriebe
Print ISBN 978-3-03763-128-7
E-Book ISBN 978-3-03763-819-4
www.woerterseh.ch
Wörterseh und der Verein »leben wie du und ich«
danken den folgenden Institutionen für ihre Unterstützung:
Beitragsfonds Finanzdepartement der Stadt Zürich Gwärtler Stiftung Goethe-Stiftung für Kunst und Wissenschaft Zürich Dr. Adolf Streuli-Stiftung
Für Sandro Brotz,
weil er sich mit seinem Bericht in der »Rundschau« vom 6. Februar 2013 für mich und mein Leben mit Assistenz mit aller Kraft eingesetzt hat – sein Engagement hat dazu beigetragen, dass ich meinen Traum von einem eigenen Buch verwirklichen konnte,
UND
für alle Menschen,
die mir in den letzten Jahren Kraft und Stabilität gegeben haben.
»Aus einem kleinen Hoffnungsschimmer kann das grösste Licht entstehen«
Aus dem Song »Unter den Wolken« / Die Toten Hosen
Songwriter: Andreas Frege / Marten Laciny / Andreas Von Holst
Songtext: Unter den Wolken © Warner / Chappell Music, Inc.
Einführung von Niki Graça
Gedicht// See// Der hohle Kopf// Das andere Ich// Das Machmännchen// Gedanken zur Freiheit// Der Wal// Gedanken über den Tod, die Liebe und Träume// Gedanken zur Sexualität// Der liebe Gott weint// Als es über mich kam// Leichtigkeit// Nachtträume// Was mich glücklich macht// Eine Gebrauchsanweisung, wie man mit der Eifersucht umgeht// Die Osterhasen// Die Giraffe und der Regenbogen// Die rechte Hand// Die Geschichte vom Mann, der schmilzt// Fiktives Selbst-Interview von Johanna Maria Ott, entstanden im »Jay-Jay Schreiblabor«
Interview mit Johanna Maria Ott von Jan Steiner
Dank
Interview mit Adelheid Arndt von Niki Graça
Von Niki Graça
Einführung
Stellen Sie sich vor, Sie liegen im Bett und können nicht alleine aufstehen. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Rollstuhl am Tisch und können das Essen auf dem Teller vor Ihnen nicht selbst zum Mund führen, sondern jemand muss Sie füttern, Löffel für Löffel.
So geht es Johanna Maria Ott. Aber es gibt viele Dinge, die sie kann . Schon als Kind hatte sie jemanden zur Seite, der sie bei allem, was sie nicht konnte, unterstützte. So erhielt sie Zugang zu dem, was sie kann. Sie war auf normalen Schulen, ihre Talente wurden gefördert, sie besucht Kino, Theater oder Lesungen. Mit Assistenz ist es ihr möglich, autonom in einer Wohnung zu leben statt im Heim. Und sie war 2015 Mitbegründerin des Vereins »leben wie du und ich« in Zürich, der Menschen mit einer komplexen Behinderung dabei unterstützt, frei und selbstbestimmt in der Gesellschaft zu leben.
Im Atelier des Projekts Kulturpark arbeitet sie nun jeden Tag an ihren Texten. Schon mit elf Jahren hat Johanna Maria Ott ihr erstes Gedicht geschrieben, und seitdem ist Schreiben für sie ein Weg, sich der Welt mitzuteilen. Gezielte Bewegungen kann sie nur mit dem Kopf ausführen, deshalb verwendet sie einen Kopfhelm, an dem ein Stab angebracht ist, oder ein Kommunikationssystem, mit dem sie die Tastatur auf dem Computer per Augenbewegung steuern kann. Es ist mühsam und braucht viel Zeit und Energie, Buchstaben um Buchstaben, Wort um Wort, Satz um Satz in den Computer einzugeben, aber es stellt eine grosse Bereicherung für sie dar.
Der Gedanke, dass andere Menschen ihre Texte lesen, erfüllt sie mit Stolz. Sie möchte als Autorin wahrgenommen werden, nicht als behinderter Mensch, der Texte schreibt. Darüber hinaus ist es ihr ein Anliegen, klarzumachen, dass ihr Körper zwar beeinträchtigt ist, darin aber wie bei jedem »normalen« Menschen eine Seele, Verstand und Herz wohnen, die sich äussern wollen und sich nach Resonanz bei ihren Mitmenschen sehnen. Beim Schreiben findet sie eine Freiheit, die ihr sonst verwehrt bleibt.
Die Idee für dieses Buch wurde geboren, als die Journalistin Susanne Loacker 2015 an einem Artikel über das Projekt »leben wie du und ich« im Kulturpark schrieb. In diesem Zusammenhang machte sie ein Interview mit Johanna Maria Ott und las einige ihrer Texte. Daraufhin schlug sie ihr vor, mit dem Wörterseh-Verlag Kontakt aufzunehmen. Es folgte ein erstes Treffen zwischen der Autorin, der Journalistin und der Verlegerin Gabriella Baumann-von Arx. Auch bei einer Lesung des Schriftstellers Tim Krohn, der nicht nur aus seinem Werk, sondern auch Texte von Johanna Maria Ott las, war Gabriella Baumann-von Arx zu Gast. Danach nahm der Plan, ein Buch zu veröffentlichen, immer mehr Gestalt an.
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