Umgekehrt kann der Erstgeborene von seinem Horoskop her keine archetypischen Signaturen für die Rolle des Erstgeborenen haben und «muss» diese Rolle trotzdem gemäß seines Naturells ausfüllen.
Geschwister und Familie prägen das Empfinden und das Rollenverhalten. Die Beziehung zu Geschwistern ist emotional existenziell und zum Überleben in der Gruppe wichtig. Sie bestimmt die Position in der Familie und prägt somit das Rollenverhalten in Gruppen generell.
Nichts davon findet man im 3. Haus, das zum 1. Quadranten gehörig, sich nur auf den Einzelnen bezieht und seine Beweglichkeit und Lernfähigkeit beschreibt. Beziehungen zu Geschwistern sind hochgradig emotional und konstitutiv für die Entwicklung einer sozialen Identität. Das soziale Ich, also das Gruppen-Ich findet man im 2. Quadranten, daher kann man getrost die gesamte Sippe unspekulativ in den 2. Quadranten platzieren.
Die Deutung der Geschwister im 3. Haus kommt aus einer Zeit, da man Kinder als kleine Käfer begriff, die noch keine Seele und kaum Empfinden hatten. Diese kleinen Käfer sollten alsbald erwachsen werden und im Gruppengefüge funktionieren. In der jüngeren Vergangenheit hat man viele neue Einsichten über die Bedeutung von Geschwisterbeziehungen für die Persönlichkeitsentwicklung gewonnen. Zur Grundlagenforschung in der Astrologie gehört auch die behutsame Neuanpassung von Bedeutungen an eine sich verändernde Zeit. Der alte Häuserkreis ist ein in sich nicht mehr schlüssiges System, die ursprünglichen Inhalte verloren im Laufe der Zeit ihre Bedeutung, was für die Gegenwart hieß, dass man assoziativ intuitive Zuordnungen von Inhalten zu den alten Häusern machte, die eigentlich keinen Sinn mehr ergaben. Aber wenn Astrologie zu einer primär intuitiven Deutungsassoziationsdisziplin verkommt, so entbehrt sie irgendwann ihrer eigenen Wurzeln.
Um ein Missverständnis zu klären; normalerweise wird Rivalität mit dem Widder assoziiert. Dem liegt aber eine Unsauberkeit in der Deutung zugrunde. Der Mars beherrscht den Widder und steht zunächst nur für den Kampfgeist und Antrieb des Einzelnen. Er kommt ja aus dem 1. Quadranten. Die Sonne entspricht dem Streben nach Führung und Dominanz innerhalb des Rudels. Der Löwe steht nicht für sich allein wie der Widder, er braucht seinen «Hofstaat», auf den sich seine Führungsrolle bezieht. Die Sonne im Widder ist eine Analogie zu Mars im 5. Haus. Mars im 5. Haus ist der Rivale des Königs, also der Archetypus des Zweitgeborenen, der den Erstgeborenen vom Thron stürzen möchte. Daher verschärft sich das Thema der Rivalität bei Sonne im Widder, weil Löwe und Widder zusammenkommen.
Ähnlich verhält es sich mit den Aspekten zwischen Mars und Sonne. Mars ist ich-, die Sonne rudelbezogen. Das Ich kämpft im Rudel um seine Selbstbehauptung. Bei einem Trigon oder Sextil läuft dieser Kampf sportlich ab. Bei einem Quadrat oder einer Opposition wird das Gegenüber zu sehr als Rivale wahrgenommen. Man fühlt sich ohnmächtig und/oder vermeidet die direkte Konfrontation. Das wirkliche Gegenüber macht Angst. Daher sucht man sich entweder vermeintlich «schwächere» Partner oder gar keine, um nicht um sein eigenes «Königreich» kämpfen zu müssen. Oder man setzt sich in eine Position, in der man gar keine realen Partnerschaften mehr haben muss, also die Gefahr der Rivalität nicht mehr spürt. Somit kann man sich als König selbstständig um sein Königreich bringen. Löwe und das 5. Haus stehen also nicht für Selbstausdruck, Hobby und Kreativität, es ist viel extremer und ernster.
Das 6. Haus – Die Geschwister oder die Fähigkeit sich einzuordnen
In der Familie lernt man es, sich trotz seines Temperaments und Wesens einzugliedern. Die Geburtenabfolge entscheidet über die Ordnung. Dabei kann es passieren, dass ein vom Wesen her Erstgeborener das Nesthäkchen ist, oder ein Kind mit einer Anlage zur Unterordnung das Erstgeborene. Die Abfolge der Geburt allein bestimmt nicht darüber, ob die Positionen im Sinne des Archetypen «stimmen». Im 6. Haus lernt der Einzelne im besonderen Sinne seine Rolle zu akzeptieren, ob sie zu seinem Temperament passt oder nicht. Dadurch, und zwar genau durch die archetypische Unpässlichkeit der Charaktere zu ihren Rollen, lernt man das Prinzip der Einpassung. Sonst würde jeder der Erste sein wollen. Dies kann man wunderbar im Jugendfußball beobachten. Zunächst, im Alter von acht bis zehn Jahren, wollen alle nur Mittelstürmer sein. Jeder meint, er sei der Beste und nur der Mittelstürmer könne der Beste sein. Aber kein Team würde funktionieren, bestünde es aus zehn Stürmern und einem Torwart. Die Mannschaft ist ein Organismus, der nur erfolgreich sein kann, wenn seine verschiedenen Funktionen richtig besetzt sind. Im Laufe der Zeit lernen die Jungs, ihre eigenen Fähigkeiten besser einzuschätzen und irgendwann begreifen sie, dass jede Position in der Mannschaft gleichermaßen wichtig ist. In dem Moment hadern sie weniger mit der Akzeptanz der ihnen zugeordneten Rolle im Gesamtgefüge. Davon abgesehen sind Stürmer nicht immer die besten Fußballer einer Mannschaft …
Will in einem Staat jeder König sein, dann würde der Staat nicht mehr funktionieren. Dies ist letztendlich in jeder Gruppe so. Das zu akzeptieren ist ein Lernprozess für Kinder.
Gemäß der eigenen Rolle im Gesamtgefüge Familie nimmt man seine Position darin ein. Die wahre Führungspersönlichkeit weiß darum, dass eine Gruppe nur gelingen kann, wenn sich jeder an seiner Stelle gemäß seiner Anlagen passend einbringen kann. Die Effizienz einer Gruppe kann auf das Empfindlichste gestört werden, wenn Menschen am falschen Platz sitzen. Es gibt eben kein richtiges Leben im falschen.
Da es hier um das Ganze einer Gruppe geht, steht deren Integrität über dem Wollen des Einzelnen. Aus dieser Perspektive macht der Begriff des Dienens Sinn. Man dient dem Gesamten, dessen Teil man ist. Früher waren die Bediensteten ein wesentlicher Bestandteil einer funktionierenden Großfamilie.
In der Familie lernt man im «Kleinen» sich anzupassen. Im späteren Leben ist das übertragbar auf die Anpassungsfähigkeit im gesellschaftlichen Kontext. Passe man sich an und verliert sich in einer Rolle, oder fügt man sich irgendwo ein und es ist stimmig? Wir lernen in der Herkunftsfamilie, uns in eine Gruppe einzupassen. Das geschieht durch die Akzeptanz der eigenen Rolle im Kontext der Geschwister. Die Prägung durch die Geschwister ist elementar für das eigene Rollenverständnis in der Gruppe. Sigmund Freud sagte, dass die Geschwisterbeziehungen ein extrem wichtiger Faktor für die Entwicklung der sozialen Haltungen des Menschen ist. Innerhalb der Familie entscheidet sich, welche Arten von emotionalen Beziehungen man aufbaut. Er war der Meinung, dass alle Menschen, die man im späteren Leben kennenlernt, Ersatzpersonen dieser ersten Gefühlsobjekte (Mutter, Vater und Geschwister) seien.
Aus dieser Perspektive beinhaltet der 2. Quadrant die Familie und ihren Einfluss auf das Sozialverhalten eines Menschen. Im 2. Quadranten haben wir also die Mutter (4. Haus), den Vater (5. Haus) und die Geschwister (6. Haus), somit wird hier das Urgefüge unseres Sozialverhaltens geprägt.
Die Familie sucht man sich nicht aus. In ihr lernt man sich zu behaupten und sich, und das scheint das Wichtigste, als Bestandteil eines Gefüges, einer Gruppe zu begreifen. Die familiären Beziehungen gehen unter die Haut, man kann sich ihnen nicht entziehen.
Mutter, Vater und Geschwister sind Archetypen. Von den Bindungen zu ihnen ausgehend spinnt sich unser persönliches Beziehungsgeflecht im späteren Leben. Oftmals müssen wir Beziehungsmuster wiederholen, um uns von ihnen verabschieden zu können, das heißt, wir heiraten erst jemanden, der wie unsere Eltern oder Geschwister ist, bevor die Transite des 4. Quadranten uns dabei unterstützen, herauszufinden, was wir selbst brauchen.
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