3.2.5 Brief an August Röckel – 1854
3.2.6 Zwischenbilanz
3.2.7 Die Tagebücher von Cosima Wagner – 1869–1883
3.2.8 Über das Männliche und Weibliche in Kunst und Kultur – 1882
3.2.9 Über das Weibliche im Menschlichen – 1883
3.3 Wagners Perspektive auf den Dualismus der Geschlechter oder Der Mann und sein weibliches Gegenüber
3.4 Liebe
3.5 Erlösung
4. Leben
4.1 Der Familienkontext: Aufwachsen unter Frauen
4.2 Ambivalentes Verhältnis zur Mutter oder Über die Sehnsucht nach Mutterliebe
4.3 Rosalie, die starke Lieblingsschwester
4.4 Wagners reales Verhältnis zu Frauen
4.5 Erste Begegnungen
4.6 Richard Wagner als Ehemann
4.6.1 Minna
4.6.2 Cosima
4.7 Inspirationen, Musen und Affären
4.8 Feminine Facetten
5. Auswirkungen und Projektionen im frühen Werk
5.1 Die Hochzeit
5.2 Die Feen
5.3 Die Schwesternsymbolik in Das Liebesverbot und Rienzi
5.3.1 Das Liebesverbot oder Die Novize von Palermo
5.3.2 Rienzi, der letzte der Tribunen
5.4 »Das Weib der Zukunft« in Der fliegende Holländer
5.4.1 Frauen und Männer in Wagners Holländer
5.4.2 Der hoffende Holländer
5.4.3 Die seelenbefreiende Senta
5.4.4 Senta und der Holländer – das traute Paar?
5.4.5 Biografische Bezüge
5.5 Hure und Heilige in Tannhäuser
5.5.1 Frauen und Männer in Wagners Tannhäuser
5.5.2 Venus
5.5.3 Elisabeth
5.5.4 Dualismus als zentrales Prinzip
5.5.5 Tannhäuser
5.5.6 Liebe in Wagners Tannhäuser
5.5.7 Erlösung in Wagners Tannhäuser
5.5.8 Erkenntnisse
5.6 Das »wahrhaft Weibliche« in Lohengrin
5.6.1 Frauen und Männer in Wagners Lohengrin
5.6.2 Die hinterlistige Ortrud
5.6.3 Die naive Elsa
5.6.4 Liebe und Partnerschaft in Wagners Lohengrin
5.6.5 Erlösung in Wagners Lohengrin
5.6.6 Erkenntnisse
6. Ausblick: Folgen für Musiktheater, Gesellschaft und Wagners Musikdramen
7. Konklusion
8. Quellenangaben
8.1 Selbstzeugnisse und Primärquellen
8.2 Literaturverzeichnis
8.3 Internetquellen
8.4 Audio und audiovisuelle Quellen
9. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Richard Wagner – ein Name, der aus der Musik- und Kulturlandschaft wohl kaum wegzudenken ist. Allein die Bayreuther Festspiele, dieses weltweit einzigartige Festival rund um seine Person und seine Musik, haben den Namen Wagner bis heute international fest in der kulturellen Gesellschaft verankert. Doch nicht nur damit hat Richard Wagner seine Fußspuren hinterlassen. Er beeinflusste auch die Entwicklung der Musik und sowohl seine theoretischen und philosophischen Schriften als auch die von ihm komponierten Werke, wirkten eindrucksvoll auf die Gesellschaft seiner Zeit. Bis heute polarisiert sein musikdramatisches Werk, welches gleichzeitig ohne Frage sicher im Kanon der rezenten Opernlandschaft verwurzelt ist.
Wagner wurde am 22. Mai 1813 in Leipzig geboren. Zu dieser Zeit hatte die zurückliegende Aufklärung das Denken vieler Menschen verändert und innerhalb der Gesellschaft rumorte es. Es war »eine Zeit gesellschaftlicher Umbrüche […], die von zahlreichen, teils hitzigen Debatten über das Geschlechterverhältnis und über den Platz, den Männer und Frauen in der Gesellschaft einnehmen sollen, begleitet war.« 1Über 200 Jahre später hat diese Debatte scheinbar keineswegs an Aktualität verloren. Im Jahr 2021 sind Schlagworte wie Frauenquote oder Gendergap fester Bestandteil der Medienlandschaft. Das Gegenüber und Miteinander von Frau und Mann muss für die Menschen demnach eine geladene und ergiebige Materie sein, die seinerzeit auch Richard Wagner in ihren Bann zog. Dies zeigt uns sein unablässiges Aufgreifen der binären Pole in seinen musikalischen Werken ebenso wie in seinen Schriften. Constantin Floros erläutert in Bezug auf Richard Wagner: »Sein Leben lang trachtete er danach, das Wesen des Männlichen und Weiblichen zu ergründen.« 2
Wagner interessierte sich sehr für das Konstrukt der »Geschlechtsliebe«, 3so nannte man im 19. Jahrhundert »die Liebe zwischen zwei Menschen verschiedenen Geschlechts«. 4Sein besonderes Interesse galt jedoch »dem Weiblichen«. Frauen hatten auf ihn eine bemerkenswerte Wirkung. Eva Rieger erklärt die Auseinandersetzung mit der Frau sogar zu Wagners indirektem Kernthema: »Wagners großes Thema ist und bleibt die Liebe, das Mysterium der erotischen und mütterlichen Faszination und damit die Frau.« 5
Zahlreiche Belege in Wagners gesamtem Werk zeigen deutlich, dass ihn die Liebe und die Beziehung zwischen Mann und Frau fortwährend umgetrieben haben. »Das Weibliche« bekommt durch Aussagen und schriftliche Zeugnisse jedoch eine exponierte Stellung zugewiesen. Zu nennen sind hier beispielsweise die von Wagner begonnenen Aufsätze Über das Männliche u. Weibliche in Kultur u. Kunst (1882) oder Über das Weibliche im Menschlichen (1883). Besonders ins Auge sticht die zweite der Schriften, denn während Richard Wagner in Venedig seine Gedanken über das Weibliche im Menschlichen zu Papier brachte, erlitt er einen Herzanfall. 6Diesem erlag er in den Armen seiner Frau Cosima, nachdem er sich mit ihr wegen des bevorstehenden Besuchs der Sängerin Carrie Pringle gestritten hatte, welche er sehr verehrte. Man könnte also sagen, dass Wagner selbst bei seinem Ableben vom weiblichen Geschlecht umschwirrt wurde, und das sowohl geistig als auch physisch. Dass Wagners intellektuelle und reale Auseinandersetzung mit »dem Weiblichen« jedoch der Grund für seinen Herzanfall war, kann nicht mehr als Spekulation bleiben. Immerhin hatte er zuvor bereits mehrere Herzattacken. 7Es kann jedoch festgestellt werden, dass sich Richard Wagner in etlichen Aussagen »zur Charakteristik des ›Weibes‹« 8geäußert hat.
Richard Wagner wollte, dass man ihn und sein Werk vollständig versteht. 9Da er sich intensiv mit der Bedeutung von Liebe und Weiblichkeit auseinandersetzte, muss man folglich auch diese Thematik beleuchten, um ein vollständige(re)s Verständnis von Wagner zu erlangen. Dies ist jedoch keine brandneue Erkenntnis. Mit der Veröffentlichung seiner Abhandlungen und Aussagen über das weibliche Geschlecht und das Miteinander von Frau und Mann, brachte Wagner diesen Stein zu Lebzeiten bereits selbst ins Rollen und errichtete eine Plattform für die zugehörige Diskussion. 10Hinzu kommen Wagners vielseitige Verbindungen zu etlichen Zeitgenossinnen als beliebtes Gesprächsthema. Es mag sein, dass diese Diskussion aus verschiedenen Gründen immer wieder leiser oder gar unterbrochen wurde, versiegt ist sie jedoch nie. Das zeigen entsprechende Publikationen aus verschiedenen Jahren seit Wagners Ableben bis heute. 11
Mindestens seit den 1970er-Jahren scheint der Faden rund um das Thema nicht abgerissen zu sein. Zu dieser Zeit setzte sich die feministische Bewegung mit vermeintlich frauenfeindlicher Kunst auseinander und für einige galt Wagner damals als »der Schlimmste von allen«. 12Ab den 1990er-Jahren fand dann auch die Genderforschung Einzug in die Musikwissenschaften, 13wodurch Wagner und seine Beziehung zur Weiblichkeit früher oder später aufgegriffen werden mussten. Doch die Frage ist: Wie nähert man sich der Thematik? Constantin Floros schreibt 2003: »Wagners Ansichten über die Stellung der Frau wurden in der Forschung kontrovers interpretiert.« 14Pia Janke beklagt jedoch zeitgleich, dass bis zum Jahrtausendwechsel beispielsweise noch keine richtungsgebende Methodik für eine Frauenbildforschung im Kontext Oper gefunden oder etabliert wurde. 15Und auch noch mehr als zehn Jahre später stellt Melanie Unseld fest, »dass das permanente Nachdenken über diese Themen auch auf Unklarheiten schließen lässt.« 16Das alles wird deutlich, wenn man einen Blick auf bereits vorhandene Literatur wirft. Etliches scheint bereits behandelt, analysiert oder reflektiert worden zu sein. Dabei werden allerdings immerzu auch scheinbare Aporemata zurückgelassen oder aber neue aufgedeckt. 17Ohne Zweifel besteht diesbezüglich auch ein Zusammenhang mit der stetig voranschreitenden Diskussion in Gesellschaft und Wissenschaft hinsichtlich des Themenkomplexes Mann und Frau oder Gender, welche noch lange nicht abgeschlossen zu sein scheint.
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