1 ...8 9 10 12 13 14 ...32 Sie wissen, daß Sie nicht wissen, und Sie sind darüber glücklich, daß Sie auf der Reise des Herausfindens sind. Bei der Inquiry wissen Sie nicht, und Sie wissen, daß Sie nicht wissen. Aber Sie haben ein gewisses Gefühl davon, was Sie nicht wissen, und das heißt, Sie haben eine allgemeine Richtung – und das ist es, was zur Formulierung einer Frage führt. Sie haben Glück, daß Sie wissen, daß Sie nicht wissen, weil das bedeutet, daß Sie dabei sind, näher dahin zu gelangen, die Wahrheit zu wissen; und die ist der Geliebte Ihres Herzens. Die Wahrheit ist letztlich wahre Natur, und Inquiry ist nichts anderes als der Versuch der Liebe zur Wahrheit, die Fülle wahrer Natur zu enthüllen.
Wenn man einen Plan hat, dann glaubt man, daß das Mindeste, was man weiß, das ist, was passieren sollte. In diesem Fall gibt es keine wahre Offenheit mehr. Aber wenn da ein Annehmen des Nichtwissens, eine Offenheit gegenüber der Situation und eine interesselose Neugier ihr gegenüber vorhanden ist, dann wird die Inquiry ziemlich kraftvoll. Sie ist nicht nur kraftvoll, sondern sie schneidet wirksam durch Unklarheiten hindurch – und das auf eine Weise, die leicht und köstlich ist und Spaß macht.
Offenheit ist die Basis, der Boden der Inquiry, weil Offenheit die Erscheinungsweise und der Ausdruck der Tiefe unserer wahren Natur, die Tatsache ihrer totalen Leere, ihrer Leichtigkeit und ihres Mysteriums ist. Diese ureigene Freiheit, dieses vollkommene Mysterium gerade in der Tiefe unserer Seele spricht ihren liebenden Dynamismus an, damit sie sich offenbart. Aber normalerweise erleben wir das als eine fragende, eine forschende innere Haltung. Diese Offenheit und dieses Mysterium ist die Essenz der Inquiry, aber normalerweise sehen wir das nicht, weil wir von außen schauen.
Aus dieser Perspektive sehen wir die Essenz der Inquiry als die Aktivität des Fragens, des Infragestellens. Aber je mehr wir in die Erfahrung hineingehen und je tiefer die Inquiry wird, dest deutlicher begegnet ihr fragender Kern der ursprünglichen Offenheit und Leichtigkeit und wir erkennen, daß sie eins sind und immer eins waren. Inquiry vereint schließlich die Seele mit ihrer essentiellen Heimat – mit ihrer absoluten Natur –, und zwar durch die Brücke der Offenheit.
Wie gesagt, wenn wir an wahrer Inquiry interessiert sind, wenn wir wirklich herausfinden wollen, was Realität ist, dann müssen wir beim Nichtwissen anfangen. Wir können nicht mit einem festen Standpunkt, einer festgelegten Vorliebe oder einer Annahme über das beginnen, was wir finden werden, was geschehen wird, was wir tun werden und wo wir schließlich landen werden.
Dies ist ein wichtiges und auffallendes Merkmal wahrer Inquiry. In dem Augenblick, in dem wir etwas Bestimmtes erreichen wollen, wie: „Was ich tun muß ist, mich endlich mit Gott zu vereinigen“ oder „Ich will Erleuchtung erlangen, und das ist die Leere aller Dinge“ oder „Ich werde daran arbeiten, mich von Leiden zu befreien“, haben wir schon eine im vorhinein festlegte Bestimmung, ein Ziel. Dieses Ziel – allein aufgrund der Natur der Tatsache, ein Ziel zu haben – wird unsere Inquiry einschränken. Es wird uns zwingen, in diese Richtung zu gehen und nicht in jene, denn wir haben schon entschieden, wohin wir gehen werden, und damit legen wir schon die Richtung unserer Inquiry fest.
Offenheit bedeutet also, daß wir beim Diamond Approach mit vielen traditionellen Lehren nicht einer Meinung sind, die einen bestimmten Endzustand zum Ziel setzen. Da es für die Perspektive von Inquiry und Untersuchung wesentlich ist, daß wir nicht mit der Annahme eines Ziels beginnen, wollen wir herausfinden, ob es so etwas wie ein letztes spirituelles Ziel überhaupt gibt. Wir wollen herausfinden, ob es möglich ist, aus der Perspektive eines bestimmten Zustandes oder einer bestimmten Realisierung als Ziel auch nur zu denken. Es gibt womöglich gar kein solches Ziel, und wenn es doch eines geben sollte, wollen wir das auf jeden Fall herausfinden. Aber wir beginnen nicht damit, daß wir sagen, es gäbe ein Ziel, und das sei das und das und wir würden dahin gehen und müßten das und das tun, um dahin zu gelangen. Wenn man einen Endzustand als Ziel ansetzt, dann ist das eindeutig eine gültige Weise, die innere Arbeit zu tun, aber das ist nicht der Weg der Inquiry.
Bei diesem Ansatz haben wir keine Landkarte, die uns sagt, wir sollten von hier nach da gehen; wir entscheiden uns also nicht für eine bestimmte Route, von der wir meinen, daß sie uns irgendwohin führen würde, wohin wir wollen. Vielmehr betrachten wir das Feld der Erfahrung, in dem wir uns in diesem Moment befinden, und erkennen die Richtung, die aus unserer Erfahrung auftaucht, und folgen dieser dann. Dann wird unsere Inquiry von dem geleitet, was in diesem Moment geschieht, und nicht von irgendeinem Ziel in der Zukunft, von dem wir glauben, daß wir zu ihm gelangen würden.
Das macht die Reise wirklich spannend. Man weiß nie, was der nächste Schritt sein wird. Man weiß nie, wo man landen wird – man kann in den Fluß plumpsen oder entdecken, daß man im Mittelpunkt der Erde gefangen ist. Man weiß es nicht. Es kann Angst machen, aber es kann auch ziemlich aufregend sein. Nicht jeder hat das Herz oder die Konstitution für diese Art Abenteuer.
Wir wir gesehen haben, darf die Inquiry, wenn ihr Ende offen sein soll, nicht auf ein letztes Ziel hin orientiert sein. Aber sie darf auch nicht auf irgendein Zwischenergebnis hin ausgerichtet sein. Inquiry muß jederzeit, in jedem Stadium der Reise, frei von jedem Ziel sein. Wie wir zuvor erwähnten, darf sie nicht auf die Lösung eines Problems ausgerichtet sein. Der Diamond Approach ist gerade seinem Wesen nach nicht so orientiert. Wenn man sagt: „Ich habe dieses Problem – ich bin deprimiert (oder irgendwie unfähig oder dumm) – und ich möchte das ändern. Wie ich höre, ist der Diamond Approach eine wunderbare Methode. Die könnte ich mal ausprobieren“, dann wird man wahrscheinlich enttäuscht werden.
Das bedeutet nicht, daß Ihr Bedürfnis nicht ernstzunehmen oder nicht real ist. Wir alle haben Probleme, die wir zweifellos lösen müssen. Wir alle hatten Schwierigkeiten in unserer Kindheit, und wir haben Schwierigkeiten in unserem jetzigen Leben, um die man sich kümmern muß, und Probleme, die gelöst werden müssen. Doch ist die Inquiry des Diamond Approach nicht der richtige Ansatz für so etwas. Wir können ihn ganz bestimmt dafür benutzen, mit unseren Problemen und Schwierigkeiten zu arbeiten, aber das ist weder die wirksamste Herangehensweise noch die beste Anwendung von Inquiry. Das ist deshalb so, weil Inquiry ihrem Wesen nach am mächtigsten ist, wenn sie offen ist und einen offenen Ausgang hat. Wenn man ihr ein begrenztes Ziel setzt, schränkt das ihre Kraft ein und behindert ihre Möglichkeiten.
Letzten Endes und auf lange Sicht kann Inquiry alle Wahrheit ans Licht bringen, deshalb wird die Quelle von Problemen aufgedeckt, ganz gleich, welche man hat. Aber das kann lange dauern, und das bedeutet, daß Inquiry selten eine effektive Weise ist, Probleme zu lösen –, Wenn man ein Ziel hat – „Ich möchte dieses Problem lösen“ – dann hat man ein bestimmtes Ziel vor Augen und möchte die Inquiry in diese Richtung weisen. Damit Inquiry aber funktionieren kann, muß sie sich genau hier auf diesen Moment konzentrieren. Sie untersucht, was jetzt geschieht. Wenn das Problem zufällig das ist, was im Moment in der Erfahrung auftaucht, kann es Teil dessen werden, was die Inquiry untersucht – sonst ignoriert sie es.
Der Diamond Approach ist also nicht darauf ausgerichtet, Probleme zu lösen, Schmerz erträglich zu machen oder Ziele zu erreichen, die man sich gesetzt hat. Jeder muß solche Dinge machen, und man könnte Inquiry für diese Zwecke nutzen. Aber sie sind für sie nicht der angemessenste Kontext und auch nicht ihre beste Verwendung. Man könnte das übersehen, weil die Inquiry ans Licht bringt, was immer man an Schwierigkeiten hat, und wenn man viel leidet, könnte man meinen, daß Inquiry dieses Leiden lindern und die Probleme lösen kann. Aber wenn man sich darauf einläßt, ist es uferlos und die Inquiry wird schließlich in einer Sackgasse landen.
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