Inhaltsverzeichnis
Wer Ohren hat zu hören, der höre! – Vorwort
Musik im Himmel und auf Erden
Heilig, heilig, heilig – Jesajas Vision
Das große Gotteslob – Psalm 148
Musikalische Gottesbegegnung – Die Einweihung des Tempels
Was Gott nicht hören will – Loblieder ohne rechtes Handeln
Ein neues Lied für Himmel und Erde – Das Lamm Gottes
Alltagsmusik und Festmusik
Gesungener Geschichtsunterricht – Deboras Siegeslied
Ein Lied zur Heimkehr aus dem Krieg – Danklied des Königs für Rettung und Sieg
Pädagogik in Liedform – Das Lied des Mose
Tafelmusik – Sirachs Ratschläge
Ein Lied zur Hochzeit – Die Hochzeit des Königs
Ein biblisches Musikfestival – Die Einweihung der Stadtmauer
Wahre Festlichkeit – Der Oberste Priester Simeon
Musik in Freud und Leid
Trommeln vor Freude – Mose und Mirjam
Siegesfeier mit Gesang und Tanz – Judit
Das Lied eines Schuldbewussten – Davids Bitte um Vergebung
Eine königliche Totenklage – Davids Klagelied über Saul und Jonatan
Hoffnung in der Klage – Klagelieder
Tanz in der Bibel
Kultischer Tanz – Der Tanz um das Goldene Kalb
Ekstatischer Tanz I – Gottes Geist ergreift Saul
Ekstatischer Tanz II – Saul bei den Propheten
Unwürdiger Tanz? – David tanzt vor der Bundeslade
Vergeblicher Tanz – Die Entscheidung am Karmel
Verführerischer Tanz – Der Tanz der Salome
Musik mit besonderer Wirkung
Kriegsmusik mit Durchschlagskraft – Die Mauern Jerichos fallen
Hörnerschall als Kriegslist – Gideons Sieg
Gesang ersetzt Waffen – Joschafats Sieg
Musik mit Heilkraft – David und Saul
Musik als Quelle der Inspiration – Elischas rettende Eingebung
Musik sprengt Ketten – Paulus und Silas im Gefängnis
Hymnen und Lobgesänge
Singen, Jauchzen, Loben – Ein neues Lied für den HERRN
Magnifikat – Lobgesang der Maria
Benedictus – Lobgesang des Zacharias
Gloria – Engelsgesang zu Jesu Geburt
Nunc dimittis – Lobgesang des Simeon
Das schönste aller Lieder – Das Hohelied der Liebe
Ohne Musik ist alles nichts – Nachwort
Reihe Biblische Taschenbücher
Impressum
Wer Ohren hat zu hören, der höre!
Vorwort
Schon früh begegnet uns in der Bibel Musik. Wir lesen von Jubal, einem Nachfahren Kains, als dem Stammvater aller Zither- und Flötenspieler (1Mose/Genesis 4,21). Ungewöhnlich und gleichzeitig vielsagend ist die explizite namentliche Erwähnung, wirkten doch Musiker bis weit ins Mittelalter hinein vornehmlich in der Anonymität. Die Namensnennung unterstreicht die besondere Bedeutung, die der Musik als einer frühen Kulturleistung des Menschen sowie ihrem Ahnherren in der Bibel zugebilligt werden. Jubal repräsentiert einen der drei Urberufe: Neben den Hirten und Schmieden waren die Musiker offenbar von Anfang an dabei. Von Anbeginn an ist die Musik Teil der menschlichen Zivilisation.
Menschsein ohne Musik, das scheint es auch in der Bibel nicht zu geben. Wir wissen zwar nicht genau, ob schon Adam und Eva gesungen haben. Unwahrscheinlich ist es aber nicht. Wenn Menschen zusammenkommen und zusammen leben, dann singen und musizieren sie – oftmals noch bevor sie miteinander sprechen. Keine Gemeinschaft und keine Gesellschaft existieren ohne Musik. Menschheitsgeschichtlich kommt das Singen vor dem Sprechen, die Musik als »organisierter Klang« (Edgar Varèse) vor der Sprache.
Musik ist zum Hören bestimmt. Das Hören aber – und besonders das genussvolle Hören von Musik – ist nicht selbstverständlich. Es ist ein komplizierter Sinn. Das Hören nur weniger gesungener Takte verlangt dem Gehirn viele Millionen Operationen ab. Langsam nur hat sich das Gehör entwickelt. Unter den Sinnesorgangen ist es ein Spätentwickler – dafür aber ausgesprochen leistungsfähig: Die Hörzellen reagieren bereits auf Reizenergien, die etwa zehn Millionen Mal kleiner sind als die, die z.B. bei Berührungsempfindungen benötigt werden.
Das Hören hat für den Menschen erhebliche Bedeutung. Es warnt ihn vor Gefahr. Es verbindet ihn mit der Welt, mit allem, was zu ihm gehört. Ein akustischer Reiz wird durch das Hören zu einem individuellen Klangereignis. Jeder Mensch hört anders. Hören ist ein Einverleiben, die persönliche Inbesitznahme eines Geräuschs oder Tons und die sehr individuelle Verknüpfung mit spezifischen Emotionen. Was wir hören, das wird ein Teil von uns.
Insofern ist das Hören auch in religiöser Hinsicht wichtig. Das Evangelium soll gehört werden. Im Gottesdienst ist ein ganz wichtiger Aspekt das Zuhören (Kohelet/Prediger 4,17), und nicht nur dort! Jesus selbst hat gesagt: »Wer Ohren hat, soll gut zuhören!« (Markus 4,9)
Christinnen und Christen sind Menschen mit wachen Ohren, Menschen, die gerne hören und gut zuhören (sollten). Bei Jesaja heißt es: »Jeden Morgen lässt er [Gott] mich aufwachen mit dem Verlangen, ihn zu hören. Begierig horche ich auf das, was er mir zu sagen hat. Er hat mir das Ohr geöffnet und mich bereitgemacht, auf ihn zu hören.« (Jesaja 50,4-5) Hören ist ein Grundvollzug des Glaubens: »Hört auf mich, dann werdet ihr leben!« (Jesaja 55,3) Wer Gottes Wort hört, der lässt es durch sich hindurchklingen. Glauben erwächst aus dem Hören. »Sie können nur zum Glauben kommen, wenn sie die Botschaft gehört haben«, schreibt Paulus (Römer 10,14). Und Gott selbst hat sein Volk aufgerufen: »Höre, Israel!« (5Mose/Deuteronomium 6,4).
Die Glaubensgeschichte ist auch eine Hörgeschichte. Immer wieder offenbart sich Gott auf akustischem Wege. Und viele Menschen glauben, ihn gerade in der Musik spüren zu können. »Gott wohnt in der Musik«, sagt ein altes italienisches Sprichwort. Viele werden das bestätigen können.
Während es ausdrücklich verboten ist, sich ein Bild von Gott zu machen (2Mose/Exodus 20,4), so ist es im Gegenteil wichtig, Menschen über das Ohr – durch Worte, aber auch durch eigens gestaltete Klangwelten und Musik – zum Glauben zu bringen. Hierfür sind und waren auch Spezialisten nötig. Einige Musikerpersönlichkeiten aus der Bibel kennen wir, wenn auch nicht deren genaue Lebensläufe: den bereits erwähnten Jubal zum Beispiel, dann natürlich König David, aber auch Asaf, den Anführer des Chores von David, zugleich Verfasser einiger Psalmen und Mitausgangspunkt einer ganzen Tempelmusikerdynastie. Die Bibel überliefert in 1Chronik 25,1-7 die Namen dieser Tempelmusiker, die mit Gesang und dem Spiel von Becken, Harfen und Lauten Gott preisen sollten. Sie alle waren zu ihrer Zeit berühmte Männer, Spezialisten und Könner auf ihrem Gebiet, dem sie sich voll und ganz und ohne Ablenkung widmen konnten: »Die levitischen Sippen, die für den Gesang am Tempel verantwortlich waren, wohnten in den Kammern am Tempel. Sie waren von aller anderen Arbeit befreit, weil sie Tag und Nacht zu ihrem Dienst bereit sein mussten.« (1Chronik 9,33)
288 Sänger werden erwähnt und viele verschiedene Instrumente – das ist eine erhebliche Infrastruktur, die große Vielfalt erlaubt, um auf die unterschiedlichen Befindlichkeiten der Menschen und die verschiedenen Anforderungen des liturgischen Dienstes reagieren zu können.
Vielfalt und Wandel – das sind zwei Begriffe, die programmatisch stehen können für die biblische Musikkultur. Musik in der Bibel ist alles andere als eintönig. Sie erscheint in vielerlei Form, in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen. Die immer gleiche Musik für jeden Anlass gibt es in der Bibel nicht. In Psalm 150 wird diese Mannigfaltigkeit deutlich:
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