Wenn die Sciora auf Gängen an diesen Rebbergen vorbeikam, musste sie an sie denken. Sie wunderte sich nicht, dass die Arbeit ihr geholfen hatte, ihren schwermütigen Zustand zu überwinden. Sie wusste, nicht nur die Bewegung und die frische Luft waren es, aber die Arbeit am Boden selbst und das Leben der Erde, das ruhevoll in Wellen auch den Menschen durchdringt und kräftigt, der sich zu ihr neigt. Und doch, sie fühlte, das war nicht alles … In einem der engen, krummen Wege der Rebberge, ferne vom Dorf, erblickte sie einst im Vorübergehen zwei Gestalten. Sie standen hoch nebeneinander, aufrecht und ohne sich zu berühren, aber doch einander innig zugewandt. In dem kurzen Augenblick spürte die Sciora, dass die beiden Menschen sich gehörten.
Da haben sich zweie lieb, dachte sie, aber unter dieser freundlichen Feststellung stieg in ihr die ängstliche Frage auf, ob denn die Frau nicht Stella gewesen sei … und der Mann? Das war doch der junge Pfarrer! … Was soll denn daraus werden?, dachte sie beklommen.
Einige Zeit später sprang im unteren Dorf die große Glocke zum Glockenstuhl des Kirchturms hinaus. Zum Glück hatte sie niemanden erschlagen. Sie lag, beschädigt, vor dem Brunnen auf dem Kirchplatz. Es war fraglich, ob sie an ihren alten Ort würde verbracht werden können. Bis die Experten darüber entschieden hätten, konnte nur die kleine Glocke geläutet werden. Sie tönte hart, wie ein Armensünderglöcklein, man hörte sie bis ins obere Dorf hinauf.
Ein Unglück kommt selten allein. Bald darauf hieß es, der junge Herr Pfarrer vom unteren Dorf habe plötzlich nach Rom verreisen müssen und in seiner Kirche dürfe keine Messe gelesen werden, bis der Bischof sie neu geweiht habe. «Warum?», fragten die Kinder. Sie bekamen keine Antwort.
«Und was sich zweiet, dreiet sich», prophezeite Ermano, der die Gabe der Voraussicht besitzt. Eines Morgens hörte die Sciora im Nachbarhaus der Fiorina schreien. Es waren Schreie wie von einem Kind, das gezüchtigt wird. Sie horchte hin und hörte auch wirklich Schläge. Das befremdete sie, denn es war am Ort nicht Brauch, die Kinder zu schlagen, auch wohnte Fiorina ganz allein im Haus. So ging die Sciora hinüber, um zu sehen, was da vor sich gehe. Sie fand die alte Fiorina in ihrer Küche auf niederem Stuhl am Herd sitzen und Schreie ausstoßen, die mit ihrer sonstigen Stimme keine Ähnlichkeit hatten. Dazu schlug sie die Hände heftig zusammen und warf den Kopf nach hinten. Tränenströme liefen aus ihren Augen, das eine Augenlid war schon ganz verschwollen und verklebt und hing auf ihre Wange herunter. Erschrocken fragte die Sciora, was los sei, warum sie klage. Die Alte wiederholte zwischen spitzigen Schreien ununterbrochen dieselben Worte.
«Barmherziger Gott, mein Bruder, barmherziger Gott … barmherziger Gott, mein armer Bruder, barmherziger Gott …»
«Was denn, was denn?», drang die Sciora in sie, «ist etwas geschehen?»
Und sie erfuhr stückweise, es sei der Fiorina eben berichtet worden, man habe Stella tot im Bach aufgefunden … Sie sei in der Nacht nicht nach Hause gekommen, man habe sie gesucht. Bei der hohen Brücke müsse sie einen Fehltritt getan haben … man sehe, dort sei sie ausgeglitten und abgestürzt.
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