Zuerst hatten sie bernische Polizeiposten überfallen. Der von Delémont war derart verwüstet worden, dass es eine wahre Freude war. Dann ließen sie vor den Wohnhäusern der Antiseparatisten und vor öffentlichen Gebäuden Sprengstoff explodieren. Große Knaller, dutzendweise. Sie tauschten Sprengstoff wie Briefmarken, Chlorat- und Plastiksprengkörper, elektrische oder pyrotechnische Zünder, Sprengschnüre, Plastikeimer, sogar ein paar Militärgranaten.
Sie bedienten sich nachts auf Straßenbaustellen, in Steinbrüchen, Hoch- und Tiefbauschuppen oder direkt in den Waffenlagern der Armee, wo sie die Rekrutenschule absolviert hatten. Nicht immer wussten sie mit Sprengstoff umzugehen. Einer verlor die Hand, als er mit Zündern herumexperimentierte. Den Untersuchungsrichtern hatten sie gesagt, sie interessierten sich für Fossilien, mit Dynamit ließen sich ja Steine in die Luft sprengen. Und was die Nebelpetarden betraf, die sie in die Lüftungsschächte der Polizeikaserne geschoben hatten, so wollten sie, wie sie erklärten, die Grenadiere beim Testen ihrer Kriegsmasken unterstützen.
Die vierzehn Angeklagten blieben bei Prozessbeginn bester Laune, war doch das scharenweise erschienene Publikum auf der Tribüne vorbehaltlos auf ihrer Seite. Die Verteidigung führte ehrenvolle Motive an, verwies auf die Menschenrechte, insbesondere auf das Recht, sich zu versammeln, ohne von einer außerhalb ihres Einsatzgebietes agierenden Polizei, einer eigentlichen Besatzungsmacht, auseinandergetrieben zu werden.
Der Stadtpräsident von Moutier sagte im Zeugenstand aus, er habe die Grenadiere aus Bern ihre Granaten horizontal in die Reihen der Separatisten schießen sehen. «Sie warfen wahllos Leute auf den Boden, droschen mit ihren Knüppeln auf sie ein, sprühten Tränengas in die überfüllten Polizeitransporter, schlugen die Frauen, aber duldeten Straßensperren und Gewaltaktionen der Berntreuen, ohne einzugreifen.»
Der Redeversuch des Staatsanwalts wurde auf der Tribüne mit Gelächter und ironischem Applaus quittiert. Die Dreistigkeit der Béliers verschlug den Journalisten die Sprache. Sie standen vor dem höchsten Schweizer Gericht, angeklagt terroristischer Handlungen und der Verschwörung gegen den Staat, und lachten nur darüber. Landesweit dämmerte es nun, dass es ihnen bitterernst war.
Zwei Tage später dann die Urteilsverkündigung. Die Angeklagten kamen alle mit bedingten Haftstrafen von einem bis sechs Monaten davon. Die Proberner schäumten vor Wut. Die Béliers verstanden sehr wohl, dass die Justiz Anweisungen bekommen hatte, möglichst keine Helden zu produzieren. Für sie ein Anreiz, ihre Sprengstoffvorräte besser zu verstecken.
Am selben Tag erschien im Journal de Genève folgende Schlagzeile: «Gnädiges Urteil gegen die jungen Jurassier». Zweite Schlagzeile: «Leiche des Aspiranten Flükiger gefunden.» Diese Koinzidenz hätten sie sich lieber erspart.
Um zu verstehen, welchen Zusammenhang es zwischen den Béliers und dem Tod des Aspiranten Flükiger geben könnte, kehren wir zum Ermittler zurück. Auch wenn ich ihm das eine oder andere Wort in den Mund gelegt habe, Tatsache bleibt, dass Niklaus Meienberg in die Tochter von Bundesrat Kurt Furgler verliebt war. Ich habe anderswo die Liebesgedichte übersetzt, die er ihr geschrieben und auch publiziert hat. Furgler seinerseits nutzte die Dienste des Bundesanwalts der Eidgenossenschaft Rudolf Gerber, um sich über den Umgang seiner Tochter und Meienbergs Aktivitäten zu unterrichten.
Die Entführung Schleyers musste ich nicht erfinden, ebenso wenig den offiziellen Besuch in Bern von Bundespräsident Scheel und Vizekanzler Genscher mit seiner unklaren Vergangenheit. Und Sie werden allmählich verstehen, dass hier in der Schweiz die Gewalt nicht immer auf der Seite ist, auf der Sie sie erwarten.
Literatur bewegt sich immer an der Grenze zwischen Imagination und Realität. Das ist auch ihr besonderer Reiz. Keine Literatur ohne Fantasie. Wer ich sagt, bildet die Realität nicht besser ab, da jeder sich sein Leben als kohärente Geschichte erzählt, wie widersprüchlich es auch gewesen sein mag.
Die Realität ist immer flüchtig. Der Rest bleibt Sache der Literatur.
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