1 ...8 9 10 12 13 14 ...34 67. Als aber Potidäa Belagert wurde, so wollten sie sich nicht länger ruhig verhalten, theils weil von ihrer Mannschaft dort eine Besatzung lag, theils weil sie auch wegen des Platzes selbst besorgt waren. Sie beriefen also sogleich die Bundesgenossen nach Lacedämon, und erhoben dort Klage gegen die Athener, daß diese die Verträge gebrochen hätten, und die Rechte' des Peloponneses verlebten. Hier trugen die Aegineten, welche zwar aus Furcht vor den Athenern nicht öffentlich, aber heimlich Gesandte schickten, sehr viel dazu bei, den Krieg anzuregen, indem sie behaupteten, daß gegen die Verträge ihre Unabhängigkeit verletzt sei. Die Lacedämonier aber beriefen dazu, wer sonst noch von ihren Bundesgenossen durch die Athener gekränkt zu sein behauptete, und veranstalteten unter sich die herkömmliche Versammlung, und foderten jene auf, ihre Sache vorzutragen. Unter andern, welche der Reihe nach ihre Beschwerden vorbrachten, traten auch die Megareer auf, und erklärten sich theils über manche andere streitige Punkte, theils und vornehmlich über die vertragswidrige Sperrung der Häfen in Attischen Gebiete und der Märkte in Attika. Zuletzt traten die Korinther auf, nachdem sie durch Andere zuvor die Lacedämonier zur Erbitterung hatten reizen lassen, und sprachen sofort in folgendem Sinne:
68. "Ihr Männer von Lacedämon, eure Redlichkeit in der eigenen innern Staatsverwaltung und im gesellschaftlichen Leben macht, daß ihr in Betreff Anderer etwas schwergläubig seid, wenn wir gegen sie etwas vorzubringen haben: und eben daher zeigt ihr, bei der Mäßigung, die ihr beobachtet, zu wenig Einsicht in auswärtigen Verhältnissen. Denn wiewohl wir oft vorher sagten, welche Kränkungen uns von den Athenern drohen, so mochtet ihr doch allemal über das Angezeigte keine nähere Kunde einziehen, sondern ihr hattet vielmehr die Klagenden im Verdacht, daß sie nur wegen ihrer besondern Zwiste so sprächen. Daher kommt es auch, daß ihr nicht vor erlittener Kränkung, sondern erst jetzt, da die That gegen uns schon geschehen ist, diese Bundesgenossen versammelt habt, vor welchen uns vornehmlich das Wort um so eher gebührt, je bedeutender unsere Beschwerden sind, da wir von den Athenern gemißhandelt und von euch vernachläßigt worden sind. Hätten sie im Verborgenen irgendwo Hellas beeinträchtigt, so wäre es nöthig, euch als Unkundige zu belehren: nun aber, wozu bedarf es eines langen Vortrags, da ihr sehet, daß einige von uns schon unterjocht sind, und andern durch sie dasselbe Schicksal droht, und zumal unsern Verbündeten, und daß die Athener seit langer Zeit auf den Fall eines Krieges gerüstet sind? Denn sonst würden sie nicht wider unsern Willen sich in Korcyra eingedrungen haben und Potidäa belagern: wovon dieses der gelegenste Platz ist, aus dem man für die Umgegend Thraciens Vortheile ziehen kann, jenes aber den Peloponnesiern eine sehr bedeutende Seemacht hätte liefern können."
69. Und von allem Diesem liegt die Schuld auf euch ; denn ihr habt geduldet, daß sie nach dem Perserkriege zuerst ihre Stadt befestigten, sodann die langen Mauern aufführten: und so habt ihr bis jetzt immer nicht nur denen, die von jenen unterjocht wurden, sondern auch bereits euren eigenen Bundesgenossen die Freiheit entzogen. Denn dieß thut eigentlich nicht sowohl der Unterjocher selbst, sondern der, welcher es verhindern könnte, und dieß versäumt, mag er auch den ehrenvollen Namen des Befreiers von Hellas tragen. Und kaum ist es jetzt, zu einer Versammlung gekommen, und auch jetzt noch nicht, als ob die Sache im Klaren wäre. Denn es sollte nun nicht mehr erst untersucht werden, ob wir Unrecht leiden, sondern wie wir uns dagegen verheidigen werden; denn der Thatkräftige geht mit gesatztem Entschlusse ungesäumt auf die Unentschiedenen los. Wissen wir ja doch, auf welchem Wege und wie die Athener allmählig gegen ihre Nachbarn vorwärts schreiten. So lange sie meinen, daß ihre Plane wegen eurer Gleichgültigkeit unenthüllt bleiben, so handeln sie weniger dreist: wenn sie aber sehen, daß ihr die Sache merket, und doch unthätig bleibet, so werden sie um so gewaltiger zugreifen. Ihr Lacedämonier seid ja die einzigen unter den Hellenen, die sich ruhig verhalten, und nicht mit Kriegsmacht, sondern durch Zögerung Andere abwehren: ihr suchet das Wachsthum der Feinde nicht in seinem Beginnen, sondern wenn es sich schon verdoppelt hat, zu unterdrücken. Mau rühmt zwar eure sichere Haltung: aber der Ruf hat die That überstiegen. Denn wir wissen ja, daß, als die Perser von den Grenzen der Erde her gegen den Peloponnes anrückten, von eurer Seite noch nicht einmal die angemessenen Gegenanstalten getroffen waren: und jetzt kümmert ihr euch nicht um die Athener, die nicht ferne, wie jene, sondern in der Nähe sind, und statt sie selbst anzugreifen, wollt ihr gegen ihren Angriff lieber vertheidigend zu Werke gehen, und im Kampfe gegen eine weit stärkere Macht es auf den Zufall ankommen lassen. Und doch wisset ihr, daß die Perser ihre meisten Unfälle durch eigne Schuld erlitten, und daß wir über die Athener selbst bisher oft mehr durch ihre Fehler, als durch eure Hülfe Vortheile erhalten haben. Denn die auf euch gesetzten Hoffnungen haben wohl schon Manchen, der sich wegen seiner Zuversicht nicht gehörig rüstete, zu Grunde gerichtet. Uebrigens glaube Niemand von euch, daß dieß mehr aus feindseliger Absicht, als Beschwerde zu führen, gesagt setz Denn Beschwerde findet statt gegen fehlende Freunde, Anklage aber gegen beeinträchtigende Feinde.
70. Zugleich glauben wir, eben sowohl als irgend Jemand, berechtigt zu sein, Pudere zu tadeln, zumal, da die Gegenstände, auf die es hier ankommt, so wichtig sind: für welche ihr keinen Sinn zu haben scheinet, indem ihr wohl noch nie erwogen habt, was für ein Volk die Athener sind, mit denen ihr es zu thun haben werdet, und wie sehr sie euch in Allem überlegen seien. Denn sie sind unter: nehmend, und rasch im Entwerfen und in der Ausführung alles dessen, was sie beschließen. Ihr aber sein stets nur bereit, das Bestehende zu erhalten, ohne etwas Weiteres zu unternehmen, auch wisst ihr nicht einmal das Nothwendige in der That durchzusetzen. Sie dagegen sind über ihre Kräfte thatlustig, sie wagen über Erwartung, und sind in Gefahren voll Hoffnung. Euch aber ist es eigen, in der Ausführung unter euren Kräften zu bleiben, selbst sichern Erwartungen nicht zu trauen, und keine Errettung aus der Gefahr zu hoffen. Vergleicht man ferner Beide, so sind sie rastlos thäthig, ihr aber langsam: sie reiselustig, ihr die größter Heimathfreunde: sie glauben durch Aufenthalt in der Fremde etwas zu gewinnen, ihr aber, durch einen Kriegszug sogar den vorhandenen Besitz zu schmälern. Gewinnen sie einen Vortheil über die Feinde, so verfolgen sie denselben so weit als möglich, werden sie besiegt, so wird ihr Muth nur wenig gebeugt. Ihre Leiber weihen sie dem Staate, als ob sie ihnen ganz fremd wären; der Geist aber, womit sie für das Vaterland wirken, ist ihr eigenstes Wesen. Wenn sie einen Plan nicht durchführen, so ist es ihnen, als rerlören sie ein Besitzthum: was sie im Kriege erringen, gilt ihnen als unbedeutender Gewinn gegen das, was ihren Unternehmen die Zukunft verspricht. Mißlingt ihnen irgend einmal ein Versuch, so richten sie dagegen ihre Hoffnung auf etwas anderes, und ihr Bedürfniß ist befriedigt. Denn bei ihnen allein fällt Besitz und Hoffen des Gegenstandes der Wünsche zusammen, weil sie rasch zur Ausführung aller ihrer Entschlüsse schreiten. Und dieses alles streben sie ihr ganzes Leben hindurch unter Mühsal und Gefahren zu erringen: auch genießen sie sehr wenig, was sie besitzen, weil sie stets nach Erwerb trachten, und kein anderes Fest kennen, als die Erfüllung ihrer Pflicht, und thatlose Ruhe nicht minder für ein Uebel halten, als mühselige Geschäftslast. Man könnte sie säher kurz und richtig so schildern: sie seier nach ihrer Gemüthsart dazu gemacht, weder selbst Ruhe zu haben, noch andern Menschen Ruhe zu lassen.
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