Dieses Buch ist auch allen kritischen, engagierten Menschen gewidmet, die hier nicht namentlich erwähnt werden konnten und auf deren Schultern die Fortschritte der letzten fünfzig Jahre ruhen.
Jeder Frau ihre Stimme
Der Verlag Hier und Jetzt wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016–2020 unterstützt.
Mit weiteren Beiträgen haben das Buchprojekt unterstützt:
Grütli Stiftung Katharina Strebel Stiftung UBS Kulturstiftung
Dieses Buch ist nach den aktuellen Rechtschreibregeln verfasst. Quellenzitate werden jedoch in originaler Schreibweise wiedergegeben. Hinzufügungen sind in [eckigen Klammern] eingeschlossen, Auslassungen mit […] gekennzeichnet.
Lektorat Rachel Camina, Hier und Jetzt
Gestaltung und Satz Simone Farner, Naima Schalcher, Zürich
Bildbearbeitung Benjamin Roffler, Hier und Jetzt
Druck und Bindung Beltz Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza
ISBN Druckausgabe 978-3-03919-497-1
ISBN E-Book 978-3-03919-959-4
E-Book-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
© 2020 Hier und Jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte GmbH, Zürich, Schweiz
www.hierundjetzt.ch
Einführung Caroline Arni Nichts versprochen, alles erkämpft Caroline Arni Endlich! Nicht zufällig ein Wort und ein Satzzeichen, und nicht zufällig dieses Wort und dieses Satzzeichen. Der Ausruf «Endlich!» passt, wenn etwas Ersehntes eintritt; er passt auch, wenn eine Anstrengung gelingt oder ein Versprechen eingelöst wird. In jedem Fall drückt er aus, dass etwas überfällig geworden ist. Und diese Überfälligkeit verknüpft das Wort fast unweigerlich mit dem Ausrufezeichen, das mehr als jedes andere Satzzeichen ein Gefühl zum Ausdruck bringt: Erleichterung, Genugtuung – und zuweilen auch Triumph. Überfällig aber wird etwas, wenn ein Zeitpunkt überschritten und etwas nicht rechtzeitig eingetreten ist. Wenn die Zeit des Wartens umso länger geworden ist, je grösser Sehnen und Hoffnung waren, oder wenn Geduld strapaziert worden ist, weil es Widerstände zu brechen und Hindernisse zu überwinden galt. Beides war der Fall im Jahr 1971: Endlich wurden den Schweizer Staatsbürgerinnen ihre politischen Rechte zugestanden, 123 Jahre nach der Gründung des Bundesstaats und der Einrichtung des «allgemeinen» Stimm- und Wahlrechts auf eidgenössischer Ebene. Endlich, nachdem die grosse Mehrheit der Staatsbürgerinnen rund um den Globus – zum Teil längst – politische Rechte hatte. Doch das mit der Überfälligkeit ist in dieser Sache kompliziert. 1971 wurde etwas gewährt, das nicht versprochen war, und es wurde etwas gegeben, das kein Geschenk ist. Nämlich ein Recht. In der Geschichte des Frauenstimmrechts darf man sich nicht täuschen: Beim Ausschluss der Frauen von den politischen Rechten handelt es sich nicht um ein Zuspätkommen aus Vergesslichkeit, nicht um Nachlässigkeit oder Unachtsamkeit. Es liegt kein Betriebsunfall der Geschichte vor, kein Stottern im Motor der Moderne – sondern eine Entscheidung, wiederholt getroffen und bekräftigt. Denn die Geschichte der Rechte ist keine Agenda mit Deadlines, die eingehalten oder verpasst und nachgeholt werden. Es ist eine Geschichte von Kämpfen um Teilhabe an dem, wovon die Rechte handeln. Wie sie ausgeht, ist immer offen – auch heute.
1970er-Jahre Elisabeth Joris
Kritik am Patriarchat und Frauenbefreiungsbewegung Abtreibungsdiskussionen Frauenräume, Frauenberatung Lesben treten an die Öffentlichkeit Frauenkongress und Gegenkongress Eidgenössische Frauenkommission
Porträt: Margrith Bigler-Eggenberger
1980er-Jahre Anja Suter
Gleichstellungsartikel in der Verfassung Aktive Lesbenkultur, autonome Frauenräume Thematisierung von Rassismus und Gewalt gegen Frauen Erste Frau im Bundesrat Neues Eherecht Frauengesundheitsbewegung
Porträt: Rina Nissim
1990er-Jahre Fabienne Amlinger
Zählebige traditionelle Rollenverteilung Frauensession und Frauenstreik Letzter Kanton führt das Frauenstimmrecht ein Der «Brunner-Skandal» Institutionalisierung der Geschlechterforschung
Porträt: Antoinette Hunziker-Ebneter
2000er Jahre Leena Schmitter
Fristenregelung Widerstand gegen die Männerwahl in den Bundesrat Mutterschaftsversicherung Professionalisierung der Kinderbetreuung Internet fördert internationale feministische Vernetzung
Porträt: Anne Wegmüller, Rahel Imobersteg und Rahel Ruch
2010er-Jahre Angelika Hardegger
Vereinbarkeit von Beruf und Familie Care-Debatte #MeToo-Bewegung Landesweiter Frauen*streik Parlamentswahl wird zur Frauenwahl
Porträt: Christine Bühler
Nachwort Denise Schmid
Chronologie 1971–2021
Anhang
Am «Marsch auf Bern» 1969 erhebt Emilie Lieberherr (am Mikrofon hinter dem Transparent) ihre Stimme: «Wir stehen hier nicht als Bittende, sondern als Fordernde», ruft sie den rund 5000 Menschen, vorwiegend Frauen, auf dem Bundesplatz zu und skandiert: «Mänscherächt für beidi Gschlächt!»
Nichts versprochen, alles erkämpft
Caroline Arni
Endlich! Nicht zufällig ein Wort und ein Satzzeichen, und nicht zufällig dieses Wort und dieses Satzzeichen. Der Ausruf «Endlich!» passt, wenn etwas Ersehntes eintritt; er passt auch, wenn eine Anstrengung gelingt oder ein Versprechen eingelöst wird. In jedem Fall drückt er aus, dass etwas überfällig geworden ist. Und diese Überfälligkeit verknüpft das Wort fast unweigerlich mit dem Ausrufezeichen, das mehr als jedes andere Satzzeichen ein Gefühl zum Ausdruck bringt: Erleichterung, Genugtuung – und zuweilen auch Triumph.
Überfällig aber wird etwas, wenn ein Zeitpunkt überschritten und etwas nicht rechtzeitig eingetreten ist. Wenn die Zeit des Wartens umso länger geworden ist, je grösser Sehnen und Hoffnung waren, oder wenn Geduld strapaziert worden ist, weil es Widerstände zu brechen und Hindernisse zu überwinden galt. Beides war der Fall im Jahr 1971: Endlich wurden den Schweizer Staatsbürgerinnen ihre politischen Rechte zugestanden, 123 Jahre nach der Gründung des Bundesstaats und der Einrichtung des «allgemeinen» Stimm- und Wahlrechts auf eidgenössischer Ebene. Endlich, nachdem die grosse Mehrheit der Staatsbürgerinnen rund um den Globus – zum Teil längst – politische Rechte hatte.
Doch das mit der Überfälligkeit ist in dieser Sache kompliziert. 1971 wurde etwas gewährt, das nicht versprochen war, und es wurde etwas gegeben, das kein Geschenk ist. Nämlich ein Recht. In der Geschichte des Frauenstimmrechts darf man sich nicht täuschen: Beim Ausschluss der Frauen von den politischen Rechten handelt es sich nicht um ein Zuspätkommen aus Vergesslichkeit, nicht um Nachlässigkeit oder Unachtsamkeit. Es liegt kein Betriebsunfall der Geschichte vor, kein Stottern im Motor der Moderne – sondern eine Entscheidung, wiederholt getroffen und bekräftigt. Denn die Geschichte der Rechte ist keine Agenda mit Deadlines, die eingehalten oder verpasst und nachgeholt werden. Es ist eine Geschichte von Kämpfen um Teilhabe an dem, wovon die Rechte handeln. Wie sie ausgeht, ist immer offen – auch heute.
Menschenrecht und Männerstaat
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