Peinlich, peinlich … D. war in Wirklichkeit nämlich gar nicht D., sondern E. Und D. war hingegen ein netter unschuldiger Leidtragender, den ich aufgrund von Hörensagen fälschlich für E. gehalten hatte.
Was lernen wir daraus? Geht dem Golfer ein Mitbewerber durch Regel- oder Etiketteverstöße auf den Keks, so ist dieser direkt und unmittelbar auf sein nerviges Verhalten anzusprechen. Das schließt Missverständnisse aus und hat auch nachhaltig den größeren Effekt.
Sollte nunmehr der Eindruck entstanden sein, ich würde „Durchspielen“ generell als nervig ansehen, so ist dieser Eindruck übrigens komplett falsch.
Im Gegenteil: Nervig ist, wenn der Vorflight auch nach dem zehnten Schlag noch nicht in die Nähe des Grüns gekommen ist und dennoch keine Anstalten macht, den Ball in absehbarer Zeit aufzunehmen und das Loch somit aufzugeben. Derartige Mitspieler verursachen oft kilometerlange Rückstaus. Ja, kilometerlang! So etwas gibt es nicht nur auf der Autobahn.
Bevor man nun aber irgendwelche Maßnahmen ergreift, sollte man sich sehr sicher sein, dass die durchschnittliche Spielgeschwindigkeit des eigenen Flights deutlich über der des vorausspielenden Flights liegt. Sonst kann es im Anschluss an das Durchspielen oder schon in dessen Verlauf sehr peinlich werden …
Ist diese Sicherheit aber durch ausreichend lange Beobachtung erlangt und ist auch ausreichend bekannt, dass sich vor den Kriechern eine freie Spielbahn befindet, so stellt sich die Frage nach der Art der zu ergreifenden Maßnahme. Alles sollte damit beginnen, dass der Vorflight bemerkt, dass er selbst zum gehenden Hindernis geworden ist. Schritt Nummer 1 ist also, entsprechenden Blickkontakt herzustellen.
Wie das geht? Bei einem Par3 kann man schon mal auf dem Abschlagsfeld Position beziehen. Dieses ist meistens erhöht, und aus dieser Position heraus bleiben einige schnittig vorgetragene Probeschwünge den Augenwinkeln der Trödler nicht lange verborgen.
Schwieriger schon auf dem Fairway eines Par4 oder Par5. Wenn sich die Vorspieler dann nicht umsehen, bleibt noch die Möglichkeit, den Marschall per Mobiltelefon zu verständigen. Bis der allerdings vor Ort ist, kann es eine Weile dauern. Oder man ruft „Hallo!“. Notfalls auch „ H a l l o !!“. Dies reicht in 90% aller Fälle aus, um den Vorflight zum Durchspielenlassen zu veranlassen.
Wann ist das Anrufen des Vorflights denn nun unverschämt und wann ist es ein legitimer Notruf? Dies kommt ganz auf die Spielsituation an. Wenn man sich in der konkreten Situation auf dem Platz befindet, weiß man es ganz einfach. Als Minimum hierfür wird allerdings das Fingerspitzengefühl eines Elefanten vorausgesetzt.
Und was ist mit den restlichen 10%, die sich selbst durch laute Hallo-Rufe nicht zu irgendeiner Reaktion bewegen lassen? Das sind äußerst kritische Fälle!
Wenn man versiert genug ist, seine Bälle so zu spielen, dass sie einerseits in den Sensorenbereich der Ignoranten gelangen, andererseits diese aber unter gar keinen Umständen gefährden, dann kann man schon mal den ein oder anderen Ball spielen, für den man normalerweise einen zeitlichen und räumlichen Anstandsabstand eingehalten hätte. Aber dies ist wirklich nur die Ultima Ratio!
Die beste Lösung ist in der Regel Geduld, verbunden mit einer direkten Ansprache der Verursacher, sobald dies möglich ist. Ansonsten bleibt nur die Benachrichtigung der Spielleitung. Denn langsames Spiel in Verbindung mit dem Verweigern des Durchspielens ist gemäß Regel 6-7 ein zu sanktionierender Regelverstoß.
Aber bitte n i e m a l s anderen Spielern Bälle gezielt in die Hacken spielen!!!!!!!!!!!!!! Das ist nämlich asozial und – wenn es schief geht – sogar gefährliche Körperverletzung. Wenn nicht schlimmer …
Kapitel 2
Regelmissachtung und Strafschläge
Nach dem Lesen des ersten Kapitels könnte man meinen, Golf sei Kampf und hätte etwas mit Durchsetzungsvermögen zu tun. Hat es auch – aber nur äußerst selten!
Ein weiser Mann hat mal formuliert „die Beklopptenquote ist überall gleich hoch – egal, ob im Beruf, in der Nachbarschaft oder im sonstigen öffentlichen Leben.“ So ganz stimmt das zwar nicht: Je nach sozialem Umfeld und genossener Erziehung zeichnen sich hier schon deutliche Unterschiede ab. Aber: Alleine die Tatsache, dass man golft, ist noch lange keine Gewähr dafür, dass man auch eine gute Erziehung genossen hat oder einem guten sozialen Umfeld entstammt. Somit nimmt es kein Wunder, dass schlechtes Benehmen auch beim Golfen gelegentlich zu Tage tritt.
Möglichweise gibt es beim Golfen zwar weniger gestörte Persönlichkeiten als im sonstigen öffentlichen Leben, aber dadurch, dass man sich beim Golfen zeitweilig sehr nahe kommt, ersatzweise genügen hier auch die Spielgeräte der Mitspieler oder Kontrahenten, kann es vermehrt zu Stresssituationen kommen.
Mitspieler, die es im Beruf zu etwas gebracht haben, die womöglich über ein tolles Auto verfügen und evtl. sogar über eine gut aussehende Ehefrau / seltener über einen gut aussehenden Ehemann, können beim Golfen diese Statussymbole leider nicht unmittelbar mit sich führen.
Sie fühlen sich dann nackt und angreifbar und sie neigen in Stresssituationen häufig dazu, ihren Status durch die Verhaltensweise von Alphamännchen zu unterstreichen. Nur wenn man dies weiß und sich darauf einstellt, bleibt Golf spielen auch auf gut besuchten Golfplätzen die entspannendste und gleichzeitig aufregendste Nebensache der Welt.
Wie stellt man sich auf Alphamännchen und auf Wadenbeißer ein? Zunächst einmal, indem man die Regeln kennt!
Wie bereits oben beschrieben, dienen die Regeln der Vergleichbarkeit, ohne die kein Sieger ermittelt und gekürt werden könnte. Aber sie sollen auch einen reibungslosen Spielfluss ermöglichen, bei dem jeder Spieler zu jeder Zeit weiß, wann und wie er spielen darf.
Wenn sich jeder Mitspieler an die zwar etwas unübersichtlichen, aber in vielen Jahren bewährten Regeln hält, kann es praktisch zu keinen Stresssituationen kommen. Unmut kommt meistens erst auf, wenn sich ein Mitspieler entweder nicht an die Regeln hält oder aber ein Kontrahent aus Unwissenheit vermutet, dass der andere sich nicht an die Regeln hält.
Regelverstöße werden meistens mit Strafschlägen geahndet. Strafschläge verschlechtern das Spielergebnis des Bestraften und sie verbessern in Relation hierzu das Ergebnis aller nicht Bestraften. Dies ist häufig genug Motivation dafür, Mitspieler mit berechtigten oder auch unberechtigten Strafschlägen zu überziehen.
Dies zeigen Beispiele aus der Praxis.
Spielen von außerhalb des Abschlags
Gemäß Regel 11-4 ist beim Abschlag das Spielen von außerhalb des Abschlags unzulässig. Es wird beim Zählspiel mit zwei Strafschlägen sanktioniert. Ich habe mich immer gefragt, wie ist das eigentlich möglich: Ein Mitspieler sieht, dass der Abschlagende im Begriff ist, von außerhalb des Abschlags zu schlagen – er macht ihn aber nicht darauf aufmerksam, sondern wartet in aller Ruhe den Abschlag ab, um dann genüsslich zu verkünden: „Dein Tee befindet sich vor der Abschlagsmarkierung!! – Zwei Strafschläge!“
Was um Gottes Willen hat eine solche Verhaltensweise mit dem Spirit of the Game zu tun? Rein gar nichts! Hier zeigt das Alphamännchen seine Macht, der Wadenbeißer betreibt Frustabbau. Keine Frage, wenn die Regel nicht eingehalten wurde, so ist dies zu sanktionieren (zumindest im Turnier). Aber warum hilft man dem Mitspieler nicht dabei, den Regelverstoß zu vermeiden, indem man ihn v o r dem Abschlag auf seine Ballpositionierung hin anspricht??
Für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass der Regelverstoß tatsächlich erst nach dem Abschlag beobachtet wurde, bieten sich andere Vorgehensweisen an. Zum Beispiel: „Aus meinem Blickwinkel heraus sah es so aus, als ob Du den Ball von vor der Abschlagslinie geschlagen hättest. Du weißt ja, dass dies dann zwei Strafschläge nach sich ziehen würde. Ich kann mich aber auch geirrt haben. Wie siehst Du das?“
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