Aber um noch mal auf London zurückzukommen ... Nach dem Studium in Brighton habe ich noch zwei Jahre am „Royal College of Arts“ studiert.
Wow, das Royal College … da hätte ich auch mal gerne studiert .
Ich hasste es. Dort wird Illustration in seiner kommerziellen Ausrichtung kategorisch abgelehnt. Als ich sie fragte, wie ich denn mein Geld verdienen solle, sagten sie mir: „Arbeite in einem Café, aber zeichne nicht für kommerzielle Projekte.“
Die meisten Studenten und Professoren dort können das sagen. Sie bekommen genug Geld von Eltern oder Studierenden, um einfach Künstler zu sein. Aber ich komme nicht aus solch privilegierten Verhältnissen. Ich wollte nicht mehr hungrig sein müssen. Also habe ich nicht darauf gehört, was sie sagten. Sie hassten mich dafür.
ROYAL COLLEGE OF ARTist eine Universität für Kunst und Design in London, beheimatet im Darwin Building in der Kensington Gore, South Kensington.
Das Royal College of Art spielte eine maßgebliche Rolle bei der Entstehung der modernen Schule der britischen Bildhauerei in den 1920ern mit Studenten wie Barbara Hepworth und Henry Moore und bei der Entwicklung der Pop Art in den 60ern mit Studenten wie Peter Blake und David Hockney.
Diese zwei Jahre waren nix. Die meisten Studenten kamen aus dem Ausland aus reichen Familien und hatten dadurch eine vollkommen andere Mentalität.
Ich bin dorthin gegangen, um mich mit anderen auszutauschen, und alles was ich gefunden habe, waren reiche, introvertierte Künstler, die nichts zu sagen hatten.
Aber das Royal College hilft natürlich, das muss man auch sagen. Die Leute hören von dir und bemerken dich.
Wie war es, als du versucht hast, deine ersten Aufträge zu bekommen?
Du musst jedem deine Sachen zeigen, jeden wissen lassen, was du machst, überall hingehen und präsent sein. So habe ich angefangen. Magazine und Verlage, Werbe- und Grafikagenturen, überall zeigte ich mein Portfolio und ließ ein Beispiel und meine Adresse da. Dann riefen sie tausend Jahre später an. Zum Glück bin ich jetzt in der Situation, dass ich das seit sieben Jahren nicht mehr machen muss. Das ist ein Kreislauf, je mehr von mir veröffentlicht ist, desto mehr Leute fragen bei mir an.
Ein guter Freund von mir, Jasper Godall, mit dem ich zusammen auf dem College war, meinte zu mir, ich solle meine Mappe mal Big Active zeigen. Er war dort der erste Illustrator, denn bis dahin war Big Active noch eher eine Fotografie- und Design-Repräsentanz. Ich ging also dorthin und Greg Burne, der die Illustratoren auswählt, meinte: „Schön. Komm wieder, wenn du mehr veröffentlicht hast.“
Am selben Nachmittag rief Nike aus Frankreich bei mir an und gleichzeitig Nike aus Holland bei Big Active. Beide wollten Illustrationen von mir haben. Ich rief sofort bei Greg an und die Verwirrung war erstmal groß bei so einem riesigen Zufall. Ich sagte Greg, dass ich jetzt sofort eine Agentur brauche, weil das zu kompliziert für mich alleine wird. Von da an war ich mit dabei.
Es ist sehr gut, eine Agentur zu haben, aber das große Missverständnis ist, dass viele glauben, die Agentur holt die Aufträge für dich rein. Bullshit. Das musst du immer noch selber machen. Klar zeigen sie großen Agenturen dein Portfolio, aber es geht um die Arbeit zwischen Menschen, die müssen dich erstmal selber kennen lernen.
Das wichtige ist, dass Big Active als Kollektiv uns alle stärker macht und uns Halt gibt. Hier werden die Besten der Branche vertreten und dieses Bild projizieren die Leute natürlich auf jeden Einzelnen von uns.
Ich habe mit Big Active keinen Vertrag, der mich bindet. Neue Kunden kann ich an Big Active verweisen oder auch nicht. Das kann ich ganz persönlich entscheiden. Wenn viel Geld im Spiel ist mit großen Kunden, großen Aufträgen und großen räumlichen Distanzen leite ich das ganze an Big Active weiter. Viele Kunden aus der Werbung wollen unbedingt den Ablauf über die Agentur, weil sie es so gewohnt sind. Kleinere Sachen für Zeitungen und Editorial kann ich selber bewältigen. Das wichtige ist, dass ich mich bei meiner Arbeit auf die Kreativität beschränken kann. Ich habe einen sehr guten Agenten, der sich um alles kümmert, was mit Geld zu tun hat und ich mache einfach die Kunst. Es ist fantastisch. Denn ich bin so fucking nutzlos für alles, was mit Verantwortung zu tun hat.
Gibt es auch Nachteile, von einer Agentur repräsentiert zu werden?
Manche sagen, sie würden zu viel Geld nehmen, aber ich sehe das nicht so. Sie nehmen dreißig Prozent, was sich erstmal viel anhört, aber sie schaffen es gleichzeitig zehnmal mehr zu verlangen, als ich alleine. Die Firmen fühlen sich sicherer, wenn eine Agentur mit dabei ist. Alles ist ein Tick offizieller, die Verträge und so weiter.
Hast du Kontakt mit den anderen Künstlern bei Big Active?
Ich sehe sie eher selten. Das Cover Artwork für den Musiker Beck war eines der wenigen Projekte, die von allen gemeinsam gemacht worden sind. Ansonsten sehen wir uns auf der Weihnachtsfeier und betrinken uns schrecklich.
Illustration ist Einsamkeit. Du arbeitest immer alleine. Daher werden auch diejenigen Illustrator, die gerne so arbeiten. Das Wichtigste an unserem Beruf ist die Unabhängigkeit und der Umgang mit ihr. Niemand sagt dir, was du machen sollst. Du kannst schlafen so lange du willst. Aber ohne Arbeit kein Essen. Ganz einfach. So ist das als Freelancer.
Ganz alleine bist du aber nie. Du musst mit deiner eigenen Anwesenheit klar kommen. Damit hatte ich anfangs große Schwierigkeiten, aber je älter ich werde, desto besser halte ich es mit mir aus. Ich lerne mit mir umzugehen, so wie man mit anderen Menschen, die man nicht mag, einen Umgang finden muss. Um alleine zu arbeiten, hilft die Einstellung, dass die meisten Menschen unangenehme Zeitgenossen sind. Und die Einstellung habe ich.
CHINA 5David Foldvari, 2006 Freie Arbeit
CLUESDavid Foldvari, 2007 Telegraph
Du arbeitest viel im Editorialbereich, könntest du mir den Arbeitsablauf dort beschreiben?
Ja, Editorial ist im Moment wirklich der Bereich, in dem ich am liebsten arbeite. Dazu zähle ich Magazine, Tageszeitungen und Buchcover. Jeden Freitag mache ich für die Montagsausgabe von The Guardian eine Illustration für Charlie Brookers Kolumne. Die Artdirectors dachten, Brooker ist so negativ und deprimierend, aber gleichzeitig lustig und meine Zeichnungen sind ebenfalls so deprimierend, dass man uns zusammenbringen sollte. Brooker ruft mich immer freitags zum Lunch an. Meistens ist der Text noch nicht fertig, er sagt mir nur, er mache etwas über – zum Beispiel Kühe. Wir reden kurz darüber, dann lege ich los. Die Uhr läuft, denn ich habe nur sechs Stunden Zeit, bis ich die Zeichnung abgeben muss. Es ist so schnell und man muss sich so sehr konzentrieren. Aber ich mag das. It is pushing my brain.
Ansonsten läuft es allgemein gesagt so ab: Ich mache am Montag sehr grobe Skizzen, das genügt für den ersten Schritt und am Mittwoch dann die Korrekturen und die finale Version. Das ist der Standard. Für Magazine, die meistens nur einmal im Monat erscheinen, hat man ein bisschen mehr Zeit, im Durchschnitt zwei oder drei Tage für die Ausarbeitung der ersten Idee.
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