Wenn man nur Kätzchen malt, braucht man es nicht bei einem Hündchen-Verlag zu probieren .
Dein Stil – und damit verbunden auch dein Portfolio – ergibt sich anfangs aus deinem Studium. Ich hätte auch gerne mal andere Sachen gemacht … Aber Kinderbücher, Drachen, Häschen, das ist das, was mir gefällt. Das muss man selber an sich feststellen. Die Kunst besteht darin, sich zu positionieren: Wenn man nur Kätzchen malt, braucht man es nicht bei einem Hündchen-Verlag zu probieren. Um den passenden zu finden, muss man sich genau fragen: Wo passe ich hin? Was mache ich gerne? Und dafür muss man den Markt genau beobachten und sich überlegen, wo man sich gerne sehen würde.
Und das ist besser, als bei allen Verlagen sein Glück zu versuchen?
Als ich das erste Mal auf der Frankfurter Buchmesse war, hatte ich meine Mappe prallvoll gefüllt mit allem was ich gezeichnet hatte und habe damit alle Verlage abgeklappert. Ich habe brutale Abfuhren erhalten. Und das ist etwas, was man bei der Sache nicht unterschätzen darf: Abfuhren beinhalten ein wahnsinniges Frustpotential. Damit muss man sehr vorsichtig umgehen.
Beim nächsten Mal habe ich es genau andersherum gemacht, die Verlage genau ausgesucht und die Mappe für jeden Verlag individuell zusammengestellt. Das kam viel besser an.
Das Zusammenstellen einer Mappe ist alles andere als leicht .
Es ist gut, seine Mappe mal Leuten zu zeigen, deren Meinung man schätzt. Der Blick von außen kann viel helfen. Und es interessiert tatsächlich niemanden, ob du Aktzeichnungen in deiner Mappe hast. Man sollte auch kein komplettes Buch in seiner Mappe haben. Vielleicht so fünf Seiten davon. Ich hatte mein Diplombuch dabei, das schied sofort aus, da es 35 Seiten hatte und deswegen nicht verlegt werden könne. Das sind so ganz komische Kriterien. Denn darum ging es mir ja gar nicht, es sollte eine Arbeitsprobe sein. Aber als das wird es gar nicht wahrgenommen, sondern es wurde nur auf seine Verlegbarkeit hin abgeklopft. Da passt dann das Cover nicht ins Programm und der Text gefällt ihnen nicht. Obwohl das alles ja nie für diesen Verlag gedacht war. Verleger sind – wie Illustratoren – ein schwieriges Völkchen. Aber man kann Schwierigkeiten umgehen, indem man eben nur auszugsweise Bilder zeigt, den Text dazu weglässt und das ganze als ein nicht fertiges Projekt deklariert. Dann sehen sie es wieder als Arbeitsprobe. Man merkt daran schon, dass man sich den Verlag genau aussuchen muss. Die können oft nicht von einem Inhalt abstrahieren, der nicht ihrer ist. Das stellt für sie gleich ein Risiko dar.

SEE INSIDE: PIRATE SHIPSJörg Mühle, 2007 Usborne
Wie sieht deine Mappe aus?
Ich benutze einen Hefter mit Klarsichthüllen. Da passen vierzig Seiten rein, von denen ich aber nur die Hälfte zeige. Daher ist der Hefter gut, ich kann auf der Messe ständig umordnen. Meine Bilder bringe ich ins Format und drucke sie alle in DIN-A4 aus.
Eine Mappe in DIN-A4 ist recht klein?
Ja, aber auf Messen ist sie mein Favorit. Dort sieht man andere mit riesengroßen Mappen herum laufen, aber ich erlebe die Messesituation als stressig und daher ist so eine kleine Mappe sexy und cooler. Das hat so etwas Beiläufiges und man kann mit ihr besser um einen Stand herumschleichen und die richtige Situation abpassen. Das hängt eng mit dem Auftreten auf Messen zusammen. Man sieht da so viele verzweifelte Gestalten, mit viel zu viel Material, die nicht aufhören können ihre Sachen zu zeigen – ich glaube, es ist besser, eher cool, erfolgreich und ein wenig desinteressiert zu wirken. Es hilft doch auch dem Selbstwertgefühl, wie ein Profi zu wirken und sich nicht zu prostituieren.
Man sollte am Anfang einer Messe den Verleger aufsuchen, dem man seine Mappe zeigen will. Am besten ist es, einen Termin zu vereinbaren. Für Verleger ist das ja auch schwierig, die sehen den ganzen Tag lang sehr viel Mist und müssen die ganze Zeit über höflich bleiben. Moni Port und Philip Wächter, zwei meiner Kollegen hier im Labor, haben mir in meinem ersten Jahr sehr damit geholfen, dass sie den Gelberg-Verlag auf mich vorbereitet hatten. Da waren sicher fünfzig Mappen so gut wie meine, aber von mir wusste Barbara Gelberg, dass ich komme, dass ich Moni und Philip kenne und hat vielleicht dadurch meine Mappe eine Minute länger angeschaut als die anderen. So habe ich einen meiner ersten Jobs bekommen.
Der Markt funktioniert nicht rational, sondern persönlich. Daher muss man immer rührig sein und ständig Präsenz zeigen: auf Messen, bei Illustratorentreffen und so weiter.
Die KINDERBUCHMESSE IN BOLOGNAist zum Beispiel auch sehr wichtig. Dort hast du Verlage aus allen Ländern und so konnte ich, als es dort mit den deutschen Verlagen nicht geklappt hat, den Franzosen meine Mappe zeigen. Dort stach ich plötzlich heraus, als Deutscher, der französisch spricht. Stilistisch bin ich Frankreich auch sehr nahe und so wurde ich für die interessant. Die deutschen Verlage wollen oft nicht die ersten sein, die etwas von einem Unbekannten veröffentlichen – in Frankreich ist es genau umgekehrt. Seitdem arbeite ich sehr viel mit französischen Verlagen zusammen.
DIE INTERNATIONALE KINDERBUCHMESSE BOLOGNA, die weltweit einzige internationale Kinder- und Jugendbuchmesse findet alljährlich im April in Bologna (Italien) statt. Dort treffen sich Autoren, Illustratoren, Literaturagenten, Film- und Fernsehproduzenten, Verleger und Buchhändler, um Übersetzungsrechte zu kaufen, Lizenzverträge abzuschließen und neue Talente zu entdecken. 1.300 Aussteller aus 66 Ländern treffen dort auf fast 5.000 Fachbesucher.
Illustratoren haben die Möglichkeit kostenlos auf die Messe zu kommen, wenn sie bis Ende Oktober fünf Illustrationen aus den letzten zwei Jahren einreichen. Diese müssen nicht veröffentlicht worden sein. Wenn man Glück hat, wird man von der Jury für die Illustratoren Ausstellung auf der Messe ausgesucht.
Ein zentraler Punkt auf der Messe ist das „Literary Café“, in dem Vorträge gehalten werden, man Künstler treffen kann und auf Talentsucher stößt.
Was hast du in der Anfangsphase neben Messen zu besuchen noch gemacht?
Ich hatte gehört, dass es ganz interessant sein könnte, für Schulbuchverlage zu arbeiten. Ich konnte mir das gut vorstellen und wollte das gerne machen. In meiner Mappe hatte ich aber nichts, was in Schulbüchern so auftauchen könnte.
Also habe ich spezielle Arbeitsproben gezeichnet, die sich mit dem Umfeld Schule beschäftigt haben, wie zum Beispiel Klassenräume, Kinder an der Tafel, A wie Ameise, B wie Ball, und so weiter. Die Bilder schickte ich an einige Schulbuchverlage und die Resonanz war sehr positiv.
UN FANTOME DANS DE BEAUX DRAPSJörg Mühle, 2004 Auzug aus dem Magazin „Moi je lis“ Milan presse
Wenn du heute mit einem Verlag zusammenarbeitest, hat sich in deinem Arbeitsablauf zu früher etwas geändert?
Nein, der Ablauf bleibt immer der gleiche, aber der Stress lässt nach. Ich war am Anfang von der ganzen Grundstimmung her ungeheuer gestresst. Das BRIEFINGist meistens sehr zurückhaltend. Man hat nur den zu illustrierenden Text und viel Freiheit. Wobei das mit der Freiheit nicht ganz stimmt. Ich weiß ja meistens, was die von mir erwarten. Manchmal ist es aber wiederum übergenau: auf einem Buchcover für zwölfjährige Mädchen muss die Titelheldin unbedingt wie vierzehn aussehen, damit sie das cool finden. Nach dem Briefing kommen die Skizzen und eine Präsentation in schwarz-weiß, danach die Absegnung und daraufhin die Reinzeichnung. Grobe Skizzen werden aber leider oft missverstanden. Wenn zum Beispiel manchmal ein paar Striche mehr als nötig zu sehen sind, heißt es schnell: „Die guckt ja so grimmig!“ Dabei ist das ja eigentlich völlig irrelevant; die können nicht unterscheiden, was wichtig ist und was nicht. Deswegen fertige ich inzwischen sehr konkrete Skizzen an. Das sind fast schon Reinzeichnungen.
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