Arbeitsprodukte werden jedoch für alle Seiten zufriedenstellender – das zeigt sich auch immer wieder bei Storyline -Projekten – wenn nicht nur die Lehrkraft als Adressatin und Anlass für die Erfindung einer Geschichte betrachtet wird, sondern wenn diese aus dem Wunsch heraus entsteht, sie einem größeren Publikum zu präsentieren. Außerdem fördert „das Erlebnis des gemeinschaftlichen Zuhörens“ das Sozialklima der Klasse (Hesse 2015, 6). Auch Wright (1997) hebt die Bedeutung der Veröffentlichung von Geschichten hervor, sei es über Plakate, selbst gemachte Bücher oder szenische Darstellungen. Weitere Verbreitungsformen bieten heute auch das Internet oder schuleigene Radiosender (auch als Webradio).
Während im regulären Unterricht Schülerinnen und Schüler bei Schreibaufträgen meist sofort nach dem geforderten Umfang fragen, wird bei Storyline -Projekten häufig die Beobachtung gemacht, dass die Lernenden mit großer Begeisterung und Konzentration schreiben, weil sie interessengeleitet ihrer Phantasie freien Lauf lassen können. Eiriksdóttir stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Produkte auch sprachlich zufriedenstellender seien:
We all know that it can be difficult when e.g. the textbook says that you should write about an interesting event in your summer holiday, and now it is the middle of winter! (...) When we are working on Storyline topics the pupils are involved in the Storyline and the writing within the topic has a purpose and everyone knows what to write about (...) It is not only that they write longer pieces they also use richer and more complicated vocabulary. A research was done in Iceland in 1985 on the vocabulary of children’s writing connected with Storyline work and the results were that they used more complicated vocabulary than usually (Eiriksdóttir 2001, 150).
Abschließend sei darauf verwiesen, dass jeder Mensch, der etwas entdeckt, erfindet oder erstellt, erfahrungsgemäß ein natürliches Mitteilungsbedürfnis verspürt. Dies sollte im Unterricht stärker genutzt und gefördert werden: Durch eine geeignete story kann spielerisch leicht eine authentische und zweckorientierte Kommunikation im Klassenzimmer entstehen, und zwar häufig fast ohne Mittun und Eingriff der Lehrkraft, denn auf Grund der Tatsache, dass Schülerinnen und Schüler im Rahmen von Storyline -Projekten immer wieder eigene Aufgabenbereiche, Darstellungsformen und Materialien auswählen können ( choice ) und somit zu unterschiedlichen Ergebnissen und Lösungen kommen ( information gap/opinion gap ), entsteht ein ganz natürliches Interesse und Bedürfnis, sich regelmäßig und intensiv auszutauschen. “The magic of stories“ (Hesse 2015) kann sich also in vielerlei Hinsicht positiv auf das (fremdsprachliche) Lernen auswirken. Ob diese These tatsächlich für alle Altersgruppen gilt, ist zu klären und (auch) Ziel meiner Untersuchungen (vgl. Teil B).
2.3.2.1.1 Zur Typologie: Konkrete Beispiele für den Fremdsprachenunterricht
Eine narrative Rahmenhandlung für ein Storyline -Projekt kann – je nach Lernbereich, Zielsetzung, Interesse, Alter und Sprachkompetenz der Lernenden – auf unterschiedlichste Art und Weise geschaffen werden. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf dem Fremdsprachenunterricht liegt, werden nachfolgend vorrangig diesbezügliche Beispiele genannt, wobei es selbstverständlich auch möglich ist, einen Teil des Projekts im fremdsprachlichen und andere Phasen im muttersprachlichen Unterricht zu realisieren.
Generell kann jedes beliebige Thema als Aufhänger für ein Storyline -Projekt gewählt werden. Dabei kann es sich um ein Kapitel aus dem Schulbuch ( Robin Hood ; Space camp Florida ; Life on a farm ), eine Phantasiegeschichte ( Aliens ; Dragon Island ; The enchanted forest ), ein fächerübergreifendes und/oder bilinguales Thema ( Life in a medieval castle ; A trip across the Australian outback ; Californian gold rush ), die Lektüre eines Märchens ( Cinderella ; Snow White ; Little Red Riding Hood ), eines klassischen Werkes ( Macbeth ; Romeo and Juliet ; The Great Gatsby ) oder eines Jugendromans ( Robinson Crusoe ; Uncle Tom’s cabin ; Harry Potter ) handeln. Darüber hinaus kann auch ein musikalischer Beitrag1 ( Phantom of the Opera von A.L. Webber; Loch Lomond von Runrig; Zombie von The Cranberries) oder ein aktuelles Thema aus der Lebenswelt der Jugendlichen ( Song contest ; Work and travel ; Our new youth club ) als Basis für eine Storyline dienen. In den meisten Fällen wird es so sein, dass sich realitätsnahe und fiktive Elemente in einem Storyline -Projekt vermischen und lediglich ein Schwerpunkt bezüglich der gewählten Unterrichtsthematik festgelegt werden kann.
Landeskundliche Themen
Landeskundliche Themen2 eignen sich besonders auch für bilinguale Storyline -Projekte. Ob es sich hierbei um den amerikanischen Bürgerkrieg, ein umstrittenes Staudammprojekt in Indien, das Leben einer Familie in einer australischen Wüstenlandschaft oder in einer englischen Stadt im Mittelalter handelt, ist relativ unerheblich. Entscheidend ist, dass das Interesse der Lernenden durch einen geeigneten Einstieg in die Thematik geweckt wird, so dass sich eine inspirierende Geschichte entwickeln kann.
Impulse für einen Einstieg können auf unterschiedliche Weise erfolgen: Historische Dokumente wie Geburtsurkunden, Fotografien oder ein Tagebuchauszug eines US-Einwanderers, eine Wegbeschreibung oder eine historische Landkarte, ein altes Werbeplakat oder ein Gemälde, ein Bittbrief oder Hilfeappell einer indischen Familie usw. regen zu einem Brainstorming an und aktivieren somit die eigene Vorstellungskraft. Auch aktuelle Zeitungs- und Zeitschriftenartikel bieten sich für eine Vielzahl von Kontexten an. Sie lösen einerseits persönliche Betroffenheit aus und dienen andererseits als Beweismittel für die Authentizität und Aktualität des Vorfalls. Eine starke emotionale Betroffenheit kann oft über audiovisuelle Medien, also authentische Nachrichtensendungen oder Sequenzen aus Spiel- und Dokumentarfilmen, erreicht werden. Gerade das Internet bietet mittlerweile unzählige Quellen und Möglichkeiten, die selbstverständlich stets auf ihre Glaubwürdigkeit und Authentizität hin überprüft werden sollten, bevor sie im Unterricht genutzt werden. Authentische oder fingierte Reise- und Stellenanzeigen, Werbeplakate bzw. -prospekte für Produkte, Dienste und Veranstaltungen oder auch ein simples Statement der Lehrkraft (“Imagine you are engineers from L.A. who are asked to design a dam in the Colorado River area ...“) können ebenfalls als motivierende Aufhänger für eine zu entwickelnde Geschichte dienen.
Real-life -Geschichten
Geschichten, die sich auf den eigenen Erfahrungsbereich und konkreten Lebensalltag der Schülerinnen und Schüler beziehen, wirken besonders motivierend.3 Je nach Lernalter, Interesse oder örtlicher Gegebenheit bieten sich folgende Themenbereiche für Storyline -Projekte an: eine Urlaubs- oder Studienreise, ein Besuch im Zoo oder Zirkus, die Gestaltung eines Schulhofs oder eines örtlichen Parks, die Eröffnung/Verwaltung eines Jugendzentrums oder einer Disko, der Bau eines Wohnblocks oder einer neuen Autobahnstrecke usw.4 Der Einstieg in die gewählte Thematik kann über ein real existierendes oder ein fingiertes Werbeplakat, eine Annonce, einen Direkteinstieg (“We are asked to design a new youth club ...“), eine persönliche Mitteilung (“I heard that ...“), eine persönliche Erzählung (“Some years ago I joined a photo competition. I won a trip to New Zealand ...“) oder über eine bloße Frage (“Do you think our village is attractive for tourists?“) erfolgen.
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