3 Eine Sprechübung aus einem Lehrwerk und wie sie aufgemotzt werden kann
3.1 „At the doctor’s“ (Green Line New, Bayern, 10. Klasse)
Im aktuellen Green Line-Band des Klett-Verlags für die 10. Klasse Englisch in Bayern finden sich fünf Everyday English -Seiten „zur Bewältigung wichtiger Alltagssituationen“ (Ashford et al. 2008b: 234). Hauptziel dieser Seiten ist laut Lehrerbegleitbuch „der weitere Ausbau der Sprechfertigkeit mit Blick auf die Vorbereitung auf mündliche Prüfungen“ (234). Jeweils in Verbindung mit einer Hörverstehensaufgabe sollen Wortschatz und Redemittel „vertiefend geübt“ werden. Konkret werden die SuS auf den Besuch beim Arzt, die Benutzung öffentlicher Transportmittel und englischsprachige Telefonate vorbereitet, und sie üben, über Freizeitaktivitäten zu sprechen und ihren Urlaub im englischsprachigen Ausland vorzubereiten.
Im Folgenden soll nun beschrieben werden, wie die Bearbeitung des Themas „At the doctor’s“ vom Lehrwerk vorgeschlagen wird, um dann exemplarisch aufzuzeigen, wie ausgehend von der Seite im Lehrwerk das gleiche Thema mit Impro-Techniken womöglich motivierender und erfolgreicher bearbeitet werden kann.
Lehrwerk und Lehrerbegleitbuch sehen einen vierschrittigen Ablauf vor. Zunächst sollen die SuS sich in die Situation „beim Arzt“ einfinden und sich „Rahmenbedingungen überlegen“ (Ashford et al. 2008b: 234). Vorgeschlagen wird, dass die SuS Anlässe aufzählen, warum ein Besuch beim Arzt nötig sein könnte. Ziel ist es, den SuS auf ihrem jeweiligen Sprachniveau mit „vertrauter werdenden sprachlichen Mitteln“ Sicherheit zu geben, „damit im Ernstfall nicht auch noch die Sprache zum Problem wird“. Hier wird ein kleines Rollenspiel vorgeschlagen, bei dem die SuS dem Arzt bzw. der Ärztin über ihre Symptome berichten und auch gleich über mögliche Ursachen sprechen, eventuell auch als one-minute-speech .
Anschließend ist vorgesehen, dass die SuS sich alleine oder zu zweit themenbezogene Redemittel erarbeiten. Grundlage sind die zwei blauen Kästen im Schülerbuch. Der erste listet 16 idiomatische Phrasen auf, die ein patient in der Arztpraxis typischerweise benutzen könnte. Der andere Kasten enthält zehn Phrasen für den Arzt/die Ärztin. Dabei werden auch viele unbekannte Vokabeln präsentiert und in 26 Fußnoten übersetzt, von appointment bis homeopathic .
Als dritter methodischer Schritt folgt eine Hörverstehensaufgabe, nach deren Erledigung nun die Schülerinnen und Schüler dran sind („It’s your turn“): Sie sollen einen „Dialog schriftlich ausarbeiten, ihn einüben und der Klasse vorspielen“ (Ashford et al. 2008b: 236). Dafür stellt der Verlag eine Kopiervorlage mit dem Skript des zuvor bearbeiteten Hörtextes zur Verfügung. Die SuS sollen erst einmal in Partnerarbeit oder kleinen Gruppen nur „kleinere Veränderungen“ (Ashford et al. 2008b: 236) am Text vornehmen, mit dem Ziel, „sich immer mehr vom Vorbild zu entfernen“ (Ashford et al. 2008b: 236).
Das Lehrerbegleitbuch weist darauf hin, dass eine „gründliche sprachliche Vorbereitung“ (Ashford et al. 2008b: 236) wichtig für den Erfolg des Rollenspiels ist. Außerdem solle die Lehrkraft eine „passende Umgebung“ schaffen, um das „ make-believe “ zu fördern, dass die SuS sich tatsächlich beim Arzt befinden („Bilder, Mobiliar usw. […] z.B. Klopfen an der Tür“).
Deutlich wird also: Hier handelt es sich um eine traditionelle Rollenspielübung, bei der die SuS, auch als es schließlich „It’s your turn“ heißt, immer noch eng geführt werden – und das im 6. Lernjahr.
Welcher Lernerfolg ist hier zu erwarten? Das im Lehrerbegleitbuch formulierte Lernziel, den thematischen Wortschatz zu festigen, mag erreicht werden. Was ist aber, wenn die SuS im nächsten Sommer tatsächlich im Ausland zum Arzt müssen? Im besten Fall werden sie einige idiomatische Wendungen und Vokabeln abrufen können. Wahrscheinlicher erscheint es jedoch, dass sie sich dann zwar vielleicht daran erinnern, in der Schule schon einmal ein Rollenspiel „At the doctor’s“ gemacht zu haben, aber die damals eingeübten Phrasen und Vokabeln doch größtenteils wieder im Lernspeicher verschüttet worden sind. Vielleicht können sie sich ja noch an die Vokabel sinusitis erinnern und diese sogar richtig aussprechen, was bringt dies aber, wenn sie von diarrhoea geplagt werden?
Was die Schülerinnen und Schüler in dieser Situation am dringendsten brauchen, ist also die Fähigkeit zu improvisieren! Mit dem Einsatz von Impro-Techniken verschieben sich demnach die Lernziele hin zur Förderung einer spontansprachlichen Handlungskompetenz (Kurtz 2001).
3.2 Pimp your lesson „At the doctor’s“ mit Impro-Technik 1
Wie kann nun ausgehend von dem Rollenspiel im Englischlehrwerk eine Stunde geschaffen werden, in der die SuS das freie Sprechhandeln üben (und vermutlich auch mehr Spaß haben)?
Als Einstieg könnte unmittelbar der Hörverstehenstext vorgespielt werden. Die SuS machen sich unter der Überschrift „What seems to be the trouble?“ Notizen ins Heft und stellen fest, was das Thema der Stunde ist: Der Besuch bei einem Arzt oder einer Ärztin im Ausland. Die Lehrkraft (L) bespricht mit der Klasse das auf S. 131 des Schulbuchs in einer word bank mit Hilfe eines beschrifteten Skeletts veranschaulichte Vokabelfeld Körperteile.
Festigung des Vokabelfelds Körperteile mit dramapädagogischen MittelnWechseldialog-Spiel Being mute and ill (Partnerarbeit): S1 fragt „What seems to be the trouble?“. S2 zeigt auf ein Körperteil. S1 versprachlicht das, z.B. „Oh, your elbow is hurting!“ Dann ist S2 der Arzt/die Ärztin.
Besprechung der beiden oben beschriebenen Kästen mit Phrasen für patient und doctor Being mute and ill (part 2) mit neuen Partnern: S1 („Arzt“) fragt „What seems to be the trouble?“ S3 spielt die Beschwerden pantomimisch (verzieht z.B. beim Schlucken schmerzverzerrt das Gesicht). S1 verbalisiert die Beschwerde: „Oh, have you got a sore throat?“
Improvisation „At the doctor’s“L verteilt an jede(n) SuS drei kleine leere Zettel.SuS schreiben auf Zettel 1 eine Krankheit oder Verletzung, basierend auf dem im Buch präsentierten Sprachmaterial.SuS schreiben auf Zettel 2 und 3 jeweils eine Speise, ein Getränk oder eine activity (z.B. Hobby, Sport, Haushaltstätigkeit).L sammelt Zettel 1 auf einem Haufen, Zettel 2 und 3 gemischt auf einem zweiten Haufen.L präsentiert auf Folie / über die Dokumentenkamera typische Phrasen als Gerüst für ein Behandlungsgespräch (siehe Tabelle 1).Ein Pult wird als Arzttisch hingestellt. Ein(e) S setzt sich als Arzt/Ärztin an den Tisch.Ein(e) S verlässt als Patient(in) den Raum. S klopft, tritt ein und es entfaltet sich ein Gespräch entlang der Phrasen.Wenn der Arzt/die Ärztin nach den Beschwerden fragt, zieht der Patient/die Patientin einen Zettel aus Haufen 1 (z.B. könnte darauf stehen: „broken leg“).Wenn das Gespräch an den Punkt kommt, wo der Arzt/die Ärztin eine Behandlung vorschlagen möchte, zieht er/sie einen Zettel aus Haufen 2. Auf diesem Zettel könnte z.B. stehen: „football“ oder „spaghetti“.Der/die S, der/die den Arzt/die Ärztin spielt, hat nun die Aufgabe, zu erklären, weshalb selbstverständlich z.B. Spaghetti genau das richtige sind, um dieses gebrochene Bein zu behandeln.Dies ist die ‚unsinnige‘ Vorgabe, die für viele SuS aber größeren Aufforderungs-Charakter haben wird als ein Gespräch über ‚echte‘ Behandlungsmöglichkeiten.Das Gespräch endet mit einer der in Tabelle 1 präsentierten exit lines .Damit alle SuS zum Spielen und Üben kommen, kann das Spiel dann in Partnerarbeit noch einige Male wiederholt werden. L legt dazu jeweils neue Zettel von Haufen 1 und 2 unter die Kamera.
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