1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 Zum anderen gibt es das Blended Intercultural Telecollaboration Modell , bei welchem ganze Klassen oder Kurse aus verschiedenen Institutionen in einen Austausch treten und gemeinsam an Aufgaben arbeiten, die von den kollaborierenden Lehrkräften entwickelt werden. Diese Form integriert Inhalte vom virtuellen Austausch in die reguläre Unterrichtsstruktur. Auch bei diesem Modell werden häufig NS mit NNS verbunden. Der Fokus dieser Art von Online-Austauschprojekten ist die Förderung sowohl interkultureller kommunikativer Kompetenz als auch linguistischer Kompetenz. Aus diesem Grund beinhalten Aufgabenformate oftmals kollaborative Forschungsaufgaben, die Vergleiche zwischen den unterschiedlichen Kulturen sowie die Analyse von Parallelen enthalten. Innerhalb dieses Modells lassen sich Aufgabenformate grundsätzlich in drei Kategorien einteilen, welche O’Dowd (2011, S. 370-371) wie folgt zusammenfasst: (a) Aufgabenformate zum Informationsaustausch, die Lernende dazu anhalten, biografische Information oder Information über ihre Heimatkultur auszutauschen und (b) Vergleichs- und Analyseaufgaben, in denen Lernende nicht nur Information austauschen, sondern diese auch kritisch hinterfragen oder analysieren müssen (beispielsweise kulturelle Produkte der jeweils anderen Kultur, wie Filme oder Bücher). Dieses Format ist daher anspruchsvoller als der reine Informationsaustausch. Als letztes werden (c) kollaborative Aufgaben genannt, für die Lernende sowohl Informationen austauschen, vergleichen und analysieren als auch gemeinsam an einer Schlussfolgerung oder einem Produkt arbeiten müssen. Dies kann verschiedene Formen annehmen, z.B. die eines Aufsatzes oder einer Übersetzung oder Adaption eines Kulturproduktes oder die Erstellung eines Medienproduktes.
Zusätzlich zu den ursprünglichen Modellen haben sich über die letzten Jahrzehnte weitere Formate entwickelt, beispielsweise eine Verbindung von Non-native-speakers mit Non-native speakers (NNS-NNS). Dies ist in telekollaborativen Projekten gut möglich und wurde in unterschiedlichen Studien untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass modifizierter Input, Output und Feedback auch durch die nicht-muttersprachlichen Kommunikationsteilnehmenden zur Verfügung gestellt wurden (Pica, Lincoln-Porter, Paninos & Linnell, 1996) und dass Bedeutungsaushandlungen zwischen den Gesprächsteilnehmenden stattfanden (Cheon, 2003). Dabei wurde gezeigt, dass Formate, die NNS mit unterschiedlicher L1 verbanden, die größte Anzahl an interaktionellem Feedback produzierten (Bueno-Alastuey, 2013) und NNS-Tandems mit gleicher L1 weniger Bedeutungsaushandlungen aufwiesen (Peterson, 2008).
Es gibt jedoch auch einige Argumente, die gegen einen Austausch zwischen NNS sprechen: Wenn beide Gruppen die gleiche Ausgangssprache beherrschen, kann es vorkommen, dass sie öfters auf diese zurückgreifen (Milton, 2005) als im persönlichen Unterrichtsdiskurs. Zudem wird häufig befürchtet, dass Lernende die Fehler der anderen übernehmen könnten. Dieser Annahme haben Gass und Varonis (1989) jedoch bereits sehr früh widersprochen, indem sie konstatierten, dass Lernende, die bereits eine Form verinnerlicht hatten, diese nicht aufgrund der Fehler ihrer Kommunikationspartner_innen änderten, sondern die Fehler der Partner_innen zu berichtigen halfen. Die Ergebnisse von Long und Porter (1985) bekräftigen diese Aussage: Sie konnten keinen Unterschied in der Fehlerquote bei der Kommunikation zwischen den Lernenden mit dem gleichen Level feststellen.1
O’Dowd (2011) beschreibt noch ein drittes Modell innerhalb telekollaborativer Austauschprojekte. Dieses lässt sich nicht mehr so einfach wie die anderen Modelle definieren und ist dem Aufkommen des Web 2.0, beziehungsweise der Social Web Anwendungen geschuldet und wird daher als Telekollaboration 2.0 (Guth & Helm, 2010) bezeichnet. Besagtes Modell ist durch die neuen Kommunikationsformen komplexer und kann eine Kombination der anderen beiden Modelle beinhalten. Im Vordergrund steht neben der Förderung von interkultureller kommunikativer Kompetenz und linguistischen Aspekten auch die der digitalen Medienkompetenz (O'Dowd, 2013). Digitale Medienkompetenz wird dabei definiert als individuelle und soziale Fähigkeit, Bedeutungsinhalte innerhalb einer ständig wachsenden Anzahl kommunikativer Möglichkeiten effektiv interpretieren, bewältigen, teilen und erstellen zu können (Dudeney, Hockly & Pegrum, 2013). Um digital medienkompetent zu sein, müssen Lernende Bedeutung in der Fremdsprache auch in den vielen neuen Kommunikationsformen verstehen und kommunizieren können (Dudeney et al., 2013). Unter Berücksichtigung neuer kommunikativer Kanäle fordern Shetzer und Warschauer (2000, S. 176 ff.) im Rahmen digitaler Medienkompetenz im Fremdsprachenunterricht, dass Lernende:
1 Individuen kontaktieren können, um eine Frage zu stellen, eine Meinung zu äußern, Ratschläge zu geben oder Wissen weiterzugeben und auch in der Lage sind, auf Fragen, Erwiderungen, Feedback, Ratschläge und andere Äußerungen reagieren zu können.
2 Personengruppen durch verschiedene Online-Technologien kontaktieren können, um die Antworten verstehen, eine Frage stellen, eine Meinung äußern, Ratschläge geben, Wissen teilen, Umfragen durchführen und Zusammenfassungen sowie eigene Forschungsarbeiten posten zu können.
3 An kollaborativen Projektarbeiten mit Personen an unterschiedlichen Orten mitarbeiten, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen.
4 Selbstständig aus verfügbaren asynchronen Technologien wie E-Mail, E-Mail-Verteiler, webbasierte Bulletinboards und Newsgruppen die geeigneten auswählen können.
5 Selbstständig aus verfügbaren synchronen Technologien, wie MOOs, Chaträumen, Videokonferenzen und anderen Tools, die geeigneten selektieren können.
6 Implikationen der neuen Kommunikationsformen sowie Netz-Etiquette ( Netiquette ), Privatsphäreangelegenheiten, Sicherheitsfragen, Firmenwerbung und andere verstehen und darüber reflektieren können.
Das Internet hat durch die neuen Kommunikationsformen des Web 2.0 eigene stilistische und soziolinguistische Kommunikationseigenschaften. Ein wichtiger Aspekt der digitalen Medienkompetenz besteht darin, diese von den traditionellen schriftlichen und mündlichen Kommunikationsformen unterscheiden und dem Kontext angemessen richtig anwenden zu können. Die Fähigkeit, Sprache in den entsprechenden Sprachregistern angemessen anzuwenden und auch zu fördern, wird im Zusammenhang der neuen kommunikativen Möglichkeiten durch das Social Web oftmals als pragmatische Kompetenz (Cunningham, 2016) oder soziopragmatische Kompetenz (Blattner & Fiori, 2011) bezeichnet und häufig in Zusammenhang mit digitaler Medienkompetenz gebracht (Blattner & Fiori, 2011), wie in der vorliegenden Arbeit bei 2.6 Soziopragmatische Kompetenz gezeigt wird.
Das Telekollaboration 2.0 Modell basiert auf dem Social Web, welches durch Tools wie Blogs, Wikis und Soziale Netzwerke entstand, und sich durch multimodalere Formen von Kommunikation auszeichnet, die weniger textbasiert sind (Guth & Helm, 2010). Eine ausführliche Definition des Begriffes Social Web erfolgt im dritten Kapitel dieser Arbeit.
Einige Variationen des Modells werden in telekollaborativen Projekten demonstriert, die unabhängig von Unterrichtssettings oder Institutionen sind und daher auf die Kritik von Hanna und de Nooy (2009) eingehen. Die Beiden betrachten einen organisierten Austausch zwischen Fremdsprachenlernenden nicht als „authentisch“und schlagen daher die Involvierung von Lernenden in „echte“ Kommunikationsformen beispielsweise auf den Foren internationaler Zeitungen wie The Guardian vor. Thorne (2010) hat diese Form der Telekollaboration, die nicht an Unterricht oder organisierte Austauschprojekte gebunden und daher schwieriger zu leiten und zu kontrollieren ist, als „ intercultural communication in the wild “ (S. 144) bezeichnet und argumentiert, dass dies neue Chancen für interkulturelle und bedeutungsgebende Lernszenarien bieten könnte. Obwohl O'Dowd (2013) die Ansicht von Hanna und de Nooy (2009) teilt, ist er dennoch der Meinung, dass die organisierten virtuellen Austauschprojekte mit verlässlichen Teilnehmenden auf deren Kommunikationsformen auch weniger technisch versierte Lehrkräfte zugreifen können, nicht an Wichtigkeit verlieren. Eine große Herausforderung sieht er jedoch in der Kombination von organisierten Austauschprojekten mit telekollaborativen 2.0-Aktivitäten: „Finding models to accommodate both these trends is undoubtedly a challenge for future research in the area“ (O’Dowd, 2013, S. 134). Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass sich die beschriebenen Forschungsergebnisse zu telekollaborativen Projekten vor allem auf häufig gelehrte Sprachen wie Englisch, Deutsch und Spanisch beziehen, jedoch besteht ein großer Forschungsbedarf in der Untersuchung telekollaborativer Projekte, die Fremdsprachenlernende der weniger verbreiteten und gelehrten Sprachen oder die Verbindung dieser untersuchen (Akiyama & Cunningham, 2018).
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