Welche betriebsethische Entscheidung ist Ihnen besonders schwer gefallen?
Schwere betriebsethische Entscheidungen waren jeweils Trennungsgespräche mit Führungskräften sowie Loyalitätskonflikte innerhalb des Vorstandes bei Meinungsverschiedenheiten.
Was zeichnet aus Ihrer Sicht eine „anständige“ Führungskraft aus?
Die anständige Führungskraft kommuniziert Entscheidungen klar und liefert Begründungen. Das erfordert Mut und erzeugt beim Mitarbeiter u.a. Wut. Das muss man aushalten können. Wichtig ist, Mitarbeitern Chancen für Verbesserungen einzuräumen.
Wie werden in Ihrem Unternehmen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Thema Ethik sensibilisiert?
Sensibilisierung von Mitarbeitern zum Thema Ethik erreicht man am besten durch Vorleben anstatt Vorgeben.
Ist Unternehmensethik heute nur ein Modebegriff zur Imagepflege oder mehr?
Unternehmensleitung sollte schriftlich Stellung beziehen im Leitbild, in Erklärungen zu Corporate Governance und Compliance. Mitarbeitern die Möglichkeit geben, ethische Grundsätze des Unternehmens zu erfahren.
(Hans-Joachim Selzer
„Ehrlich währt am längsten.“
Hans-Joachim Selzer, Dipl.-Wirtschaftsingenieur
Geschäftsführender Gesellschafter
Selzer Fertigungstechnik
(bis 2007)
gegenwärtige Position: Rentner im Unruhestand
Jahrgang 1943
verheiratet, zwei Kinder
Ausbildung/Studium: 1961: Abitur Johanneum Gymnasium Herborn; 1961–1964: Studium der Theologie (ohne Abschluss) in Tübingen; 1964–1969: Studium zum Diplom-Wirtschaftsingenieur an der TU Berlin
Berufliche Laufbahn
1969–1973: Assistent der Geschäftsleitung der Dräger-Werke Lübeck
1974–2007: Geschäftsführender Gesellschafter der Selzer Fertigungstechnik
Mitgliedschaften/Ehrenämter
Aufsichtsrat der Indus AG
Stellvertretender Vorsitzender des Trägervereins der Freien Theologischen Hochschule (FTH), Gießen
Vorsitzender der Hans-Joachim-Selzer-Stiftung
14 Jahre Vizepräsident der Industrie und Handelskammer Dillenburg; heute Ehrenmitglied
Elf Jahre Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Metall Mittelhessen; heute Ehrenvorsitzender
u.a.
Auszeichnungen
Bundesverdienstkreuz, u.a.
Aktivitäten bei THM-StudiumPlus: Ehemaliges Mitglied im Vorstand des CCD, Gründungsmitglied
Impulse
„Als Unternehmer ist man immer auch Vorbild für die Mitarbeiter.“
„Christliche Werte sind für mich persönlich für die Unternehmensführung von großer Bedeutung.“
„Meine Familie und mein Glaube an Gott geben mir Ruhe und Sicherheit.“
„Ein Unternehmer hat insbesondere auch eine Verantwortung für die Menschen in der Region – sei es im Bereich der Nachwuchsförderung oder im Einsatz für wohltätige Projekte.“
„Mittelständisch zu denken, heißt auf langfristige Entwicklungen und Beziehungen zu setzen.“
„In einem Unternehmen sollten ältere Mitarbeiter genauso geschätzt werden wie jüngere, denn ein Betrieb braucht sowohl Erfahrung als auch neue Ideen.“
„Ethik hat viel mit Marktwirtschaft zu tun“, sagt Hans-Joachim Selzer, Geschäftsführer der Firma Selzer in Driedorf-Roth im Gespräch mit den Studierenden. Selzer leitet das 1923 gegründete Familienunternehmen Selzer Fertigungstechnik GmbH & Co. KG in dritter Generation. Das Unternehmen mit Sitz in Driedorf-Roth ist Zulieferer von Präzisionstechnik für die Automobilindustrie und hat ca. 600 Mitarbeiter. Die Selzer Fertigungstechnik GmbH & Co. KG ist ein mittelständisches Unternehmen mit internationaler Ausrichtung. Das Unternehmen entwickelt und fertigt Komponenten und Baugruppen aus Metall für Getriebe, Motoren, Bremsen und Industrie.
Eigentlich wollte Hans-Joachim Selzer zunächst einen anderen Weg einschlagen und begann ein Theologiestudium. Nach fünf Semestern entschied er sich jedoch, Wirtschaftsingenieur zu werden und beschäftigte sich intensiv mit der Frage, ob man als Christ auch Unternehmer sein könne.
Die Antwort darauf ist für Selzer ein klares Ja. Denn als Unternehmer trage man Verantwortung für viele Menschen. Man sei verpflichtet, Arbeitsplätze zu erhalten und zu schaffen. „Der Unternehmer muss mehren, damit schafft er Wohlstand“, erklärte er. Er sei ein klarer Verfechter des Standorts Deutschland.
Sieben Leitsätze erarbeitete Selzer mit seinen Mitarbeitern, und alle, die im Unternehmen arbeiten, seien entsprechend dieser Leitsätze geschult worden. Leistungsbereit und kundenorientiert sollen Selzer-Mitarbeiter sein, aber auch ein menschlicher Umgang miteinander ist eine der Leitlinien.
Und die gilt auch für den Chef. So sei es ihm sehr schwer gefallen, 1993 zwanzig Mitarbeiter entlassen zu müssen. Eine solche Entscheidung müsse persönlich mit den Betroffenen besprochen werden. Und wer Probleme habe, beispielsweise Alkoholiker sei, der bekomme bei ihm dreimal eine Chance. Wer diese vergebe, müsse jedoch gehen.
Ganz wichtig ist Selzer Ehrlichkeit den Mitarbeitern gegenüber, was die Geschäftslage angeht. Auch die Kontaktpflege bedeutet ihm viel, obwohl es ihm an der Zeit fehle, so oft an den Arbeitsplätzen zu erscheinen, wie er es sich wünsche.
Erfolg bedeute für ihn Wachstum und langfristige Beziehungen zu Geschäftspartnern – also letztlich auch das, was Arbeitsplätze sichere. Trotz der klaren Aussage, dass die Firma im Mittelpunkt seines Lebens stehe, will sich Hans-Joachim Selzer im Sommer aus der Geschäftsleitung zurückziehen. Dann will er sich intensiver einer sozialen Stiftung und dem von ihm gegründeten Institut für Ethik und Werte widmen.
[Das Gespräch fand am 20. April 2007 statt.]
Welche Kernbotschaften möchten Sie jungen Menschen mit auf den Weg geben?
„Ehrlich währt am längsten“ – das ist nicht nur ein schönes Sprichwort, sondern hat sich auch in meiner Berufspraxis immer bewährt. Wer ehrlich seine Geschäfte führt, erntet Vertrauen – ein Mega-Wert für jedes Unternehmen. Mit ehrlichen Menschen macht man gerne Geschäfte, ist man gerne zusammen. Und: Der Ehrliche hat ein gutes Gewissen. Damit kann man sich morgen auch noch selber im Spiegel anschauen.
Wie schaffen Sie die richtige Balance zwischen Arbeit und Privatleben?
Das war und ist immer eine Herausforderung, der ich nicht immer gerecht geworden bin. Meine Familie weiß davon ein Lied zu singen. Zumindest habe ich versucht, den Sonntag zu „heiligen“. Mein Tipp an die Studierenden aber heißt eindeutig: Opfern Sie nicht Ihre Familie auf dem Altar Ihres Berufes.
Welches ist für Sie der wichtigste Wert?
Neben der Ehrlichkeit ist es der Wert Zuverlässigkeit. Man muss zu seinen Worten stehen, verlässlich sein, loyal, integer. Der andere muss wissen, wo er bei mir dran ist. Dazu zählt auch, Absprachen einzuhalten, möglichst pünktlich zu sein, verbindlich. Und da das niemand hundertprozentig erreichen kann, gilt es auch, sich entschuldigen zu können. Führungskräften fällt das oft sehr schwer.
Wo sehen Sie die Grenzen der Unternehmensethik in einer globalisierten Welt?
Werte brauchen immer eine weltanschauliche Basis. Für unser Land war das über Jahrhunderte der christliche Glaube mit seiner Sicht vom Menschen als Ebenbild Gottes und als Sünder zugleich. Das hat unsere Ethik geprägt, auch meine. In anderen Kulturen kann man daran nicht automatisch anknüpfen. Das ist die eigentliche Herausforderung der Globalisierung. Hier sensibel mit anderen umzugehen, ohne die eigene Wertebasis aufzugeben, ist die Herausforderung für alle weltweit agierenden Unternehmen. Dafür muss man aber erst einmal eigene Werte haben. Sonst hat man keine eigene Orientierung.
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