3 Wenn wir im Buch immer wieder einmal liebevoll-salopp »Gunther« schreiben, meinen wir Dr. Gunther Schmidt, mit dem wir seit Jahren verbunden sind und durch den wir das hypnosystemische Konzept kennen- und lieben gelernt haben.
4 Die Begrifflichkeit der Welten – Ich-Welt, Es-Welt und Körper-Welt, innere und äußere Welten – haben wir bei Reinhold Bartl, die der Universellen Welt bei Mechthild Reinhard kennengelernt und verwenden sie hier für die verschiedenen Möglichkeiten der Aufmerksamkeitsfokussierung im hypnosystemischen Arbeiten.
Abb. 2: Die Reise durch das Buch
Am Anfang eines Entwicklungs- oder Veränderungsprozesses macht sich zumeist ein unwillkürliches, kleines, kaum spürbares Mini-Signal bemerkbar. Zu Beginn ist es oft nur schwach spürbar, vielleicht in einem Bauchgrummeln, einem Unbehagen oder einer noch nicht erklärbaren Unruhe. Dieses Signal kann sich zum Gedanken, dass etwas anders werden soll, zum Gedanken, dass es so nicht mehr weitergehen kann, oder auch zu einem sogenannten psychosomatischen Phänomen entwickeln.
An dieser Stelle, am Beginn der Reise durch das Buch, möchten wir nicht mit dem WissensRaum beginnen, wie in allen anderen Welten, sondern mit dem ErlebnisRaum . Das macht uns insofern Sinn, als Veränderung und Entwicklung zumeist über ein anderes Erleben beginnt und wir uns dann erst die Frage stellen, was nun zu tun sei.
Nach der Einladung, einmal selbst zu erleben, wie so eine Reise beginnen könnte, möchten wir dich im WissensRaum mit dem Konzept der somatischen Marker vertraut machen, über menschliche Grundbedürfnisse nach Sicherheit, Zugehörigkeit und Autonomie nachdenken sowie darüber, wie gelingende Kooperationsbeziehungen aufgebaut werden können, in denen über Veränderung und Entwicklung geforscht werden kann. Abschließend wollen wir ein paar Gedanken zum Thema Auftragsklärung mit dir teilen.
Im BegegnungsRaum findest du zu all diesen Themen methodische Anregungen sowie Vorschläge, wie du dich als Begleiterin von Veränderungs- und Entwicklungsprozessen mit dem »Reisebeginn« von Menschen auseinandersetzen kannst. Wobei hier natürlich noch angemerkt werden muss, dass die meisten Menschen sich bereits auf die Reise gemacht haben, bevor sie ins Coaching, zur Therapie oder Beratung kommen. Wir wollen diese Metapher hier dennoch verwenden, da die Reise sich durch hypnosystemische Konzepte unserer Erfahrung doch sehr von anderen unterscheidet. Aber prüfe das selbst …
Wir möchten dir zu diesem Anfang, wo das unwillkürliche Signal ins bewusste Denken kommt und sich uns dann die Frage stellt, ob und wie wir diesem Hinweis nachgehen wollen, eine Geschichte erzählen. Es ist eine »indianische« Geschichte, eine Erzählung der Native Americans, mit dem Titel »Springende Maus«. Sie handelt von einer kleinen Maus, die eines Tages ein ihr unerklärliches Rauschen hört. Wir möchten diese Geschichte gerne mit dir teilen, da wir sie als sehr stimmige Metapher für den Beginn von Veränderungs- und Entwicklungsprozessen kennengelernt haben. Und weil wir beide als Kinder selbst Indianergeschichten geliebt haben. Wir haben uns erlaubt, die Version, die wir im Buch von Steve Foster und Meredith Little (Foster u. Little 2012, S. 15ff) gefunden haben, ein klein wenig zu verändern (wobei wir davon ausgehen, dass die Fabel bisher schon von jeder Erzählerin ohnehin etwas anders weitererzählt wurde als beim ersten Mal, und auch im Internet verschiedene Varianten zu finden sind).
Die Geschichte von »Springende Maus«
Es war einmal eine Maus .
Sie war eine viel beschäftigte Maus, die unentwegt umhersuchte, das Gras mit ihren Barthaaren abtastete und immer in Bewegung war. Sie war viel beschäftigt wie alle Mäuse, beschäftigt mit Mäusedingen. Doch ab und an hörte sie ein seltsames Geräusch. Dann hob sie ihren Kopf, kniff die Augen fest zusammen, sträubte ihre Barthaare und wunderte sich. Eines Tages eilte sie zu einem benachbarten Mäuserich und fragte ihn: »Hörst du ein Rauschen in deinem Ohr, mein Bruder?«
Du kannst die Geschichte auch auf der Website anhören oder selbst lesen: www.hypnosystemischer-erlebnisraum.at
»Nein«, antwortete der Mäuserich, ohne seine viel beschäftigte Nase vom Boden zu heben. »Ich höre nichts. Ich bin beschäftigt. Sprich später mit mir.«
Sie stellte einer anderen Maus die gleiche Frage, doch diese sah sie ganz seltsam an. »Bist du nicht ganz richtig im Kopf? Was für ein Geräusch?«, fragte sie und schlüpfte in ein Loch im Stamm eines umgestürzten Baumes .
Die Maus zuckte mit den Barthaaren und beschäftigte sich wieder mit Mäusedingen, fest entschlossen, die ganze Sache zu vergessen. Aber da war es schon wieder … dieses Rauschen. Es war undeutlich, sehr undeutlich. Aber es war da! Beunruhigt ging sie schlafen, geplagt von Träumen. Sie war doch nicht verrückt, sie hörte es wirklich. So ging das eine ganze Zeit …
Eines Tages reichte es der Maus, und sie entschloss sich, dieses Geräusch ein wenig zu erforschen. Sie verließ die anderen viel beschäftigten Mäuse, lief ein kleines Stück und horchte wieder. Da war es. Sie lief immer weiter und war eifrig am Horchen, als plötzlich jemand sie grüßte .
»Hallo«, sagte die Stimme. Die Maus sprang vor Schreck fast aus der Haut, sie krümmte Rücken und Schwanz und wollte davonlaufen .
»Hallo«, sagte die Stimme wieder. »Ich bin es, Waschbär.« Und tatsächlich, er war es. »Was machst du denn hier ganz alleine?«, fragte der Waschbär. Die Maus errötete und senkte ihre Nase fast bis zum Boden. »Ich … ich höre ein Rauschen in meinen Ohren und bin dabei es zu erforschen«, antwortete sie verschüchtert .
»Ein Rauschen in deinen Ohren?«, erwiderte der Waschbär, während er sich neben sie setzte. »Was du hörst, ist der Fluss.«
»Der Fluss?«, fragte die Maus neugierig. »Was ist ein Fluss?«
»Komm mit, und ich zeige dir den Fluss«, sagte der Waschbär .
Die Maus hatte furchtbare Angst, aber sie war wild entschlossen, sich ein für alle Mal über das Rauschen Klarheit zu verschaffen. »Ich kann zu meiner Arbeit zurückkehren«, dachte sie, »nachdem diese Sache erledigt ist. Und wer weiß, vielleicht kann dieses Ding mir sogar bei meinen geschäftigen Mäusesachen behilflich sein. Und meine Schwestern und Brüder sagten alle, es wäre nichts! Ha, ich werde es ihnen zeigen! Ich werde den Waschbären bitten, mit mir zurückzukehren, dann habe ich einen Zeugen.«
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