Im Folgenden möchte ich einen oben zitierten Absatz nochmals überprüfen: „Wenn wir nun dieser unserer Idee, indem wir sie hypostasieren, so ferner nachgehen, so werden wir das Urwesen durch den bloßen Begriff der höchsten Realität als ein einiges, einfaches, allgenugsames, ewiges etc., mit einem Worte, es in seiner unbedingten Vollständigkeit durch alle Prädicamente bestimmen können.“5 Ich möchte an dieser Stelle zwei Fragen stellen: (1) Was heißt „wir […] es […] durch alle Prädicamente bestimmen können“? (2) Welche Prädikate besitzt diese Idee? In Hinsicht auf (1) habe ich gesagt, dass das ens realissmum schon die abgeleiteten und nicht nebeneinander stehenden Prädikate aus seinen Prädikaten ausschließt, weshalb man es nicht durch alle Prädikate bestimmen kann, z. B. Finsternis, Ausdehnung gehören niemals zu seinen Prädikaten. Dies ist zunächst zu klären. Was (2) anbelangt, sind viele Prädikate erwähnt, etwa Einigkeit, Allgenugsamkeit, Ewigkeit usw. Hier handelt es sich um transzendentale Prädikate, die ein Ding überhaupt bestimmen; diese gehören zu den Eigenschaften Gottes.6 An dieser Stelle können nicht alle Prädikate aufgezählt werden, da dies nicht die Hauptaufgabe dieser Untersuchung darstellt.
In diesem Anschnitt wurden bisher viele Prädikate des entis realissimi benannt. Nun werde ich mich auf drei Tatsachen beziehen, die für die folgende Ausführung bedeutsam sind:
(1) Die Denkweise Kants ist folgendermaßen: Zuerst wird das ens realissimum bewiesen und dann werden seine transzendentalen Prädikate betrachtet. Allerdings ist die Denkweise im Beweisgrund ganz anders: In dieser Schrift wird die Existenz eines entis necessarii zuerst festgehalten, dann kommt ihm die höchste Realität zu. Das ist der Grund, warum Dieter Henrich betont, dass die Denkweise im Beweisgrund von der kosmologischen Frage bestimmt wird, so dass das ens necessarium im Zentrum der kantischen Theorie steht.7 Deswegen ergibt sich eine umstrittene Frage: Gehört die Notwendigkeit auch zu den Prädikaten des entis realissimi ? Wenn ja, bedeutet dies dann, dass das ens realissimum notwendig existiert? Diese Frage wird im 2. Kapitel beantwortet.
(2) Unter den oben genannten transzendentalen Prädikaten taucht die Intelligenz nicht auf, weder in der KrV noch in der Vorlesung über Rationaltheologie .8 Im 7. Abschnitt des Theologie-Hauptstückes unterscheidet Kant die transzendentale Theologie von der natürlichen Theologie, die sich ihren Gegenstand „durch einen Begriff, den sie aus der Natur (unserer Seele) entlehnt, als die höchste Intelligenz“9 denkt. D.h. die Intelligenz stammt aus der Erfahrung, daher ist sie nicht transzendental. Danach sagt Kant: „Der zweite [sc. die natürliche Theologie] behauptet, die Vernunft sei im Stande, den Gegenstand nach der Analogie mit der Natur näher zu bestimmen, nämlich als ein Wesen, das durch Verstand und Freiheit den Urgrund aller anderen Dinge in sich enthalte.“10 Daraus folgt, dass die Intelligenz Gottes nicht durch bloße Vernunft bestimmt wird, sondern durch Analogie mit der Erfahrung (Natur). Was dies bedeutet und wie dies sich entwickelt, werde ich in Abschnitt 1.3 genau interpretieren.
(3) Im 7. Abschnitt des Theologie-Hauptstückes weist Kant insbesondere darauf hin, dass „das Dasein außer der Welt (nicht als Weltseele)“ ein transzendentales Prädikat des entis realissimi ist.11 Außerdem können wir beobachten, dass Kant Gott oft als das ens extramundanum definiert.12 In Abschnitt 1.2.1 wurde das ens realissimum als Verfeinerung des Inbegriffes aller möglichen Prädikate bestimmt. In der nova dilucidatio scheint Kant den Inbegriff aller möglichen Prädikate mit Gott direkt zu identifizieren. Dies kann zu einem Pantheismus führen. Danach hält Kant im Beweisgrund deutlich fest, dass die Beziehung zwischen allen Dingen und Gott die zwischen Grund und Folge ist, um das Resultat des Pantheismus zu vermeiden.13 Folglich möchte ich darauf hinweisen, dass die Ursache der Bestimmung Gottes als ens extramundanum darin begründet ist, den Pantheismus zu vermeiden. Wir werden die Bedeutung dieser Überlegung Kants im Vergleich mit Schleiermacher genauer veranschaulichen.
An dieser Stelle möchte ich Abschnitt 1.2 zusammenfassen. Kant gibt in seiner kritischen Periode seine ontotheologische Methode nicht auf und wendet diese transzendentale Methode auf die Versuche an, Gottes Eigenschaften bloß durch die Vernunft zu bestimmen, ohne die Erfahrung zu berücksichtigen. Folglich bestimmt Kant Gott, der als ein Ding überhaupt betrachtet wird, als ens orginarium , ens summum und ens entium . Daneben kommen Gott viele andere transzendentale Prädikate zu, die hier nicht ausführlich genannt werden. Es wurde gezeigt, dass die Frage, ob die Notwendigkeit ein Prädikat des entis realissimi ist, noch offen ist. Außerdem ist es wichtig, hier zu betonen, dass die Intelligenz als das Prädikat Gottes nicht direkt aus dem Begriff des entis realissimi abgeleitet ist.
1.3 Die analogische Methode
Das Problem der Analogie ist eine wichtige, aber doch immer vernachlässigte Frage.1 Allerdings spielt sie in der kantischen Philosophie oft eine wichtige Rolle. Ich nenne dafür einige Beispiele. In der Transzendentalen Analytik der KrV interpretiert Kant Begriffe wie Substanz, Kausalität und Gemeinschaft mit einer „Analogie der Erfahrung“. In der Transzendentalen Dialektik der KrV, in den Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik (im Folgenden als Prolegomena bezeichnet) und in der KU ist die Analogie immer ein wichtiger Weg für die endliche Vernunft, um Gottes Intellekt (Verstand und Willen) zu erkennen, was auch das Thema dieser Dissertation ist. Gleichzeitig ist die Analogie eng mit Kants reflektierendem Urteil verbunden. Der regulative Gebrauch der Vernunftidee, der uns sehr gut bekannt ist, ist untrennbar von der Analogie. Man kann sagen, dass ohne ein Verständnis der Analogie das regulative Prinzip Kants nicht verstanden werden kann.2
Kurz bevor Kant beginnt, Gott als Ideal zu interpretieren, schreibt er am Ende der Schlußanmerkung zur ganzen Antinomie der reinen Vernunft : „Weil aber, wenn wir uns einmal die Erlaubniß genommen haben, außer dem Felde der gesammten Sinnlichkeit eine für sich bestehende Wirklichkeit anzunehmen, Erscheinungen nur als zufällige Vorstellungsarten intelligibeler Gegenstände von solchen Wesen, die selbst Intelligenzen sind, anzusehen sind: so bleibt uns nichts anders übrig als die Analogie, nach der wir die Erfahrungsbegriffe nutzen, um uns von intelligibelen Dingen, von denen wir an sich nicht die mindeste Kenntniß haben, doch irgend einigen Begriff zu machen.“3 Hierin verbirgt sich eine Gesamtkonzeption der Analogie. Wie man aber mit Hilfe der Analogie Gott, bzw. die Intelligenz Gottes, erkennen kann, werde ich in diesem Abschnitt versuchen aufzuzeigen. Dieser Abschnitt wird wie folgt unterteilt: Zuerst werde ich in Abschnitt 1.3.1 mit Hilfe der Auffassungen in den Prolegomena , der KU und der Vorlesung über Rationaltheologie einige grundlegende Punkte der Analogie verdeutlichen, die im Anhang zur transscendentalen Dialektik der KrV diskutiert werden. Wenn geklärt ist, wie die Eigenschaft Gottes (Intelligenz) durch die Analogie erkannt wird, kann in Kapitel 3.2 die weitere Analyse erfolgen.
1.3.1 Die Analogie als eine Methode der Erkenntnis
Der Anhang zur transzendentalen Dialektik der KrV ist in zwei Teile gegliedert, nämlich Von dem regulativen Gebrauch der Ideen der reinen Vernunft und Von der Endabsicht der natürlichen Dialektik der menschlichen Vernunft . In diesem Anhang behandelt Kant ausführlich die Theorie der Analogie. Er weist in Von der Endabsicht der natürlichen Dialektik der menschlichen Vernunft darauf hin, dass es insgesamt zwei unterschiedliche Gegenstände gibt: „Es ist ein großer Unterschied, ob etwas meiner Vernunft als ein Gegenstand schlechthin, oder nur als ein Gegenstand in der Idee gegeben wird.“1 Deswegen haben wir entsprechend zwei Methoden, den Gegenstand zu bestimmen:
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